Der Grosse Sankt Bernhard – ein Pass mit Geschichte
von Andrea Hauser +Instagram-CH Grosser Sankt Bernhard Kantonspolizei Polizeinews Schweiz Verkehr & Katastrophen Verkehrsmeldungen Wallis
Der Grosse Sankt Bernhard gehört zu den eindrucksvollsten Alpenpässen Europas. Mit 2’469 Metern über Meer ist er einer der höchsten befahrbaren Pässe der Schweiz, Die Verbindung zwischen dem schweizerischen Wallis und dem italienischen Aostatal ist landschaftlich sehenswert Der Passweg, der heute durch die gleichnamige Passstrasse und den Tunnel erschlossen ist, dient nicht nur dem Verkehr, sondern lädt auch zu Wanderungen und Entdeckungen ein.
In diesem Beitrag erfahren Sie mehr über die beeindruckende Natur und die Geschichte des Hochgebirgspasses.
Natur & Landschaft
Der Grosse Sankt Bernhard liegt auf 2’469 Metern über Meer und gehört zu den typischen hochalpinen Pässen der Schweiz. Die Landschaft ist geprägt durch karges, steiniges Gelände, steile Hänge und eine insgesamt geringe Vegetationsdichte. Aufgrund der Höhe und der klimatischen Bedingungen gedeihen auf der Passhöhe vorwiegend alpine Kräuter, Moose, Flechten und niedrig wachsende Polsterpflanzen. Bäume kommen in dieser Höhenlage nicht mehr vor – die Baumgrenze liegt deutlich tiefer. Vegetation findet man hauptsächlich in geschützten Lagen oder in Senken, wo sich im Sommer Wasser sammeln kann.
Die Aussicht vom Pass ist bei klarer Sicht weitreichend und bietet einen Überblick über die umliegenden Walliser und italienischen Alpen. Markante Gipfel wie das Grand Combin-Massiv (4’314 m) und der Mont Vélan (3’731 m) dominieren das Panorama. Diese hochalpinen Regionen weisen eine stark vergletscherte und durch Erosion geformte Oberflächenstruktur auf.
In den tiefer gelegenen Zonen rund um Bourg-St-Pierre auf der Schweizer Seite und Saint-Rhémy-en-Bosses im italienischen Aostatal verändert sich das Landschaftsbild deutlich. Hier finden sich subalpine Lebensräume mit ausgedehnten Bergwiesen, Lärchen- und Arvenwäldern sowie Quell- und Gletscherbächen. Die Vegetation ist deutlich dichter, und auch die Fauna zeigt sich vielfältiger: Neben Murmeltieren und Gämsen sind hier verschiedene alpine Vogelarten heimisch.
Während der Sommermonate – in der Regel von Juni bis Oktober – ist das Gebiet weitgehend schneefrei und zugänglich. In dieser Zeit wird der Pass sowohl von Wandernden als auch von Durchreisenden frequentiert. Trotz der günstigeren Bedingungen bleibt die Umgebung anspruchsvoll: Wetterumschwünge treten häufig auf, Nebel, Regen und Schneeschauer können selbst im Juli nicht ausgeschlossen werden. Schnee bleibt oft bis in den Frühsommer hinein liegen. Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt deutlich unter dem Gefrierpunkt, und selbst im Sommer steigen die Tageshöchstwerte selten über 10 °C.
Kulturelle Bedeutung
Bereits in der Antike diente der Pass als wichtiger Übergang über die Alpen und war Bestandteil mehrerer Handels- und Militärwege, die das heutige Italien mit dem nördlichen Europa verbanden. Archäologische Funde belegen, dass der Pass schon zur Römerzeit – als „Summus Poeninus“ – begangen wurde. Reste römischer Pflasterstrassen, Münzen und Götterstatuetten zeugen von dieser frühen Nutzung.
Eine zentrale Rolle in der Geschichte des Passes spielt das im 11. Jahrhundert gegründete Hospiz. Um das Jahr 1050 liess Bernhard von Menthon, ein Priester und späterer Heiliger, eine Herberge zur Aufnahme und Unterstützung von Reisenden und Pilgern errichten. Diese Institution diente über Jahrhunderte hinweg als Schutz- und Versorgungsstation in einer Umgebung, die durch extreme klimatische Bedingungen lebensbedrohlich sein konnte. Daraus entwickelte sich die bis heute bestehende Augustiner-Chorherrenstiftung auf dem Grossen Sankt Bernhard, die das Hospiz und seine humanitäre Tradition weiterführt.
Ein besonders bekannter Teil dieser Tradition ist die Zucht und Haltung der Bernhardinerhunde, die im 17. Jahrhundert zur Unterstützung bei der Rettung von in Not geratenen Reisenden eingeführt wurden. Die Hunde zeichneten sich durch ihre Grösse, Ausdauer und ihren Orientierungssinn im Schnee aus. Ihr Bild mit Fässchen um den Hals wurde zum Symbol für alpine Hilfeleistung und machte die Tiere weltweit bekannt. Die Bernhardiner sind heute Teil des kulturellen Erbes des Passes, auch wenn sie nicht mehr aktiv im Rettungsdienst eingesetzt werden.
Auch in der neueren Geschichte war der Grosse Sankt Bernhard von strategischer Bedeutung. Im Jahr 1800 überschritt Napoleon Bonaparte mit einem grossen Teil seiner Armee den Pass während seines Italienfeldzugs,
Kulturell bildet der Pass zudem eine Schnittstelle zwischen zwei Sprach- und Kulturregionen: dem französischsprachigen Wallis und dem italienischsprachigen Aostatal. Dies zeigt sich nicht nur in der Mehrsprachigkeit der Region, sondern auch in den Bräuchen, Bauweisen und kulinarischen Traditionen auf beiden Seiten des Passes.
Aktivitäten & Erlebnisse
Der Grosse Sankt Bernhard bietet ein vielfältiges Spektrum an Aktivitäten und Erlebnismöglichkeiten, die vor allem im Sommerhalbjahr zwischen Juni und Oktober genutzt werden können.
Das Gebiet rund um den Grossen Sankt Bernhard ist ein beliebtes Ziel für Wanderer und Bergsportbegeisterte. Mehrere markierte Wanderwege führen zur Passhöhe oder über sie hinweg, darunter der Via Francigena, ein historischer Pilgerweg von Canterbury nach Rom, der hier einen seiner spektakulärsten Abschnitte durchquert. Etappen führen von Bourg-St-Pierre (Wallis) oder Saint-Rhémy-en-Bosses (Aostatal) zur Passhöhe, mit mässigem Schwierigkeitsgrad, aber anspruchsvollen Wetterbedingungen.
Für erfahrene Alpinisten bieten sich in der Umgebung anspruchsvollere Touren an – etwa auf den Mont Mort oder den Mont Fourchon. Diese Touren erfordern gute Kondition, Trittsicherheit und eine passende Ausrüstung, insbesondere bei wechselhaftem Wetter. Auch Skitourengeher und Schneeschuhwanderer nutzen den Pass in der Übergangszeit zwischen Winter und Frühling, wobei dies nur unter geeigneten Bedingungen möglich ist.
Die Passstrasse ist bei Motorradfahrern und ambitionierten Radfahrern sehr beliebt. Die kurvenreiche Strecke mit zahlreichen Serpentinen bietet sportliche Herausforderungen in Kombination mit eindrucksvollen Panoramen. Die geringe Verkehrsbelastung im Vergleich zu anderen Alpenpässen macht den Grosse Sankt Bernhard zu einer attraktiven Strecke für Individualreisende.
Ein zentrales Besuchsziel ist das historische Hospiz auf dem Grossen Sankt Bernhard, das auf rund 2’470 Metern Höhe liegt. Es kann tagsüber besichtigt werden, bietet aber auch einfache Übernachtungsmöglichkeiten für Pilger und Wanderer. Die Räumlichkeiten vermitteln einen authentischen Eindruck vom jahrhundertealten Betrieb der Herberge unter extremen Bedingungen. Eine Besonderheit ist die Stille und Schlichtheit des Hauses, das auch heute noch von Augustiner-Chorherren geführt wird.
Angeschlossen an das Hospiz ist ein kleines Museum, das über die Geschichte des Passes, das Leben der Chorherren, die Bernhardinerhunde und den alpinen Alltag informiert. Besonders für Familien und kulturhistorisch Interessierte bietet sich hier ein kompaktes, informatives Erlebnis.
In den Sommermonaten ist auf der Passhöhe auch das Sommerquartier der Barry-Stiftung untergebracht. Die traditionsreiche Stiftung kümmert sich um die Zucht und Pflege der Bernhardinerhunde, die eng mit der Geschichte des Passes verknüpft sind. Besucher können hier die Hunde besichtigen und mehr über ihre Rolle in der alpinen Rettungsgeschichte erfahren. Führungen, Fotoangebote und Informationsmaterial machen den Besuch besonders für Familien und Tierliebhaber attraktiv.
Die Umgebung des Passes eignet sich gut für Naturbeobachtung, insbesondere im Hinblick auf Flora und Fauna hochalpiner Lebensräume. Mit etwas Geduld lassen sich Murmeltiere, Steinböcke oder alpine Greifvögel beobachten. Für Fotografen bietet die Landschaft zahlreiche Motive – von Spiegelungen im kleinen Passsee bis zu Wolkenstimmungen über dem Gebirgskamm.
Verkehrssicherheit & Prävention
Die Verkehrssicherheit am Grossen Sankt Bernhard ist stark von der alpinen Lage, der Höhenlage und den saisonalen Witterungsverhältnissen geprägt. Die Passstrasse (Route 21 / SS27) ist nur während der Sommermonate für den motorisierten Verkehr geöffnet, in der Regel zwischen Juni und Oktober, je nach Schneelage. Während der Wintermonate bleibt die Strasse aufgrund von Schneefall, Eisbildung und Lawinengefahr gesperrt. In dieser Zeit erfolgt der Transit ausschliesslich durch den Grossen-Sankt-Bernhard-Tunnel, der ganzjährig in Betrieb ist.
Die Eröffnung der Passstrasse erfolgt jeweils nach intensiven Räumungsarbeiten, bei denen meterhohe Schneemassen entfernt werden müssen. Dabei kommt schweres Räumgerät zum Einsatz, und die Sicherheit der Strecke wird laufend geprüft. Sobald die Strasse freigegeben ist, wird sie regelmässig kontrolliert und unterhalten. Dennoch sind Fahrer auch im Sommer mit spezifischen alpinen Risiken konfrontiert: enge Kurven, steile Abschnitte, wechselnde Sichtverhältnisse und plötzlich auftretende Nebelbänke sind häufig.
Für die Befahrung der Passstrasse ist Fahrsicherheit im Gebirge erforderlich. Dies gilt insbesondere für Fahrzeuge mit Anhänger, Wohnmobile, Motorräder und Radfahrer. Eine angepasste Geschwindigkeit und erhöhte Aufmerksamkeit sind notwendig. Bei Schlechtwetterlagen – etwa Schneefall oder Eisbildung auch im Hochsommer – kann die Strasse kurzfristig gesperrt oder die Durchfahrt nur mit Winterausrüstung (z. B. Schneeketten) erlaubt sein.
Empfohlen wird, sich vor der Anreise über den aktuellen Zustand der Strasse zu informieren. Dies ist über den Strasseninformationsdienst des TCS (Touring Club Schweiz) oder über Webcams und Verkehrsdienste in Echtzeit möglich.
Im Bereich der Passstrasse kommen verschiedene Schutzmassnahmen gegen alpine Gefahren zum Einsatz. Dazu zählen Lawinengalerien, Schneezäune, Steinschlagschutznetze sowie Hangstabilisierungen. Diese baulichen Einrichtungen sollen verhindern, dass Naturgefahren wie Lawinen oder Felsstürze die Strasse direkt gefährden. Zusätzlich existieren Notfallkonzepte und Absperrprotokolle, die in enger Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden umgesetzt werden.
Während der Wintersperre der Passstrasse bietet der Grossen-Sankt-Bernhard-Tunnel eine sichere und wetterunabhängige Verbindung zwischen dem Wallis (Schweiz) und dem Aostatal (Italien). Der 5,8 Kilometer lange Tunnel wird von der Tunnel du Grand-Saint-Bernard SA betrieben und ist gebührenpflichtig. Regelmässige Wartung, moderne Lüftungs- und Sicherheitsanlagen sowie permanente Videoüberwachung gewährleisten einen hohen Sicherheitsstandard. Für Fahrzeuge mit Gefahrgut gelten besondere Bestimmungen.
Im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Italien finden regelmässige Abstimmungen im Bereich Katastrophenschutz, Rettung und Notfallversorgung statt. Bei Unfällen oder medizinischen Notfällen auf dem Pass kommen die Kantonspolizei Wallis, die Soccorso Alpino Valdostano oder die Rega zum Einsatz – je nach Ort des Geschehens und Situation. Für Wanderer und Bergsportler gilt die allgemeine Empfehlung, eine Notfallausrüstung mitzuführen (z. B. Mobiltelefon mit geladenem Akku, Kartenmaterial, Wetterschutz).
Fazit
Der Grosse Sankt Bernhard verbindet die Schweiz und Italien nicht nur geografisch, sondern auch kulturell, historisch und infrastrukturell. Die Region bietet eine charakteristische Hochgebirgslandschaft mit vielseitigen Möglichkeiten für Natur- und Kulturerlebnisse. Ob als Etappenziel auf einer Weitwanderung, als Ausgangspunkt für alpine Touren oder als Ziel für einen Tagesausflug – der Pass spricht unterschiedliche Besuchergruppen an.
Gleichzeitig bleibt die alpine Lage mit ihren klimatischen Herausforderungen ein bestimmender Faktor. Gute Vorbereitung und aktuelle Informationen sind für alle Aktivitäten in der Umgebung unerlässlich.
Quellen:
Grand-Saint-Bernard – Val d’Entremont (Region Martigny): https://www.regionmartigny.ch
Barry Foundation (Bernhardinerhunde): https://www.barryland.ch
Bourg-St-Pierre Tourismus: https://www.bourg-saint-pierre.ch
Via Francigena – offizieller Routenführer: https://www.viefrancigene.org
SchweizMobil – Wander- und Velowege: https://www.schweizmobil.ch
Grand-Saint-Bernard-Tunnel (Tunnel du Grand-Saint-Bernard SA): https://www.letsbooktunnel.com
Bundesamt für Strassen (ASTRA): https://www.astra.admin.ch
Kantonspolizei Wallis: https://www.polizeiwallis.ch
(alle abgerufen am 16.07.25)
Bildquellen:
Titelbild: pixelshop – shutterstock.com
Bild 1: essevu – shutterstock.com
Bild 2: Roland Zumbuehl, Gr-St-Bernhard, CC BY 3.0
Bild 3: Hagai Agmon-Snir حچاي اچمون-سنير חגי אגמון-שניר, GreatStBernardPassAugust232023 03, CC BY-SA 4.0
Bild 4: Rita_Kochmarjova – shutterstock.com