Der San-Bernardino-Pass – Verbindung, Geschichte und Natur in den Alpen
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Der San-Bernardino-Pass verbindet als eindrucksvolle Alpenquerung den Kanton Graubünden mit dem Tessin. Auf 2’066 Metern über Meer gelegen, gilt er als eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen durch die Schweizer Alpen. Der Pass fasziniert durch seine beeindruckende Hochgebirgslandschaft, seine kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung, seine gut ausgebaute Infrastruktur und die Vielzahl an Freizeitmöglichkeiten.
In diesem Beitrag erhalten Sie einen Einblick in die Natur und Landschaft des Passgebiets, seine historische Relevanz, die Aktivitäten für Besucher sowie wichtige Aspekte zur Verkehrssicherheit und Prävention.
Natur & Landschaft
Der San-Bernardino-Pass liegt in einer Region, in der die Alpen ihre volle landschaftliche Schönheit und Vielfalt entfalten. Zwischen dem Hinterrhein im Norden und dem Valle Mesolcina im Süden durchquert die Passstrasse eine hochalpine Zone, die sowohl geologisch als auch klimatisch äusserst vielfältig ist. Die Passhöhe befindet sich auf 2’066 Metern über Meer, eine Lage, die bereits oberhalb der natürlichen Waldgrenze liegt und dadurch von alpiner Vegetation geprägt ist. Hier dominieren ausgedehnte Matten, Felsschuttflächen, Blockhalden und vereinzelte Moorgebiete, die ökologisch wertvoll und sensibel sind.
Die Vegetation des San-Bernardino-Gebiets ist an die extremen Bedingungen angepasst: Kurze Vegetationsperioden, starke UV-Strahlung und nährstoffarme Böden fordern spezialisierte Pflanzenarten. Besonders eindrucksvoll sind die intensiven Farben der Blütenpflanzen im Frühsommer. Dann zeigen sich die Alpenanemone, der Rhätische Enzian, der Gelbe Alpenmohn oder das seltene Alpen-Leinkraut in voller Blüte. Auf kargen Felsrücken wachsen auch Flechten und Moose, die extrem widerstandsfähig sind. In den geschützten Senken und entlang von Bächen gedeihen Zwergstrauchheiden und Hochstaudenfluren, welche wichtige Lebensräume für Insekten darstellen.
Ein landschaftliches Highlight ist der Laghetto Moesola, ein kleiner Bergsee direkt auf der Passhöhe. Er spiegelt das umliegende Panorama mit seiner klaren Wasseroberfläche und beherbergt eine eigene kleine Wasserwelt mit Amphibien, seltenen Wasserpflanzen und Insektenlarven. Auch weitere kleinere Seen und Feuchtgebiete in der Umgebung – etwa entlang des alten Säumerpfads – prägen das Landschaftsbild und bieten wichtige Rückzugsorte für Tiere.
Die Tierwelt ist genauso vielfältig wie die Pflanzenwelt. In den Felsen und Wiesen oberhalb der Baumgrenze leben Murmeltiere, Gämsen und mit etwas Glück auch Steinböcke. Die Region ist zudem Brut- und Jagdrevier für verschiedene Greifvögel – darunter der majestätische Steinadler und der häufig zu beobachtende Mäusebussard. Im Frühjahr und Herbst nutzen zahlreiche Zugvögel die Passhöhe als natürliche Flugroute. Wer mit offenen Augen wandert, kann zudem Kreuzottern, Eidechsen oder seltene alpine Schmetterlingsarten entdecken.
Besonders interessant ist der klimatische Kontrast zwischen Nord und Süd: Während sich die Nordseite (Hinterrhein) rauer und kühler mit klassisch alpinem Klima präsentiert, zeigt sich auf der Südseite (Valle Mesolcina) bereits ein milderer, vom Mittelmeer beeinflusster Charakter. Diese klimatische Übergangszone macht den San-Bernardino-Pass zu einem einzigartigen Naturraum, in dem nordalpine und südalpine Ökosysteme aufeinandertreffen. Gerade deshalb hat das Gebiet auch eine hohe Bedeutung für den Naturschutz und die Biodiversitätsforschung.
Kulturelle Bedeutung
Der San-Bernardino-Pass blickt auf eine reiche Geschichte zurück, die eng mit der Entwicklung des alpenquerenden Verkehrs und dem kulturellen Austausch zwischen Nord- und Südeuropa verbunden ist. Bereits in der Römerzeit vermuten Historiker erste Übergänge in der Region, wobei archäologische Hinweise darauf hindeuten, dass der Pass zwar bekannt, aber zunächst weniger bedeutend war als benachbarte Routen wie der Splügenpass oder der Septimerpass. Der Grund dafür lag vor allem in der Topografie sowie in der damaligen Infrastruktur. Die weiten Hochflächen rund um die heutige Passhöhe waren schwer zugänglich, was den Verkehr zunächst erschwerte.
Im Hochmittelalter änderte sich dies jedoch grundlegend. Ab dem 13. Jahrhundert wurde der San-Bernardino-Pass zunehmend als wichtige Alternativroute zum stark frequentierten Gotthard genutzt. Besonders für Kaufleute, Pilger und Boten wurde er zur bevorzugten Nord-Süd-Verbindung. Die Route verband das lombardische Tiefland – insbesondere Mailand und Como – mit dem oberen Rheintal und darüber hinaus mit Süddeutschland und dem Elsass. Der San Bernardino war Teil eines grösseren europäischen Handelsnetzes, über das Salz, Wein, Stoffe, Getreide und Metallwaren transportiert wurden. Die geografische Lage verlieh dem Pass eine strategische Bedeutung, die weit über die Region hinausreichte.
Der Name des Passes geht auf den heiligen Bernhardin von Siena zurück, einen italienischen Franziskanermönch, der im 15. Jahrhundert lebte und als Prediger grosse Bekanntheit im Alpenraum erlangte. Mit seiner zunehmenden Verehrung entstand auch die Idee, Reisenden auf der Passhöhe eine spirituelle und praktische Unterstützung zu bieten. So wurde 1451 erstmals ein Hospiz urkundlich erwähnt – eine einfache Unterkunft, betrieben von Mönchen, die Reisenden bei schlechtem Wetter Schutz und Verpflegung bot. Dieses Hospiz, das später mehrfach erweitert wurde, zeugt von der religiösen und sozialen Bedeutung des Passes in jener Zeit.
Im 18. und frühen 19. Jahrhundert erkannte auch die Politik die Bedeutung des San Bernardino. Während der napoleonischen Kriege wurde die Route aus militärischen Gründen befestigt und teilweise neu angelegt. Napoleon selbst soll die strategische Rolle des Passes erkannt und gefördert haben. Die Etablierung eines kontinuierlichen Verkehrswegs wurde vorangetrieben, eine Entwicklung, die schliesslich im 19. Jahrhundert zur systematischen Erschliessung der Strasse führte.
Der nächste entscheidende Entwicklungsschritt erfolgte im 20. Jahrhundert: Mit dem Ausbau der Strasse und der Eröffnung des San-Bernardino-Tunnels im Jahr 1967 wurde die Route ganzjährig befahrbar. Dies stärkte nicht nur den überregionalen Transit, sondern auch die wirtschaftliche Lage der südlich gelegenen Täler, insbesondere des Misox (Valle Mesolcina). Gleichzeitig wurde die historische Passstrasse nicht stillgelegt, sondern erhalten. Heute gilt sie als technisches Kulturgut und Denkmal vergangener Verkehrsepochen. Die kunstvoll angelegte Strecke mit ihren Kehren, Steinbrücken und Trockenmauern zeugt vom ingenieurtechnischen Können vergangener Jahrhunderte.
Aktivitäten & Erlebnisse
Der San-Bernardino-Pass und seine Umgebung sind ein wahres Paradies für Naturliebhaber, Sportbegeisterte und Erholungssuchende. Die alpine Landschaft, die klare Bergluft und die eindrucksvollen Panoramen schaffen ideale Voraussetzungen für vielfältige Freizeitaktivitäten.
Ein besonderes Erlebnis bietet der historische Saumpfad, der einst von Säumern mit ihren Lasttieren begangen wurde. Teile dieser alten Route wurden in den letzten Jahren rekonstruiert und mit Informationstafeln ausgestattet. Wanderer haben so die Möglichkeit, die Geschichte des Alpenübergangs auf authentische Weise nachzuvollziehen.
In der Umgebung der Passhöhe befinden sich zahlreiche weitere Wanderwege unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade. Beliebt sind Touren zum Piz Uccello, einem markanten Aussichtsberg, oder zum idyllischen Laghetto Moesola, der sich direkt neben der Passstrasse befindet und zum Verweilen einlädt. Wer Höhenmeter nicht scheut, wird auf dem Panoramaweg belohnt: Dieser bietet atemberaubende Ausblicke über die umliegenden Täler und bis zu den Gipfeln des Piz Beverin, des Piz Curciusa oder – bei guter Sicht – sogar in Richtung Berninagruppe. Die Wegführung durch alpine Matten, vorbei an kleinen Wasserfällen und Felsformationen, macht jede Wanderung zu einem Naturerlebnis.
Auch Velofahrer und Mountainbiker finden in der Region attraktive Möglichkeiten. Die kurvenreiche Passstrasse mit ihren abwechslungsreichen Steigungen und Ausblicken ist ein Klassiker für ambitionierte Rennvelofahrer. Für E-Bike- und Mountainbike-Fans gibt es zudem ausgeschilderte Routen durch Wälder, über Almen und hinauf zu einsamen Aussichtspunkten.
In den Wintermonaten verwandelt sich der Ort San Bernardino auf der Südseite des Passes in ein kleines, aber feines Wintersportgebiet. Skifahrer und Snowboarder finden hier Pisten für alle Könnerstufen, ergänzt durch Schneeschuhwanderwege, Langlaufloipen und ein familienfreundliches Ambiente. Im Vergleich zu grossen Wintersportorten geht es hier ruhig und entspannt zu – ein Vorteil für alle, die die Berge in ihrer ursprünglichen Form geniessen möchten.
Nach einem Tag an der frischen Luft laden zahlreiche Berggasthäuser, Restaurants und kleinere Hotels zur Rast ein. Besonders auf der Tessiner Seite wird die Gastfreundschaft mit lokalen Spezialitäten wie Polenta, Kastaniengerichten oder Formaggi aus der Region gepflegt.
Verkehrssicherheit & Prävention
Die Passstrasse über den San Bernardino gilt als gut ausgebaut und wird regelmässig instand gehalten. Dennoch stellt sie, wie viele alpine Routen, besondere Anforderungen an Fahrende. Engstellen, Serpentinen und rasch wechselnde Wetterbedingungen erfordern erhöhte Aufmerksamkeit. Gerade im Frühling und Herbst können Nebel, Regen oder Schnee innerhalb kürzester Zeit die Sicht und Fahrbahnverhältnisse beeinträchtigen.
Das Tiefbauamt Graubünden sowie die Kantonspolizei überwachen die Route ganzjährig. Vor allem im Winter spielt die Verkehrssicherheit eine zentrale Rolle: Die Passhöhe ist dann in der Regel gesperrt, und der Verkehr wird durch den San-Bernardino-Tunnel geführt. Der rund 6,6 Kilometer lange Tunnel sorgt auch bei extremen Wetterbedingungen für eine zuverlässige Verbindung zwischen Nord und Süd.
Im Bereich Prävention wird viel investiert: Lawinenschutzgalerien, Steinschlagnetze und Drainagesysteme minimieren Naturgefahren. Verkehrsinformationen über Webcams, Apps und Verkehrsdienste wie TCS oder alpen-paesse.ch bieten aktuelle Updates zur Strassensituation. Die Polizei empfiehlt vor allem ausländischen Gästen, sich vor Fahrtantritt über Sperrzeiten und Wetterlagen zu informieren.
Auch für Velofahrende gelten besondere Hinweise: Die Passstrasse ist technisch anspruchsvoll, mit langen Steigungen und engen Kurven. Entsprechende Ausrüstung, sichtbare Kleidung und das Beachten der Wettersituation sind unerlässlich. Für Gruppenreisen gibt es gesicherte Haltepunkte, die eine sichere Querung ermöglichen.
Fazit
Der San-Bernardino-Pass ist weit mehr als eine Nord-Süd-Verbindung. Er ist ein Ort, an dem sich Natur, Kulturgeschichte und moderne Infrastruktur auf eindrucksvolle Weise begegnen. Die alpine Flora und Fauna, historische Routen, zahlreiche Outdoor-Aktivitäten sowie eine ausgebaute Verkehrssicherheit machen ihn zu einem attraktiven Ziel für Touristen, Alpinisten und alle, die die Vielfalt der Schweizer Alpen erleben möchten.
Ob als Ausgangspunkt für Wanderungen, Zwischenhalt auf einer Reise oder Ort der Reflexion – der Pass bietet einen ganz eigenen Charme. Wer ihn überquert, erlebt nicht nur einen geografischen, sondern auch einen atmosphärischen Übergang. Zwischen den Welten von Nord und Süd, Altem und Neuem, Bewegung und Ruhe.
Quellen:
Bundesamt für Strassen (ASTRA): https://www.astra.admin.ch
TCS (Touring Club Schweiz – Verkehrsinformation): https://www.tcs.ch
Kanton Graubünden – Tiefbauamt: https://www.gr.ch
Kantonspolizei Graubünden: https://www.kapo.gr.ch
Graubünden Ferien: https://www.graubuenden.ch
SchweizMobil: https://www.schweizmobil.ch
Pro Natura Graubünden: https://www.pronatura-gr.ch
Naturpark Beverin: https://www.naturpark-beverin.ch
ViaStoria – Zentrum für Verkehrsgeschichte: https://www.viastoria.ch
Historisches Lexikon der Schweiz (HLS): https://hls-dhs-dss.ch
(abgerufen am 07.08.2025)
Bildquellen:
Titelbild: Adrian Michael, Passo San Bernardino, CC BY 3.0
Bild 1: Viliam Mucha – depositphotos.com
Bild 2: v-strelok – depositphotos.com
Bild 3: I, Parpan05, San Bernardino Passhöhe, CC BY-SA 3.0
Bild 4: Aconcagua, San Bernardino 1, CC BY-SA 3.0
Bild 5: Adrian Michael, San Bernardino Eingang Nord, CC BY-SA 3.0