Parlamentarier schwänzen und kassieren trotzdem Sitzungsgeld
von Agentur belmedia
Parlamentarier, die Sitzungen und Abstimmungen schwänzen und dennoch Sitzungsgelder absahnen – das gibt es nicht nur im Europaparlament, sondern leider auch bei eidgenössischen Parlamentariern in Bern.
Es ist ärgerlich genug, wenn Politiker im Bundeshaus bei Abstimmungen regelmässig mit Abwesenheit glänzen, weil sie scheinbar Wichtigeres zu tun haben (siehe auch den Blogbeitrag „Diese Politiker schwänzen am häufigsten“). Richtig empörend ist es aber, wenn Politiker für diese Nicht-Leistung auch noch Geld kassieren. Und in Bundesbern geht das offenbar ganz einfach – dank fehlender Kontrollen.
Pro Tag in der Session bekommen eidgenössische Parlamentarier ein Sitzungsgeld von 425 Franken. Hinzu kommen 110 Franken Mahlzeitentschädigung sowie eine Übernachtungspauschale von 170 Franken bei zwei aufeinander folgenden Sitzungstagen. Um das Geld zu kassieren, muss sich der Parlamentarier lediglich in eine Anwesenheitsliste eintragen. Manch ein Politiker tut dies zwar, verabschiedet sich danach aber in einen verfrühten Feierabend.
Um welche Politiker es sich handelt, enthüllte die Zeitung „20 Minuten“, indem sie die offiziellen Anwesenheitslisten mit den Abstimmungen auf politnetz.ch verglich. Mit den Vorwürfen konfrontiert, zeigten sich die Politiker um Ausreden nicht verlegen. Beispielsweise blieben am Freitag, 15. Juni (= letzte Sitzung der Sommersession), neun Nationalräte den Abstimmungen ab 10.30 Uhr fern.
Ausreden für’s Schwänzen
Früher aus der Sitzung ohne Teilnahme an der Abstimmung ging etwa Jacqueline Fehr (SP). Grund: Sie habe ihren Geburtstag feiern wollen (dieser lag allerdings am Freitag, 1. Juni, nicht am 15. Juni). SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli musste nach eigenen Angaben jeweils Termine an der Universität Zürich wahrnehmen. Und Ruedi Lustenberger (CVP) gab an, er habe als Zentralpräsident ab 11 Uhr in Bern die Jubiläumsdelegiertenversammlung des Schreinermeisterverbands leiten müssen.
Zu den Ausreden der Politiker gehören ebenso berufliche Verpflichtungen. Das tönt besonders gut, weil es ins Bild des vielbeschäftigten Milizparlamentariers passt (den es im Schweizer Parlament jedoch in Wahrheit kaum mehr gibt). Hierauf beruft sich etwa der SVP-Nationalrat und Unternehmer Peter Spuhler, einer der häufig fehlenden Parlamentarier. Er bezog an zwei Tagen Taggeld, „obwohl seine Präsenz bei den Abstimmungen gering war“, hält 20 Minuten fest.
Politikern auf die Finger gucken
Klar und deutlich: Wenn Politiker an Sitzungen nicht oder nur unvollständig teilnehmen, aber dennoch Sitzungsgelder kassieren, ist das Betrug am Steuerzahler. Strenge Kontrollen sind nötig, um das in Zukunft zu unterbinden. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Stempelsystem wie in der Privatwirtschaft? Das volle Taggeld gäbe es dann nur bei 100-prozentiger Anwesenheit, darunter bis zu 80 Prozent Anwesenheit würden Abzüge erfolgen – und noch einmal darunter gibt es dann gar nichts mehr.
Ziel muss es sein, ein abstimmungsfähiges Parlament herzustellen mit Parlamentariern, bei denen das Mandat an erster Stelle steht und bei denen alle anderen Verpflichtungen zurückstehen. Politiker, die beides nicht unter einen Hut bekommen, mögen entweder auf die Zusatzverpflichtungen oder auf ihr Mandat verzichten.
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