Mal in Moll und mal in Dur: Eurovision Song Contest 2011

Noch 5 Wochen und 5 Tage: Dann startet der 56. Eurovision Song Contest 2011 in Düsseldorf. Für die Schweiz geht die 23-jährige Basler Sängerin Anna Rossinelli mit ihrem Song „In Love for a While“ ins Rennen.

Die ehemalige Strassenmusikerin setzt auf ungekünstelten Charme und ihre soulige Stimme, von akustischen Instrumenten schlicht begleitet. Das wirkt alles sympathisch – ob es aber am Ende reicht, werden natürlich die Zuschauer entscheiden müssen.

Mein Wunsch an den ESC: Künftig bitte mehr musikalischer Inhalt und weniger Show! Da gilt es einen unguten Trend zu stoppen. Leider zeigt das auch der letzte Sieger-Titel „Satellite“ der deutschen Sängerin Lena Meyer-Landrut. Sicher ist Lena ein sympathisches, hübsches Mädchen. Ich behaupte aber, dass sie vor allem wegen ihrer „Personality“ gewonnen hat, denn die musikalische Substanz ihres „Hits“ ist doch einfach zu dürftig: Kein Gassenhauer, sondern ein Liedchen, das ins eine Ohr rein und aus dem anderen wieder rausgeht.

Witzig: Selbst Lenas „Förderer“, der deutsche Entertainer Stefan Raab, scheiterte neulich in seiner Sendung „Schlag den Raab“ damit, den „Hit“ wiederzuerkennen. Okay, die Musik lief auch rückwärts – aber dennoch, die Zuschauer hat’s amüsiert.

Ein Hit in h-Moll?

Warum der deutsche Sieger-Titel nicht das Zeug zum Gassenhauer hat, kann ich auch musikalisch belegen. Mir stellte sich immer die Frage, ob Lena nicht eigentlich zu tief singt. Als ich den Song auf dem Klavier spielte, gab mir das die Antwort: Ja! Lena singt den Song nämlich in h-Moll. Das heißt, dass der tiefste Ton, den sie singt, noch unter dem Stimmumfang eines Soprans liegt (c1-a2). Soprane bekommen also Probleme, wenn sie die Melodie nachsingen wollen, ebenso Tenöre (deren Stimmumfang liegt eine Oktave, also acht Töne, tiefer). Einfach mal selber testen – hier die angespielte Melodie zu „Satellite“:

01 – lena (Eigene Version)

H-Moll ist sicher keine gute Wahl, wenn man einen Hit produzieren möchte. Na, Glück für Lena, dass das offenbar niemandem aufgefallen ist – dank ihrer „Personality“. Mittlerweile singt Lena in ihrer aktuellen Elektropop-Nummer „Taken By A Stranger“ übrigens ein bisschen höher: Sie versucht es beim ESC noch mal in c-Moll, hat sich also um einen Halbton nach oben vorgewagt.

Michael von der Heide (Urheber: Aktiv I Oslo.no – Wikimedia Commons)

Eine gut singbare stimmliche Mittellage braucht es schon für einen echten Gassenhauer. Zum Beispiel war das bei Michael von der Heides Schweizer Beitrag „Il pleut de l’or“ von 2010 durchaus gegeben (dass daraus trotzdem kein Sieger-Titel wurde, ist ein anderes Thema): Er sang in der Tonart f-Moll, die sich prima zum Singen eignet, übrigens genauso wie F-Dur.

02 – michael (Eigene Version)

Das führt mich zur Frage, ob eher Dur- oder Moll-Titel eine größere Chance auf den Sieg haben. Meine Arbeitshypothese lautet: Ich würde eher Dur-Titeln größere Siegchancen einräumen – jedenfalls vor allem in Zeiten der Verunsicherung, wo die Leute optimistische Mutmacher-Songs hören wollen (das klassische Beispiel ist der deutsche Siegertitel von 1982 „Ein bisschen Frieden“ von Ralph Siegel, Nicole sang ihn in Fis-Dur).

Erfolgsrezept für den Sieger-Titel?

Machen wir mal die Probe für die Schweizer Siegertitel.

– 1956, Lys Assia, Refrain –Tonart: A-Dur.

– 1988, Céline Dion, Ne partez pas sans moi – Tonart: F-Dur (am Ende rückt Céline Dion effektvoll nach Fis-Dur).

Kommen wir schließlich zurück zu Anna Rossinellis Song „In Love for a While“: Sie singt ihn nämlich, Achtung!, in A-Dur!

Nachdem die Schweiz beim letzten Mal mit f-Moll scheiterte, klappt’s ja also vielleicht diesmal eben mit A-Dur? Denn damit hatte die Schweiz schon mal Erfolg gehabt, oder?

http://de.wikipedia.org/wiki/Eurovision_Song_Contest

http://www.annarossinellimusic.com/

http://www.welt.de/fernsehen/article13054772/Raab-siegt-obwohl-er-Lenas-Satellite-nicht-erkennt.html

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