An Zürichs Universitäten soll an Affenhirnen geforscht werden
von Claudia Göpel
Tierversuche zu Forschungszwecken sind umstritten, werden von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt, sind jedoch manchmal notwendig, zum Beispiel um Heilmittel oder Impfstoffe für seltene Krankheiten zu finden und zu patentieren. Hierfür sind umfangreiche Genehmigungsverfahren erforderlich. Ist die Genehmigung einmal erteilt, dann darf an den Tieren nur unter strengsten tierschutzrechtlichen, hygienischen und ethischen Auflagen geforscht werden, was die Arbeit der Wissenschaftler auch nicht erleichtert.
Rhesusaffen haben die ergiebigsten Gehirne?
ETH und Uni Zürich haben einen Antrag gestellt, um endlich wieder Tierversuche an lebenden Tieren, in diesem Fall Rhesusaffen, durchführen zu dürfen. Seit fünf Jahren sind in der gesamten Schweiz keine Versuche mit und an Affen mehr praktiziert worden. Niemandem ist dieses Manko in der wissenschaftlichen Forschung aufgefallen und niemand hat solche Versuche vermisst – bis auf die Wissenschaftler selbst. Zwei bis drei Rhesusaffen sollen angeschafft werden, um an deren Gehirnen verschiedene Hirnprozesse veranschaulichen und erforschen zu können. Dazu müssen die Hirne freigelegt werden – bei vollem Bewusstsein. Sofern Affen ein Bewusstsein haben.
Die Tierschützer sind alarmiert und wollen diese Versuche natürlich verhindern. Die Schweiz gehört zu den Ländern mit den strengsten Tierschutzgesetzen weltweit. Affenversuche sind ein heikles Thema, gilt doch der Affe als nächster Verwandter des Menschen und geniesst somit einen höheren Schutz als zum Beispiel Meerschweinchen oder Ratten. Bereits 2006 stoppten Tierschützer zwei Forschungsarbeiten, bei denen lebende Rhesusaffen die Versuchsobjekte waren, weil sie die Würde der Tiere gefährdet sahen. Sie könnten auch bei dem erneuten Vorstoss der Zürcher Universitäten Erfolg haben.
Forscher verteidigen die Forschung am lebenden Objekt
Neurowissenschaftler Valerio Mante erklärt: „Unsere Fragestellungen haben grosse Relevanz für viele psychische Krankheiten des Menschen.“ Die erforderlichen Studien würden sich aber nur an den Gehirnen von Affen durchführen lassen, weil Mäuse und Ratten nicht die erforderlichen Hirnstrukturen aufweisen, die für eine Wissensübertragung notwendig seien. Rhesusaffen wären deshalb gut für die Hirnforschung geeignet, weil sie sich einfach halten ließen und unter den Primaten den Menschen noch am ähnlichsten seien.
Für die wissenschaftliche Forschung am funktionierenden Hirn wird den Affen der Schädel aufgebohrt. Anschliessend werden winzige Elektroden eingesetzt, wie es auch bei Parkinson-Patienten bereits praktiziert wird. Sind die Elektroden an den richtigen Stellen platziert, müssen die Rhesusaffen Aufgaben an einem Monitor lösen. Die dabei aktivierten Bereiche im Hirn werden gemessen und können ausgewertet werden. Die Operation wird unter Vollnarkose durchgeführt, die Elektroden selbst wären für die Primaten keine Belastung, weil das Gehirn als schmerzunempfindlich gilt.
„Wir wollen mit den Tierschützern offen kommunizieren“,
sagen die Wissenschaftler und betonen, dass ihnen das Wohl der Tiere sehr wichtig sei. Der kleine Eingriff heile schnell und ohne Komplikationen. Die Tiere erhalten eine ausreichende Genesungszeit. Laut Mante wären die Affen entspannt und ruhig und freuten sich über die Abwechslung, denn mit einem gestressten Tier wären solche Versuche gar nicht möglich. Während der für die Affen als spielerisch empfundenen Forschung werden sie gut versorgt und erhalten genügend Wasser. Klingt, als kenne er sich sehr gut aus.
Den Tierschützern reichen die Erklärungen nicht. Auch wenn sich die Wissenschaftler auf die „Forschungsfreiheit“ berufen, darf der Zweck nicht die Mittel heiligen. Davon ist Claudia Mertens, die als Tierversuchsexpertin für den Tierschutz Zürich tätig ist, überzeugt. „Nach den Bundesgerichtsurteilen von 2009 ist es ernüchternd, dass jetzt wieder solche Anträge gestellt werden. Wir hatten gehofft, dass keine Tierversuche mit Affen mehr beantragt werden“, sagt sie und will die Anträge von ETH und Uni sehr sorgfältig prüfen lassen.
Bei einer solchen Prüfung muss eine Güterabwägung belegen, dass der Nutzen für den Menschen grösser ist als der Schaden für die Tiere. Dieser über das Tierwohl gestellte Nutzen ist aber bei solchen Forschungen an lebenden Tieren nicht abzusehen. Erfahrungsgemäss tritt der Erfolg erst in ferner Zukunft ein. „Für mich zählt das nicht als Rechtfertigung“, argumentiert die Tierschützerin Mertens. Zudem wäre die Erklärung der Wissenschaftler, die Affen würden bei solchen Versuchen „freiwillig“ mitmachen, eine leicht zu durchschauende Schutzbehauptung.
Der Rhesusaffe ist dem Menschen näher als der Schimpanse
Rhesusaffen gehören zur Gattung der Makaken und leben in grossen Gruppen mit ausgeprägtem Sozialverhalten zusammen. Eine Einzelhaltung ist artenwidrig. Der Rhesusaffe spielt jedoch seit jeher für die medizinische Forschung eine wichtige Rolle. Die detaillierte Bestimmung der Blutgruppen basiert auf den nach ihm benannten Rhesusfaktor, der 1940 entdeckt wurde. 2007 fanden Wissenschaftler bei der vollständigen Entschlüsselung der Genome heraus, dass der Rhesusaffe näher mit den gemeinsamen Vorfahren des Menschen verwandt ist als der Schimpanse. Erstaunlich.
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