Handlungsbedarf bei Früherkennung innerfamiliärer Gewalt an Kindern
Bei der Früherkennung innerfamiliärer Gewalt an Kindern besteht Handlungsbedarf. Dies hält der Bundesrat in einem Bericht fest, den er an seiner Sitzung vom 17. Januar 2018 verabschiedet hat. Er spricht sich aber dagegen aus, zusätzliche Strukturen auf Bundesebene zu schaffen, die Früherkennungsmassnahmen schweizweit fördern und koordinieren würden.
In seinem Bericht stützt sich der Bundesrat auf eine Studie, die unter der Leitung der Hochschule Luzern im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherungen erstellt wurde. Darin werden die in der Schweiz und im Ausland bestehenden Instrumente zur Früherkennung von innerfamiliärer Gewalt überblicksmässig dargestellt und die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu deren Wirksamkeit erläutert.
Zudem analysiert die Studie, inwiefern in der Aus-, Weiter- und Fortbildung von Gesundheitsfachpersonen das Erkennen innerfamiliärer Gewalt an Kindern thematisiert wird. Aufgezeigt wird auch der Stand der Umsetzung von Früherkennungsmassnahmen im schweizerischen Gesundheitswesen, basierend auf einer Befragung von Gesundheitsfachpersonen.
Die Studie kommt zum Schluss, dass bei der Früherkennung von innerfamiliärer Gewalt an Kindern und von elterlicher Paargewalt, die Kinder miterleben, ein grosser Handlungsbedarf besteht. In der Befragung befürworten Gesundheitsfachpersonen in der Schweiz eine landesweite Einführung von Früherkennungsmassnahmen. Sie würden sich durch eine systematische Vorgehensweise sicherer fühlen und aus ihrer Sicht könnten dadurch mehr Fälle aufgedeckt werden.
Es besteht aber kein fachlicher Konsens darüber, wie die Früherkennung von Gefährdungen des Kindeswohls praktisch angegangen werden soll. Es ist insbesondere offen, ob es überhaupt ratsam wäre, ein systematisches Screening im Rahmen der Gesundheitsversorgung durchzuführen oder ob es besser wäre, nur bei einem Verdacht genauer nachzufragen. Einige Früherkennungsinstrumente, die im Ausland eingesetzt werden, wurden evaluiert und zeigen teilweise vielversprechende Ergebnisse. Sie könnten den zuständigen Akteuren in der Schweiz als Referenz dienen, um für die verschiedenen Berufsgruppen Früherkennungsinstrumente zu entwickeln und festzulegen, wie bei einer mutmasslichen Kindeswohlgefährdung vorzugehen ist. Die Studie empfiehlt weiter, das Thema auch systematisch in die Aus-, Weiter- und Fortbildung von Gesundheitsfachleuten zu integrieren, da dort noch ein grosser Sensibilisierungsbedarf besteht.
Der Bundesrat weist in seinem Bericht darauf hin, dass für die Umsetzung konkreter Massnahmen zur Prävention von Gewalt an Kindern in erster Linie die Kantone und Gemeinden zuständig sind. Auf Bundesebene bestehen zudem bereits Fachstellen und Koordinationsorgane, unter anderem der Fachbereich „Häusliche Gewalt“ des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann und der Bereich Kinder- und Jugendfragen des Bundesamtes für Sozialversicherungen. Deshalb spricht sich der Bundesrat gegen die zusätzliche Schaffung einer spezialisierten Organisationseinheit auf Bundesebene und gegen ein befristetes vom Bund finanziertes nationales Programm zur Förderung der Früherkennung innerfamiliärer Gewalt aus.
Mit dem Bericht beantwortet der Bundesrat das Postulat 12.3206 „Grundlagen für ein Screening zu innerfamiliärer Gewalt bei Kindern durch Gesundheitsfachpersonen“ von Nationalrätin Yvonne Feri.
- Bericht des Bundesrates „Früherkennung innerfamiliärer Gewalt bei Kindern durch Gesundheitsfachpersonen“ (PDF)
- Forschungsbericht „Übersicht und evidenzbasierte Erkenntnisse zu Massnahmen der Früherkennung von innerfamiliärer Gewalt bzw. Kindeswohlgefährdungen“ (PDF)
Quelle: Der Bundesrat
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