Wikipedia protestiert gegen US-Zensurgesetz SOPA
von Agentur belmedia
Wer heute die englischsprachige Wikipedia aufruft, stösst auf eine schwarze Seite. Die Macher des Online-Lexikons protestieren damit seit Mitternacht für 24 Stunden gegen höchst umstrittene US-Gesetzesvorhaben zur Bekämpfung der Netzpiraterie.
Getragen wird der Protest aus einer Allianz von Internetwirtschaft, Netzaktivisten, Bürger- und Menschenrechtsinitiativen und Bloggern. Auch Google, WordPress, Twitter und Yahoo solidarisieren sich.
Die geplanten US-Gesetze mit den Bezeichnungen SOPA (Stop Online Piracy Act) und PIPA (Protect IP Act) stehen derzeit im Repräsentantenhaus und Senat zur Abstimmung. Für die Kritiker sind die Gesetzesvorhaben eine Kriegserklärung an das freie Netz. Sie sehen der willkürlichen Zensur des Internets Tür und Tor geöffnet.
Hinter den Gesetzesvorhaben steht vor allem die Musik- und Filmindustrie, die durch Raubkopierer ihre Einnahmen bedroht sieht. Unter der Devise „Schutz des Urheberrechts“ sind schwerste Eingriffe in das Internet vorgesehen. So sind Netzsperren geplant, um den Zugang zu ausländischen Seiten zu unterbinden, die Raubkopien anbieten. Mittels Manipulationen am Internet-Adresssystem DNS soll das Aufrufen von Internetseiten unmöglich gemacht werden – eine Methode, die Internet-Kriminelle jüngst mit dem Virus DNS-Changer nutzten. Sogar schon bei Verdacht auf Verletzung von Urheberrechten und auch ohne richterlichen Beschluss sollen Privatpersonen laut US-Gesetzentwurf in die Schaltzentrale des Internets eingreifen dürfen.
„SOPA würde nicht nur Websites, die in den USA gehostet werden, betreffen. Seiten, die ausserhalb der USA gehostet werden, sind zum Teil von schwereren Behinderungen bedroht“, heisst es in einer Erklärung der deutschsprachigen Wikipedia. Die Internetlexikon-Community sieht ihr gesamtes Projekt in Gefahr. Die rigiden Auflagen – zum Beispiel die Pflicht, zu überprüfen, ob auf Seiten mit Urheberrechtsverstössen verlinkt wird – würden derart grosse Arbeitsressourcen binden, dass eine freie Bearbeitung der Wikipedia nicht mehr möglich wäre.
US-Präsident Barack Obama, der im Repräsentantenhaus keine Mehrheit mehr hinter sich hat, distanzierte sich inzwischen von den Gesetzesvorhaben. Der Initiator des SOPA-Gesetzes, der republikanische Abgeordnete Lamar Smith, hat zwar unter dem Druck des Protests Kompromissbereitschaft gezeigt und etwa den Verzicht auf DNS-Sperren angekündigt – aus der Welt ist das Gesetz aber noch lange nicht. Für die Freiheitsfreunde heisst es daher: Weiterkämpfen gegen das „Guantanamo-Gesetz“ fürs Internet, um die Kontrolle des Netzes, wie sie in Diktaturen üblich ist, zu verhindern.
Titelbild: Der Wikipedia-Blackout-Screen. (Urheber: Wikipedia / Wikimedia / CC)