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Der Tourismus lässt die Kühe auf der Alp hungern

09.09.2014 |  Von  |  Beitrag

Auf der Alp herrscht Futtermangel. Zahlreiche Bauern ziehen deshalb diesen Sommer früher als geplant mit ihren Kühen ins Tal. Einige müssen allerdings noch länger auf der Alp ausharren, denn die traditionsreiche Alpabfahrt ist heute in manchen Regionen ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor.

Die Alpabfahrt ist zu einem kommerziellen Event geworden. In der Regel werden die Alpabzüge auf Mitte September gelegt. Vielerorts wird dieses Datum bereits ein Jahr im Voraus bekannt gegeben und das Event dann von den Tourismusorganisationen intensiv beworben. Dadurch schränkt sich der zeitliche Spielraum für die Bauern allerdings stark ein.

So müssen auch die Bauern in Entlebuch im Kanton Luzern noch bis zum 27. September abwarten, bevor sie ihre Kühe von der kargen Alp holen können. Es wurde zwar über eine Vorverlegung des Termins nachgedacht, allerdings hätten sich dadurch organisatorische Schwierigkeiten ergeben, so Sandra Steffen vom Organisationskomitee.

Laut Steffen ist die Alpabfahrt das grösste Ereignis in der Region. Alleine im letzten Jahr lockte das Event über 11.000 Touristen an. Die Ankunft der Tiere wird mit einem Strassenfest gefeiert und an Marktständen werden von den Bauern regionale Produkte verkauft. Allerdings würden die Bauern nur aus Solidarität dem Anlass gegenüber und aus Freude am gepflegten Brauchtum daran teilnehmen, da sich der Aufwand für sie finanziell nicht lohnen würde, so Steffen.

Dass es auch anders geht, zeigen Erfahrungen aus anderen Regionen. In Melchsee-Frutt im Kanton Obwalden beispielsweise entscheiden die Bauern grundsätzlich selber, wann sie ihre Kühe ins Tal bringen – auch wenn das grosse Alpabfahrts-Fest dort dieses Jahr ebenfalls für den 27. September angesetzt ist. Sollten die Kühe vorher schon ins Tal gebracht worden sein, dann würden sie zu diesem Datum einfach nochmals geschmückt werden, so die Aussage des Organisationskomitees.

Die früheren Alpabfahrten dienen vor allem der Sicherheit der Tiere. Durch das derzeit geringe Futterangebot müssen die Kühe nämlich weite Wege zurücklegen, um essbares Grün zu finden, sagt SAV-Geschäftsführer Beck. Der regenreiche Sommer würde dies aber für die Tiere nicht ganz ungefährlich machen. Das zeigt sich auch in der Statistik der Rega, die dieses Jahr von Anfang Juni bis Mitte August über 800 Einsätze fliegen musste, um verletzte oder tote Kühe und Rinder zu bergen. Letztes Jahr waren es im selben Zeitraum nur knapp 600 Einsätze.

Neben der Sicherheit ihrer Tiere spielen für die Bauern aber auch finanzielle Aspekte eine grosse Rolle. Die Kühe müssen nämlich zwischen 75 und 110 Tagen auf der Alp sein, damit die Alpenwirtschaftler die sogenannten Sömmerungsbeiträge in Höhe von 400 Franken pro Tier erhalten. Diese Zeitspanne gewährt den Bauern zwar einen gewissen Spielraum, sollten die 75 Tage aber unterschritten werden, so können die wirtschaftlichen Schäden, je nach Grösse der Alp, leicht 10.000 Franken und mehr betragen.

 

Oberstes Bild: © Anastasia Petrova – Shutterstock.com

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