Naturschutz im Smaragdgebiet Oberaargau: Modellprojekt erfolgreich abgeschlossen

Der Schutz seltener, wildlebender Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume ist das Ziel des europäischen Smaragdnetzwerks. Das grösste Schweizer Smaragdgebiet liegt im Oberaargau. Mit grossem Erfolg wurde das erste mehrjährige Projekt jetzt abgeschlossen, die eingeleiteten Massnahmen sollen weiterlaufen.

Viele Tiere führen kein sesshaftes Leben, sie legen wie Nomaden teilweise beachtliche Strecken zurück. Dabei kümmern sie sich naturgemäss nicht um Landesgrenzen. Aus diesem Grund soll eine Kooperation der Länder die biologische Vielfalt auf gesamteuropäischer Ebene erhalten und fördern. Das europäische Schutzprogramm ist in zwei Netzwerke unterteilt: Mitgliedsstaaten der EU gehören „Natura 2000“ an, Nichtmitglieder wie die Schweiz dem Smaragdnetzwerk.

Modellprojekt Oberaargau als Beispiel für umsichtigen Naturschutz

Im Oberaargau liegt mit knapp 11’500 Hektaren das grösste der bislang 37 ausgewiesenen Smaragdgebiete in der Schweiz. Es erstreckt sich über 19 Gemeinden aus vier Kantonen. Wald und Wiesen, vernetzte Flüsse und Bäche, naturnahe Wasserläufe und Wiesengräben bestimmen das Landschaftsbild, durchbrochen von Gebäuden und Ackerland. Die Region ist Lebensraum für zahlreiche schützenswerte Tierarten, darunter Fledermäuse, Lurche, Feldlerchen, Biber, aber auch seltene Pflanzen wie Wilder Reis oder der Wasser-Hahnenfuss. Gleichzeitig wird das Gebiet im Mittelland landwirtschaftlich intensiv genutzt.

Die verantwortlichen Akteure standen somit vor der Herausforderung, die Belange der Umwelt auf der einen Seite sowie die Interessen der beteiligten Landwirte und Waldbesitzer andererseits in Einklang zu bringen. Schnell liess die anfängliche Skepsis bei den Landwirten nach, da die aufwertenden Massnahmen für sie keine existenzbedrohenden Folgen haben: Sie bekommen Entschädigungen, wenn sie auf ihren bisher wirtschaftlich genutzten Flächen auch Ökoareale anlegen, pflegen und erhalten. 92 landwirtschaftliche Betriebe liessen sich überzeugen und machten mit. Einige von ihnen haben nahezu ein Viertel ihrer Fläche in ökologisch wertvolle Bereiche umfunktioniert – und sind stolz zu Recht darauf.

Das Projekt war ein grosser Erfolg, vor allem weil die beteiligten Naturschützer und Landwirte miteinander und nicht gegeneinander arbeiteten. Insgesamt 328 Fördermassnahmen liessen sich zwischen 2009 und 2014 realisieren, darunter die Neuanlage von Tümpeln und Hochstammobstbäumen. So entstand zum Beispiel im Herbst 2014 ein neuer Weiher für die bedrohte Geburtshelferkröte. Das Gewässer bietet ihr optimale Lebensbedingungen, sodass sich die Population etablieren und vergrössern kann.

Die Kosten für das Projekt im Oberaargau beliefen sich bislang auf 1,5 Millionen Franken. 42 Prozent davon übernahm das Bundesamt für Landwirtschaft, die Gemeinden steuerten 17 Prozent bei, die Kantone 24 Prozent. Die verbleibenden 17 Prozent teilen sich verschiedene Fonds, Vereine und Stiftungen wie WWF und Pro Natura.

Konkrete Beispiele aus dem Modellprojekt

Die beiden folgenden Beispiele verdeutlichen, wie schnell einzelne Massnahmen positive Wirkung zeigten:

  1. Gelbbauchunke

In den Gemeinden rund um Roggwil (Bern) liegt der Fokus auf dem Schutz der Gelbbauchunken, die hier in verstreuten Populationen leben. Die kleinen Amphibien sind durch den Verlust ihrer Lebensräume stark gefährdet. Wer Gelbbauchunken beobachten möchte, hat hierzu an einem Lehmtümpel in der Nähe der Roggwiler Ziegelei beste Chancen: Der gut einsehbare Tümpel wird die meiste Zeit von Unken bevölkert.


Aare bei Innertkirchen (Bild: © Yesuitus2001CC BY-SA 2.5)

Eine grosse Unken-Population lebt direkt auf dem Werksgelände der Ziegelei: Hier gibt es eine alte Lehmgrube an einer unzugänglichen Stelle, die den Tieren gute Lebensbedingungen bietet. Auch in der Gemeinde Pfaffenau befindet sich eine Lehmgrube mit Unken. Dank der Anlage zahlreicher Tümpel entlang der Rot können sich die Tiere der getrennten Populationen nun begegnen und fortpflanzen. Ein entscheidender Faktor für die genetische Vielfalt. Ganz nebenbei erweitern diese kleinen Weiher auch den Lebensraum für andere gefährdete Arten wie die Kreuzkröte.

  1. Helm-Azurjungfer (Libelle)

Im Smaragdgebiet Oberaargau gibt es das schweizweit grösste Vorkommen der seltenen Libellenart. Ihre Lage ist noch prekärer als die der Unken: Helm-Azurjungfern sind direkt vom Aussterben bedroht, da sie spezielle Bedingungen brauchen, um zu überleben und sich fortzupflanzen. So besiedeln sie vorzugsweise langsam fliessende und kalkhaltige Gewässer, etwa Bäche, kleine Wassergräben oder Quellen. Der Wasserbereich muss offene, sonnige Bereiche aufweisen, aber auch dicht mit Röhricht oder anderen Pflanzen bewachsene Stellen.

Deshalb rücken nun jedes Jahr im Herbst Bagger dem Wildwuchs zu Leibe, indem sie die Pflanzen abschnittsweise ausdünnen. Damit dies möglichst schonend und ohne Ausbaggern geschieht, setzen die Naturschützer einen Mähkorb ein und achten darauf, dass die Libellenlarven unversehrt im Wasser bleiben.

Auch ungemähte Uferstreifen wirken sich günstig auf den Arterhalt aus, da die Pflanzen den Libellen gleichsam Nahrung und Schutz bieten. Einige Abschnitte werden bereits im Frühjahr gemäht, sodass die Weibchen ihre Eier gut ablegen können.

Damit die landwirtschaftlichen Flächen richtig entwässern und gleichzeitig die Libellen möglichst ungestört leben können, bedurfte es vieler einzelner Schritte und Fingerspitzengefühl. So erhalten Landwirte finanziellen Ausgleich, wenn sie für Kleintiere breite Pufferstreifen mit Rückzugsflächen anlegen und pflegen. Auch bekommen sie genaue Empfehlungen und Instruktionen für die richtige Gewässerpflege. Bereits 21 Landwirte machen beim Libellenschutz mit, sie pflegen zusammen 10 Hektare Pufferfläche.

Der intensive Einsatz lohnt sich: Schon eine erste Kontrolle im Jahr 2012 ergab, dass sich die Helm-Azurjungfern gut vermehren. Vereinzelt waren im damaligen Sommer 50 Tiere auf einmal zu sehen – ein sehr gutes Zeichen.

Es gibt nur Gewinner

Die Massnahmen haben das Smaragdgebiet Oberaargau enorm aufgewertet und werden auch fortgeführt. Darüber hinaus sind drei weitere Projekte geplant:

  • Untersuchung, welchen Einfluss der Klimawandel auf die biologische Vielfalt der Arten hat
  • Darstellung, welche positiven Effekte die Umsetzung der landwirtschaftlichen Umweltziele hat
  • Erstellung eines Managementplans, der Gemeinden und Kantonen anderer Smaragdgebiete dabei helfen soll, eigene Schritte umzusetzen

Das Budget für die drei Vorhaben beträgt 421’000 Franken.



Insgesamt zeigt sich schon am Modellprojekt, dass es nur Gewinner gibt, wenn Naturschutz mit Vernunft umgesetzt wird: Nicht nur Tiere und Natur profitieren, auch für uns Menschen bedeutet eine ökologisch aufgewertete Umwelt mehr Lebensqualität.

 

Quellen: NZZ, Artikel vom 2.2.2015 – ch, Artikel vom 4.2.2015 – Webseite Smaragdgebiet Oberaargau
Oberstes Bild: © suteracher – shutterstock.com

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