Klimawandel kommt in der Schweiz an

Über den Klimawandel und seine Ursachen lässt sich trefflich streiten und noch besser spekulieren. Ob dafür in erster Linie wir Menschen selbst verantwortlich sind oder ob hier der Wechsel zwischen kalten und wärmeren Jahrtausenden den Kern der Sache trifft, ist zunächst egal. Fest steht jedoch, dass sich das Erdklima derzeit überproportional erwärmt. Auch die Schweiz ist davon natürlich betroffen. Der letzte Winter hat es vielerorts gezeigt: In der Schweiz wird es wärmer.

Die Natur beobachten

Wer mit offenen Augen durch die Schweizer Landschaften streift, wird es schon bemerkt haben. Im Mittelland gibt es mehr Wein, in den Bergen schmelzen die Gletscher ab und insgesamt dauert die Vegetationsperiode überall in der Schweiz länger. Schön, meinen die einen, schlecht, sagen die anderen. Man mag die sichtbaren Veränderungen in der Natur sehen, wie man will; die Tatsache, dass hier umfassende Veränderungen vor sich gehen, liegt auf der Hand.

Da wäre zum Beispiel die Situation der Gletscher. Die sollen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um ganze 90 % zurückgegangen sein, in einigen Ecken des Landes gibt es sie dann laut Prognosen gar nicht mehr. Was übrig bleibt, sind kilometerlange Geröllhalden und schwindende Skigebiete. Auch weniger Schneefall macht beispielsweise den Betreibern von Liftanlagen Sorgen. Sicherlich lässt sich der eine oder andere Sessellift auch umnutzen, schade ist das aber allemal.

Was die Liftbetreiber ärgert, freut die Weinbauern

Des einen Leid ist des anderen Freud. In der Mittelschweiz ist der Betrieb von Skiliften ohnehin eher uninteressant. Hier sind es vielmehr die Weinbauregionen, die dem insgesamt wärmeren Klima etwas abgewinnen können. Die Weinproduktion steigt, auch ohne zusätzliche Weinberge. Das liegt auch daran, dass die Trauben besser und vor allem üppiger reifen. Dank des wärmeren Klimas und dank der verlängerten Vegetationszeit.

Wird die Schweiz bald immergrün?

Eine Überlegung, die vielleicht gar nicht so abwegig erscheint. Das wärmere Wetter bedingt verlängerte Vegetationszeiten, und so erfreuen wir uns im späten Herbst noch an sattgrünen Wiesen, die vor Jahrzehnten oftmals schon mit Schnee bedeckt waren. Auch in den höheren Lagen ist das so.

Dennoch wird die Gesamtschweiz in den kommenden Jahren sicherlich nicht immergrün sein. Dazu liegen die Gipfel des Alpenlandes nun wirklich zu hoch. Eine reizvolle Vorstellung ist es für einige trotzdem, auch im Winter entspannte Almwanderungen ohne Schnee und Eis zu unternehmen. Für passionierte Wintersportfans ist diese Vorstellung eine Graus.


So manches Getier erfreut sich an den durchschnittlich wärmeren Zeiten. (Bild: jareynolds / Shutterstock.com)


Schädlinge sind hoch erfreut

So manches Getier erfreut sich an den durchschnittlich wärmeren Zeiten. Neben dem Borkenkäfer und dem Apfelwickler sind auch andere Insektenarten, Mäuse und selbst Zecken begeistert von einem Plus an zusätzlicher Wärme. Borkenkäfer und Apfelwickler können laut aktuellen Hochrechnungen eine ganze zusätzliche Generation hervorbringen, was die Population deutlich vergrössert.

Das ist ein Horrorszenario besonders für die gewerbliche Waldwirtschaft. Mehr Schädlinge bedeuten letztlich auch mehr Schäden an den Bäumen, mehr Totholz und am Ende wieder einen Eingriff in das natürliche Gleichgewicht. Wenn Borkenkäfer und Co. ihr zerstörerisches Werk ungebremst fortsetzen können, wird in einigen Regionen auch der Wald etwas lichter werden. Keine gute Voraussetzung im Kampf gegen die weltweit steigende CO2-Belastung.

Auch Mäuse, Zecken, Wespen und so manch andere störende Kreatur überstehen den Winter jetzt besser. Statt knackigem Frost wartet der mit vergleichsweise milden Temperaturen auf, die gerade den Schädlingen entgegenkommen. So werden auch hier überdurchschnittliche Zuwächse in der jeweiligen Population erwartet. Mit all den Folgen für Mensch und Natur.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf uns aus?

Neben den Veränderungen in der Natur sind die Menschen auch anderweitig vom wärmeren Klima in der Schweiz betroffen. Nicht nur die Auseinandersetzung mit den Plagegeistern fordert ihren Tribut. Schon jetzt müssen mehr Menschen ins Spital als in den vergangenen Jahrzehnten. Und das nicht nur wegen der steigenden Unfallzahlen bei Funsportarten, sondern auch an Tagen, an denen es in der Schweiz richtig heiss wird. Die Zahl der tropischen Nächte steigt und wird auch künftig nicht geringer werden.

Wird das Szenario bis zum Ende des 21. Jahrhunderts so bestehen bleiben, dann führen das Wegschmelzen der Gletscher und eine insgesamt höhere Temperatur auch zum Ansteigen der Grundwassertemperaturen. Das hat wiederum Auswirkungen auf unser Trinkwasser, da sich ungeliebte Keime bekanntermassen in wärmerem Wasser besser entwickeln.

Es soll Zeitgenossen geben, die sich über den Klimawandel mit seinen ansteigenden Temperaturen freuen. Grund für die Freude ist das Einsparen von Heizenergie. Dass diese eingesparte Energie auf der anderen Seite möglicherweise zum kühlenden Klimatisieren wieder benötigt wird, ist diesen Leuten noch nicht klar. In der Endkonsequenz wird hier also nicht wirklich gespart. Zumindest nicht über das gesamte Jahr gesehen.

Änderung in Sicht?

Trotz zahlreicher Klimagipfel und einzelner Anstrengungen gegen den Klimawandel ist eine signifikante Änderung der Situation nicht absehbar. Kann es auch nicht, weil für weltweite Klimaänderungen letztlich auch weltweite Anstrengungen gefragt sind. Solange beispielsweise die Amerikaner und Chinesen noch fröhlich ihre Industrieabgase in grossem Massstab gen Himmel schicken, wird sich die Situation auch im Rest der Welt nicht nachhaltig ändern. Das ist kein Grund zum Pessimismus, sondern vielmehr ein Aufruf an all jene, die jetzt schon grosse Bemühungen zum Aufhalten des Klimawandels unternehmen. Ein Aufruf dazu, noch mehr zu tun und den internationalen Druck auf die nationalen Dreckschleudern zu erhöhen.

 

Oberstes Bild: © Bruce Rolff – Shutterstock.com

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