Kinder- und Jugendkriminalität stabil
von Olaf Hoffmann
Nur geringfügig unter dem Wert aus dem Jahr 2012 zeigt sich demnach die Jugendkriminalität als stabiles Segment in der Statistik der Kriminalität im Allgemeinen. Dass damit das Ziel einer deutlichen Verminderung der Kinder- und Jugendkriminalität verpasst wurde, liegt auf der Hand. Betrachtet man jedoch auch den Anstieg der Bevölkerungszahlen und damit auch der in der Schweiz lebenden Minderjährigen, kann auch ein kleiner Erfolg positiv bewertet werden.
Leichtes Absinken der Urteile gegen Kinder und Jugendliche
Insgesamt waren es im Jahr 2013 genau 157 Urteile gegen Kinder und Jugendliche weniger als im Vorjahr. In absoluten Zahlen heisst das, dass im Jahr 2013 in der Schweiz 13’073 Strafurteile gegen Minderjährige gefällt wurden. Deliktische Handlungen wie Drogenkonsum, Sachbeschädigung und Diebstahl stellen den Hauptanteil der geahndeten Straftaten. Geht man davon aus, dass die Ermittlungserfolge der Strafverfolgungsbehörden im Zeitraum 2013 nicht signifikant schlechter geworden sind, dann können auch diese Zahlen ermutigend sein. Allerdings bleibt die Zahl der jugendlichen Straftaten damit immer noch zu hoch. Auch wenn die Schweiz damit im internationalen Vergleich nicht schlecht abschneidet, sollte doch eine spürbare und statistisch bedeutsame Senkung der Kinder- und Jugendkriminalität auch weiterhin ein wichtiges Ziel bleiben.
Was hinter den Zahlen steckt
Abseits der blossen Zahlen ist die Problematik der Kinder- und Jugendkriminalität aus zwei Blickwinkeln interessant. Zum einen kann davon ausgegangen werden, dass eine frühe Verurteilung durchaus hilfreich für die weitere Entwicklung der Minderjährigen sein dürfte, auf der anderen Seite gehen nicht wenige Experten davon aus, dass der frühe Start in eine kriminelle Karriere nur der Anfangspunkt fragwürdiger Aktivitäten auch im Erwachsenenalter sein kann. So sehen vor allem Sozialarbeiter hinter der Jugendkriminalität ein Phänomen, dass sie durchaus mit der grösseren finanziellen Belastung der Haushalte im Allgemeinen verknüpfen. Dazu kämen oftmals Eltern, die entweder zu wenig Zeit für die Heranwachsenden aufbringen (können) oder mit der Erziehung der Jugendlichen besonders in der Pubertät schlichtweg überfordert sind. Ein prognostizierter Mangel an altersspezifischen und erschwinglichen Angeboten für Jugendliche und Kinder sehen sie als weiteres Merkmal einer Gesellschaft, die die Heranwachsenden zunehmend sich selbst und der Erziehungs(un)tüchtigkeit der Eltern überlässt.
Strafen neu überdenken
In den meisten Fällen wurden eher leichte Strafen ausgesprochen. Diese reichten von persönlichen Leistungen über Verweise bis hin zu unterschiedlich hohen Bussen. In etwa der Hälfte der Urteile war die persönliche Leistung als Strafe ausgesprochen worden, ein Viertel der Verhandlungen endete mit einem richterlichen Verweis und rund ein weiteres Viertel wurde mit Bussen belegt. Für einige Kriminalitätsforscher erscheinen die Strafen je nach Delikt zu geringfügig und wenig wirksam. Nicht vergessen werden darf dabei, dass bereits schon der erste Kontakt mit Polizei und Gericht für die meisten Jugendlichen ein einschneidendes Erlebnis mit durchaus heilender Wirkung haben kann.
Hier kommt es allerdings darauf an, ob die minderjährigen Straftäter bereits beim ersten Gesetzesverstoss erwischt wurden oder aber schon eine gewisse kriminelle Karriere hinter sich haben. Im letzteren Fall wird die Verurteilung nicht selten als „Unfall“ oder Zufall empfunden. Dann ist damit zu rechnen, dass auch die Verurteilung keine heilende oder erzieherische Wirkung mehr entfalten kann. Deshalb plädieren Strafrechtsexperten und nicht wenige Sozialarbeiter dafür, Wiederholungstäter empfindlich härter zu bestrafen als etwa Ersttäter.
Dieser grundsätzlichen Auffassung schliesst sich ein breiter Teil der Bevölkerung an. Allerdings wird hier auch mehr präventive Arbeit eingefordert. Diese sollte sich an der wahren Interessenslage der Kinder und Jugendlichen orientieren und die Minderjährigen mehr in das gesellschaftliche Leben einbinden. Kritisiert wird, dass die Ausgaben der öffentlichen Hand für die Kinder- und Jugendarbeit zu gering seien. Kinder und Jugendliche, die nicht in ein adäquates gesellschaftliches Leben eingebunden werden, neigen eher zu deliktischen Handlungen als solche, die fest in Vereine, Interessengruppen und ähnliche soziale Gefüge eingebunden seien. Wenn allerdings die Kosten für ein solches Engagement immer höher werden, dürften auch zunehmend mehr Eltern davon Abstand nehmen, sodass die Kinder und Jugendlichen besonders in der Freizeit zunehmend sich selbst überlassen werden. Hier gilt es gegenzusteuern.
Kuscheljustiz oder Erziehungsansatz
Nicht wenige Diskussionen rund um die Kinder- und Jugendkriminalität sehen das Problem vor allem in der sogenannten Kuscheljustiz. Zuviel Augenzudrücken und zu wenig drastische Strafen würden nicht wirklich vor kriminellen Handlungen abschrecken und oftmals auch ein Katz- und Maus-Spiel mit der Strafverfolgung bevorteilen. Dabei will sicherlich keiner sofort kleinkriminelle Heranwachsende hinter Gittern sehen. Gewünscht wird vielmehr, dass auch die richterliche Würdigung der Straftaten mit einem klaren Erziehungsansatz verbunden wird. So sollten minderjährige Straftäter deutlicher in die Schranken gewiesen werden, bevor sie sich fest in eine kriminelle Laufbahn verstricken. Inwieweit das wirklich möglich ist, sollte Thema für weitere Diskussionen sein.
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