Spital-Ärzte vor dem Kollaps
[vc_row][vc_column width=“1/1″][vc_column_text]Wenn jemand ins Spital muss, gibt es dafür einen triftigen Grund. Nicht selten werden dann operative Eingriffe notwendig. Dabei geben sich die Patienten den Ärzten vertrauensvoll in die Hand.
Wer dann im Spital unter dem Messer liegt, setzt sich dabei nicht nur den bekannten Operationsrisiken aus. Zunehmend mehr werden auch Assistenz- und Oberärzte in den Spitälern zum Risiko für ihre ahnungslosen Patienten. Der Grund dafür liegt oftmals in totaler Übermüdung bis kurz vor der Erschöpfung.
Spitalärzte arbeiten zu lange
Die besorgniserregende Situation an vielen Spitälern landesweit resultiert weder aus einem sichtbaren Mangel an Ärzten oder einer nicht ausreichenden Ausbildung. Vielmehr sind es die Arbeitszeiten einzelner Assistenzärzte und Oberärzte, die für Bedenken sorgen.
Nach einer Studie von Demoscope unter knapp 3300 Assistenz- und Oberärzten liegen die durchschnittlichen Arbeitszeiten bei 56 Stunden in der Woche. Erlaubt sind 50 Wochenstunden. Was im ersten Augenblick nicht dramatisch klingt, gewinnt eine neue Dimension, wenn man bedenkt, dass viele Ärzte sieben bis zwölf Tage hintereinander arbeiten und auch über das gesamte Jahr gesehen eine Unmenge an Überstunden anhäufen, die auch nicht durch Freizeitausgleich reguliert werden.
Jeder vierte der befragten Ärzte gibt an, durchaus auch öfter total erschöpft zu sein und dennoch weiterzuarbeiten. Dabei sind besonders in der Intensivmedizin übermüdete Ärzte ein echtes Risikopotenzial mit unberechenbarer Wirkung. Ermüdungsbedingte Behandlungs- und Operationsfehler mit teils dramatischen Auswirkungen sind da keine Seltenheit mehr.
Forschungen haben belegt, dass ein übermüdeter Arzt genauso agiert, als wenn er unter dem Einfluss von etwa einem Promille Blutalkoholgehalt arbeiten würde. Ein Zustand, der an den Schweizer Spitälern nicht neu, aber durchaus alarmierend ist.
Frauen ziehen sich zurück
Für viele junge Frauen ist der Arztberuf zunächst ein Traumziel. Daraufhin wird studiert und lange gearbeitet. Irgendwann holen dann die ungesetzlichen und belastenden Arbeitszeiten auch die Frauen ein. Spätestens dann, wenn Familie und Kinder zu Hause warten, geben viele weibliche Assistenzärzte ihren Traumjob im Spital zugunsten anderer Beschäftigungsmodelle wieder auf.
Damit verschlechtern sich die Karrierechancen der Frauen im medizinischen Fachpersonal erheblich. Besonders die überlangen Arbeitszeiten stellen eine Belastung für die Lebensplanung dar. Hier wünschen sich viele Assistenzärztinnen tragfähige Teilzeitmodelle, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf überhaupt erst einmal möglich machen würden.
Arbeitszeitgesetz aus dem Jahr 2000 hat nicht viel geändert
Veränderungen in diesem Bereich versprachen die Veränderungen im Schweizer Arbeitszeitgesetz aus dem Jahr 2000. Allerdings konnten diese Erwartungen nicht erfüllt werden. Zwar haben viele Spitäler für teures Geld ihren Ärztebestand aufgestockt, dennoch ist der Lage kaum Herr zu werden. Bedenklich an der Personalaufstockung ist vor allem die Tatsache, dass es sich hier um laufende Kosten handelt. Damit werden auch die Kosten für die Krankenversicherungen und Versorgungswerke erheblich in die Höhe getrieben.
Trotz höherer Mitarbeiterzahlen bleibt die Not der Ärzte gleich. Das liegt möglicherweise auch daran, dass der spezielle Ärztebedarf in einzelnen Universitäts-, Kantons- und Regionalspitalen völlig am Bedarf vorbeigerechnet wird. Einfluss hat hier auch die bis dato zunehmende Zahl der Einwanderer, die natürlich im Ernstfall auch der ärztlichen Hilfe bedürfen, in die Planung aber in solch einem Mass gar nicht eingerechnet werden konnten.
Und so arbeiten viele Spitalärzte täglich deutlich länger, als dies nach dem Arbeitszeitgesetz eigentlich erlaubt wäre.[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]
[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]Überstunden werden nur teilweise angegeben
Aus der Studie von Demoscope geht auch hervor, dass längst nicht alle Assistenz- und Oberärzte ihre Überstunden klar abrechnen. Etwa 12 % der Befragten machen keine Angaben zu den gemeldeten Überstunden. Mit circa 60 % liegt die Anzahl derer, die alle Überstunden melden, relativ hoch. Um die 27 % Prozent der Befragten geben an, eine bis über zehn Überstunden wöchentlich nicht gemeldet zu haben. Damit werden etwa zwei Überstunden je Arzt und Woche gar nicht vom Arbeitgeber erfasst.
Viel wichtiger als die nicht gemeldeten Überstunden sind aber die tatsächlich angefallenen Mehrarbeitszeiten. Nur 29 % der befragten Ärzte geben an, keine Überstunden zu machen. Ebenfalls rund 29 % beträgt die Quote derer, die wöchentlich eine bis fünf Überstunden leisten. Prekär stellt sich das verbleibende Drittel der Assistenz- und Oberärzte dar, die wöchentlich von sechs bis zu über zehn Stunden Mehrarbeit leisten.
Karrierechancen nicht gefährden
Sowohl an nicht gemeldeten als auch am Übermass an Mehrstunden ist vor allem die Karriereplanung der Ärzte schuld. Um sich leistungsstark, belastbar und ausdauernd zu zeigen, nehmen viele Ärzte Überstunden diskussionslos in Kauf. Dazu gesellen sich die Anwärter auf einen noch besser dotierten Job, die sich wegen des möglichen Aufstiegs auf der Karriereleiter nicht nur sehr flexibel, sondern auch klaglos präsentieren wollen.
Immerhin ist schon dem medizinischen Nachwuchs klar, dass sich die Arzttätigkeit kaum an der Uhr orientiert und noch weniger nach Stunden zu bemessen ist. Dieser Umstand wird von vielen Klinikleitungen fraglos ausgenutzt. Wenn Ärzte länger arbeiten, ohne diese Mehrarbeit zu melden, kommt das den Spitälern gerade recht.
Dass dabei oftmals auch das Wohl der Patienten mit auf dem Spiel steht, ist angesichts des Konkurrenzkampfes der Ärzte untereinander kaum von Belang. Wer hier auf seine 50-Stunden-Woche pocht, hat von Beginn an schlechtere Karten. Zumindest in den meisten Fällen.
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