Wildtiere im Zoo: Ist eine artgerechte Haltung überhaupt möglich?

Können Wildtiere in Gefangenschaft ein tiergerechtes Leben führen? Eine schwierige Frage, die sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten lässt. Dabei spielen zwei Fragen eine zentrale Rolle: welche Tiere gehalten werden und wie sie gehalten werden.

Wohl jeder kennt Bilder von Zoos mit verhaltensgestörten Bären oder Tigern, die in viel zu engen Gehegen vor sich hin vegetieren und sich ständig im Kreis drehen. Das ist nicht nur in armen Ländern gang und gäbe, es entspricht auch in den Industriestaaten noch viel zu oft trauriger Realität.

Ohne Zweifel aber hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr viel getan. Die Tierparks haben veraltete Anlagen abgerissen, grössere Gehege gebaut, Beschäftigungsprogramme für die Tiere ausgearbeitet und verstärkt auf eine gute Ausbildung ihrer Mitarbeiter geachtet. Auch liegen heute bessere Erkenntnisse über Bedürfnisse und Sozialverhalten vieler Tierarten vor, die die Zoos in ihre Gestaltung der Gehege mit einbeziehen können.

Erhaltungszucht und Umweltbotschafter

Als Argument für die Zoos spricht die erfolgreiche Zucht vieler, teils vom Aussterben bedrohter Arten. Ein gutes Beispiel dafür ist das Wiesent, das in den 1920er Jahren so gut wie ausgerottet war. Aus knapp 60 Zootieren hat sich dank intensiver Zuchtbemühungen ein stabiler Bestand von derzeit rund 3000 Tieren entwickelt. Vor allen gibt es auch in freier Natur wieder mehrere hundert Wiesente.

Um Inzuchtschäden zu vermeiden, nehmen fast alle Zoos am Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) teil. Sie tauschen Zuchttiere untereinander aus, damit eine grosse genetische Vielfalt gesichert ist und die Blutlinien stark bleiben. Das hat weiter zur Folge, dass weniger Tiere der Natur entnommen werden, denn noch immer stammen 5 Prozent aller Zootiere aus Wildfängen. Das übergreifende Austauschprogramm nimmt aber auf die Interessen einzelner Tiere keine Rücksicht: Einfangen, lange Transportwege, Verlust gewohnter Artgenossen und eine neue Umgebung lösen meist grossen Stress aus, den manche Tiere nur schwer verkraften. Im Vordergrund steht klar der kontrollierte Austausch des Genpools.

Dennoch leisten Tierparks in mancher Hinsicht einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz, denn sie ermöglichen Nähe zu den Tieren. Vorbildliche Anlagen klären die Besucher nicht nur über die Lebensweise ihrer Schützlinge, sondern auch über deren natürliche Lebensräume auf, die oft zerstört oder bedroht sind. Das sensibilisiert im Optimalfall die Menschen für den Schutz von Tieren und Umwelt gleichermassen.


Wisent mit Jungtier im Duisburger Zoo. (Bild: DerHexer, Wikimedia, GNU)


Finanzielle Interessen stehen oft im Vordergrund

Auf der anderen Seite halten viele Zoos vor allem auffällige, exotische Tiere, die zahlreiche Besucher anlocken. Aber gerade Delfine, Giraffen und Elefanten leiden in Gefangenschaft. Oder wie kann ein würdiges Leben etwa für einen Eisbär im Gehege aussehen? Einem Tier, das als ausgesprochener Einzelgänger in der Natur ein Gebiet durchstreift, das bis zu 600’000 Quadratkilometer umfassen kann – fast 15-mal so gross wie die gesamte Schweiz. Oder für einen Delfin, der in der Natur bis zu 150 Kilometer weit schwimmt, und das jeden Tag?

Befürworter wenden ein, die Tiere würden diese weiten Strecken in der Natur ja nicht freiwillig zurücklegen. Sie seien dazu gezwungen, um genügend Nahrung zu finden, was im Zoo nicht mehr erforderlich ist. Das mag stimmen, aber dadurch sind sie auch ihrer Aufgabe beraubt. Beschäftigungsprogramme in Gefangenschaft können diese, jedenfalls bei bestimmten Tierarten, nicht ersetzen. Sind die Gehege dazu noch eng und die Tiere den Besuchern ohne Rückzugsmöglichkeit ausgeliefert, ist lebenslanges Leid zwingende Folge.

Glücklicherweise hat sich in dieser Hinsicht viel verbessert, etliche Zoos bemühen sich um eine gute Tierhaltung. Sie verzichten vermehrt auf exotische Arten und stellen weniger Tieren mehr Platz zur Verfügung. Auch wird viel Wert auf eine naturnahe Gestaltung mit Anreizen zur Beschäftigung und Nahrungssuche gelegt. So bescheinigt der Schweizer Tierschutz (STS) etwa den Tierparks in Bern, Goldau und Rapperswill eine vorbildliche Tierhaltung. Ein positives Beispiel in Deutschland ist der Biotopwildpark in Anholt (Nordrhein-Westfalen), in dem auf grosszügigen Flächen nahezu ausschliesslich einheimische Wildtiere leben. Der Park betreibt zudem eine Auffangstation für Kragenbären und Braunbären und wird vom Deutschen Tierschutzbund lobend erwähnt.

Dennoch haben wirtschaftliche Interessen oft Vorrang vor den Ansprüchen der Tiere. So gehört es in vielen Zoologischen Gärten zum traurigen Alltag, dass „niedliche“ Jungtiere auf die Welt kommen, um massenhaft zahlende Besucher anzulocken. Später gibt es für sie oft keinen Platz mehr: Nehmen andere Zoos die Tiere nicht auf, werden sie einfach eingeschläfert, selbst wenn sie kerngesund sind. Bestes Beispiel dafür sind Löwenbabys, für die es kaum Abnehmer gibt. Dabei liesse sich unerwünschter Nachwuchs mit Hormonpräparaten leicht verhindern.

Der Einwand, in der Natur würden auch nie alle Jungen überleben, kann nicht gelten: Ein Zoo ist ein künstlich geschaffener Lebensraum. Der Mensch hat die Verantwortung für das Leben der Tiere übernommen und kann nicht für einzelne Bereiche die Natur als Vergleich heranziehen.



Verantwortungsvolle Zoos wecken Empathie für Tiere und Umwelt

Sind Zoos nun richtig oder falsch? Ich glaube, die Antwort liegt irgendwo in der Mitte. In einer besseren Welt mit einer intakten Natur wären Tierparks überflüssig. Da es diese Welt aber nicht mehr gibt, tragen Zoos zum Verständnis für Tiere und ihre Lebensräume bei – sofern sie sich ihrer enormen Verantwortung bewusst sind. Dazu gehört auch, dass die Tiere nicht zur Schau gestellt werden und genügend Rückzugsmöglichkeiten haben. Und sie brauchen mehr Schutz vor bestimmten Besuchern, die es leider immer noch gibt: Menschen, die sich über Affen lustig machen oder Eisbären Plastiktüten und anderen Müll in die Anlage werfen, an dem sie nicht selten qualvoll verenden.

Viele Tiere führen, soweit man das als Mensch beurteilen kann, ein langes und zufriedenes Leben in gut geführten Tierparks, bei bester Pflege, tierärztlicher Versorgung und in abwechslungsreich gestalteten Anlagen. Das Bild der Zoos hat sich in vielerlei Hinsicht positiv verändert. Grund genug, mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft zu blicken und zu hoffen, dass diese Entwicklung anhält.

 

Oberstes Bild: Können Wildtiere in Gefangenschaft ein tiergerechtes Leben führen? (© Grant985, Wikimedia, CC)

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