Strafregister: Bundesrat will Einsichtsrechte für Behörden ausweiten
von Andrea Durst
Von den jährlich rund 100’000 verzeichneten Straftaten geht es bei gut der Hälfte um Delikte im Strassenverkehr. Bislang war das Strafregisterrecht nicht in einem einheitlichen Gesetz geregelt, sondern verstreut in mehreren Verordnungen. Die neuen Regeln sollen in einem formalen Strafregistergesetz erfasst und gebündelt werden.
Zweck der geplanten Revision ist zum einen eine effizientere Arbeit der Behörden, die im Optimalfall mit einer verbesserten öffentlichen Sicherheit einhergeht. Sie soll zum Beispiel dazu beitragen, mehr Straftaten zu verhindern oder das Erfordernis einer Vormundschaft leichter einschätzen zu können. Auf der anderen Seite liegt das Ziel der neuen Regeln im erhöhten Schutz der Daten vor unnötigen oder unberechtigten Zugriffen.
Derzeitige Bestimmungen
Das „vollautomatisierte Strafregister“, kurz VOSTRA genannt, wird zentral vom Bundesamt für Justiz geführt. Ein Eintrag erfolgt für alle Straftaten, die nicht zu den Bagatellfällen zählen. Die Palette reicht von schweren Verstössen im Strassenverkehr bis zu Tötungsdelikten. Voraussetzung ist entweder ein in der Schweiz hängiges Strafverfahren oder ein ergangenes Urteil mit Straffolge in einem der folgenden Fälle:
- Verbrechen (Delikte, bei denen eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren droht)
- Vergehen (Delikte, bei denen eine Freiheitsstrafe unter drei Jahren oder eine Geldstrafe droht)
- Urteile wegen Gesetzesübertretungen, die mit der Anordnung gemeinnütziger Arbeit von mindestens 180 Stunden oder einer Busse von mindestens 5000 Franken einhergehen
Die Vermerke erfolgen sowohl für Personen, gegen die ein Urteil in der Schweiz erlassen wurde als auch für im Ausland verurteilte Schweizer Bürger. Minderjährige werden in das Strafregister aufgenommen, sofern das Gericht einen Aufenthalt in einer geschlossenen Einrichtung, Freiheitsentzug oder eine ambulante Behandlung angeordnet hat.
Der Eintrag bleibt im Normalfall 10 bis 20 Jahre bestehen, abhängig von der Schwere des Delikts und dem Strafmass. Ist der Vermerk aber einmal entfernt, dürfen ihn die Ämter nicht mehr gegen den Betroffenen verwenden. Die Daten sind zu löschen, eine Archivierung ist unzulässig.
Das Recht zur Einsicht in die Daten haben bislang vor allem Behörden folgender Fachbereiche:
- Migration
- Einbürgerung
- Vormundschaft
- Strassenverkehr
Bis Ende 2014 gab es zwei Arten von Strafregisterauszügen: eine für Behörden und eine Privatpersonen. Die amtliche Variante enthält mehr Details als der Auszug für private Zwecke. So erscheinen auf dem Privatauszug Delikte wegen zu schnellen Fahrens erst ab einer innerörtlichen Geschwindigkeitsübertretung von 25 Stundenkilometern, auf Autobahnen ab 35 Stundenkilometern. Alkohol am Steuer führt ab 0,8 Promille zu einem sichtbaren Vermerk im privaten Auszug. Diesen kann nur der Betroffene selbst anfordern oder eine andere Person per Vollmacht damit beauftragen. Die Gebühren pro Auszug betragen 20 Franken.
Seit dem 1.1.2015 gibt es zusätzlich einen Sonderprivatauszug, der vor allem Minderjährige und schutzbedürftige Personen besser vor Missbrauch und Gewalt bewahren soll. Darin sind ausschliesslich solche Urteile aufgeführt, die Kontaktverbote, Rayonverbote oder Tätigkeitsverbote beinhalten. Diese Sonderprivatauszüge können beispielsweise für potentielle Arbeitgeber wichtig sein, die Bewerber für die Arbeit mit Kindern oder pflegebedürftigen Menschen einstellen.
Geplante Änderungen
Der Bundesrat hat eine Revision des Gesetzes Mitte 2014 auf den Weg gebracht. Zentrales Anliegen ist die „massvolle“ Ausweitung des Einsichtsrechts für weitere Behörden, darunter:
- Aufsichtsbehörden für Pflegekinder und internationale Adoptionen
- Aufsichtsbehörden für Waffen
- Polizeidienststellen der Kantone
- Zulassungsstellen für Sicherheitsunternehmen
Eine entscheidende Neuerung betrifft die Behördenauszüge: Nicht jede Behörde bekommt Zugang zu allen Daten. Die Einsicht beschränkt sich vielmehr auf solche Informationen, die für Aufgaben des jeweiligen Amtes relevant sind. Aus diesem Grund soll es in Zukunft drei Varianten des Behördenauszugs geben, angepasst an die Erfordernisse der einzelnen Organe. So hat zum Beispiel das Steueramt nur begrenzten Einblick, während Vollzugs- und Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf sämtliche Daten erhalten. Um diesem erweiterten Auskunftsbedürfnis Rechnung zu tragen, werden künftig die vollständigen Urteilstexte in das Strafregister aufgenommen und auf den Auszügen für berechtigte Behörden erscheinen.
Diese differenzierte Aufteilung hat auch einen besseren Datenschutz zum Ziel. In diesem Zusammenhang darf nach dem Gesetzentwurf jeder betroffene Bürger Auskunft darüber verlangen, wer innerhalb der letzten zwei Jahre Einsicht in sein Strafregister genommen hat. Allerdings sind verdeckte Abfragen weiterhin zulässig, wenn sie dem Schutz des öffentlichen Interesses dienen.
Um den Datenfluss zu erleichtern, ist geplant, die neue Sozialversicherungsnummer für eine schnellere Identifikation zu verwenden. Sie erscheint aber nicht auf den Auszügen und dient nur der internen Kommunikation.
Das Bundesamt für Justiz wird als zuständige Dienststelle verpflichtet, die korrekte Verarbeitung der Informationen und die Einhaltung des Datenschutzes zu kontrollieren.
Strafregister auch für verurteilte Unternehmen geplant
Bislang blieben juristische Personen komplett vom Strafregister ausgenommen, selbst wenn sie in gravierender Weise das Gesetz gebrochen haben. So hatten Unternehmen auch bei Betrug, Bestechung oder schweren Umweltvergehen noch eine „weisse Weste“. Der Grund liegt vermutlich darin, dass Urteile selten gegen Unternehmen ergehen, sondern in der Regel gegen natürliche Personen.
Das soll sich künftig ändern, denn der Bundesrat möchte in dieser Hinsicht juristische und natürliche Personen gleichstellen. Für ein derartiges Firmenstrafregister ist die Anlage einer neuen Datenbank geplant, in die hängige Strafverfahren sowie Strafurteile gegen Unternehmen aufzunehmen sind. Unbescholtene Unternehmen könnten somit leicht ihren guten Leumund nachweisen.
Allerdings ist ein Eintrag nur für solche Vergehen vorgesehen, die eine Busse von mindestens 50’000 Franken zur Folge haben. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund kritisierte diese Einschränkung scharf: Durch dieses Raster würden zahlreiche Firmen herausfallen, beispielsweise wenn sie Mindestlöhne nicht zahlten, AVG-Beiträge nicht abführten oder gegen das Freizügigkeitsgesetz verstiessen. Für solche Fälle lägen die verhängten Strafen meist deutlich darunter. Der SGB fordert eine Aufnahme daher bereits ab einer Strafe von 3000 Franken. Zudem verlangt er, dass Unternehmen nur dann an öffentlichen Vergaben teilnehmen dürfen, wenn sie ihren guten Leumund durch einen Auszug aus dem Strafregister beweisen.
Bedenken ganz anderer Art äusserte der Schweizerische Gewerbeverband und trifft damit den wunden Punkt des Plans: Ein Unternehmer kann die im Strafregister eingetragene Firma einfach schliessen und unter anderem Namen neu gründen. Das neue Unternehmen gilt als unbeschriebenes Blatt, einerlei wie schwerwiegend die Verstösse in der Vergangenheit auch sein mochten. Eine Gleichstellung ist mit dem Entwurf in seiner jetzigen Fassung auf keinen Fall zu erreichen, denn: Eine natürliche Person hat diese Möglichkeit nicht.
Oberstes Bild: Künftig möchte der Bundesrat den Kreis der zur Einsicht in das Strafregister berechtigten Behörden ausweiten. (© corgarashu / Shutterstock.com)