Wetter-News: Die Corioliskraft
Falls Sie sich für die Meteorologie interessieren, haben Sie sicherlich schon einmal von der Corioliskraft gehört.
Sie verdankt ihren Namen dem französischen Wissenschaftler Gaspard Gustave de Coriolis, der sie im 19. Jahrhundert erstmals mathematisch beschrieben hat. In diesem Blog befassen wir uns mit dieser Scheinkraft und schauen uns deren Auswirkungen auf die atmosphärische Zirkulation an.
Nord- vs. Südhalbkugel
Obiges Satellitenbild zeigt ein gut ausgeprägtes Tiefdruckgebiet zwischen Grönland und Island. Die Wolken, welche vom Tiefdruckzentrum „angesogen“ werden, drehen dabei im Gegenuhrzeigersinn um das Tief herum, weil sie aufgrund der Corioliskraft nach rechts abgelenkt werden. Demgegenüber wird die Strömung auf der Südhalbkugel nach links abgelenkt, folglich drehen Tiefdruckgebiete im Uhrzeigersinn.
Ursprung der Corioliskraft
Der Wind ist nichts anderes als eine Reaktion der Atmosphäre auf einen Druckunterschied (Druckgradient) zwischen zwei Punkten. Dabei bewegen sich die Luftpakete jeweils vom hohen zum tiefen Druck.
Angesichts dessen könnte man nun annehmen, dass ein sich bildendes Tief rasch mit der einströmenden Luft aus einer Region mit höherem Druck aufgefüllt wird. Das ist allerdings nicht der Fall! Im Gegensatz zu einem Ball, der geradlinig einen Abhang hinunterrollt (als Reaktion des Gradienten bei der potentiellen Energie), drehen sich die Winde (zumindest theoretisch) senkrecht zum Radius um ein Tiefdruckgebiet. Warum aber strömt die Luft nicht direkt vom Hoch- zum Tiefdruckgebiet? Schuld daran ist die Corioliskraft, welche die Winde auf der Nordhalbkugel nach rechts und auf der Südhalbkugel nach links ablenkt.
Ein Experiment
Um diese „Kraft“ besser zu verstehen, schlagen wir ein einfaches Experiment vor: Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und einen Stift und setzen Sie sich an einen Tisch. Zeichnen Sie nun auf dem Papier eine Linie, die vom unteren Rand des Blattes ausgeht und auf einen festen Punkt vor Ihnen auf der anderen Seite des Tisches zeigt (z. B. einen Stuhl); wie Sie sehen, haben Sie soeben eine gerade Linie auf dem Papier gezogen.
Wiederholen Sie nun dasselbe Experiment (wieder mit dem Blick auf den Stuhl vor Ihnen), aber drehen Sie das Papier gegen den Uhrzeigersinn, während Sie die Linie zeichnen. Auf diese Weise erhalten Sie keine gerade Linie, sondern eine nach rechts gebogene Linie, obwohl Sie denselben Punkt wie zuvor (den Stuhl) anvisiert haben.
Dieses Experiment zeigt, dass der Weg der Stiftspitze je nach Blickwinkel (Bezugssystem), von dem aus sie beobachtet wird, unterschiedlich ist: Für einen Beobachter ausserhalb des Blattes (in diesem Fall Sie) ist die Bahn gerade, für einen Beobachter auf dem Blatt jedoch gekrümmt.
Corioliskraft ist eine Scheinkraft
Da in der Physik hinter jeder gekrümmten Flugbahn die erzeugende Kraft stehen muss, wurde – um die Vorgänge in rotierenden Systemen mathematisch zu beschreiben – das Konzept der Corioliskraft eingeführt. Dabei handelt es sich nicht um eine „echte“ Kraft, wie sie zwischen zwei Objekten entsteht (z.B. die Schwerkraft zwischen der Erde und einem Stein), sondern um eine Scheinkraft, da sie vom Bezugssystem abhängig ist.
Auf der Erde (rotierendes System) wirkt die Corioliskraft (ähnlich wie im oben beschriebenen Experiment) auf ein Luftpaket, welches sich in einer geraden Linie z.B. vom Äquator zum Nordpol bewegt. Wenn für einen Beobachter ausserhalb der Erde, der z.B. über dem Nordpol „schwebt“, die Flugbahn gerade erscheint, ist sie für einen Beobachter auf der Erde nach rechts gekrümmt.
Die Corioliskraft wirkt auf alles was sich auf der Erde bewegt, d.h. auch auf Wasser in den Ozeanen oder Wolkentröpfchen in der Atmosphäre. Sie wirkt senkrecht zur Bewegungsrichtung, ist proportional zur Bewegungsgeschwindigkeit, aber ihre Stärke variiert mit dem Breitengrad. Die Corioliskraft ist in der Lage, die Flugbahn eines sich bewegenden Objekts abzulenken, hat aber keinen direkten Einfluss auf dessen Bewegungsgeschwindigkeit.
Corioliskraft ist abhängig vom Breitengrad
Wie oben beschrieben, ist die Corioliskraft eng mit der Rotationsbewegung der Erde um ihre Achse verbunden. Die Auswirkung dieser Bewegung auf die Corioliskraft ist jedoch vom Breitengrad abhängig, d.h. am Äquator ist sie gleich null, an den Polen erreicht sie ihr Maximum.
Dazu ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie stehen in der Mitte eines Karussells. Es dreht sich um sich selbst und gleichzeitig dreht es auch Sie um die eigene Achse. Ihr Körper erhält vom Karussell eine gewisse Drehbewegung, die in der Meteorologie als Vortizität bezeichnet wird.
Die Vortizität bleibt konstant, egal ob Sie sich in der Mitte des Karussells befinden oder sich auf den Rand zubewegen. An jedem Punkt, an dem Sie sich befinden, machen Sie in der gleichen Zeit eine vollständige Umdrehung (die Achse des Karussells verläuft parallel zur vertikalen Achse der Person auf dem Karussell); was sich ändert, ist die Geschwindigkeit der Bewegung um die Achse, die zunimmt, je weiter Sie sich von der Achse entfernen.
Unsere Erde ist jedoch kein Karussell (d.h. eine Scheibe) sondern eine Kugel, was ein wesentlicher Unterschied ist. Wenn Sie an einem der Pole stehen, ist die Erdrotationsachse genau parallel zur Achse Ihres Körpers (analog zum Karussell). In diesem Fall sorgt die Rotationsbewegung der Erde dafür, dass Sie sich mit ihr um die eigene Achse drehen. Wenn Sie nun aber eine Reise vom Pol zum Äquator antreten, wird sich die Achse Ihres Körpers immer weiter von der Richtung der Erdrotationsachse entfernen, bis sie am Äquator genau senkrecht dazu steht. An diesem Punkt ist die Vortizität Ihres Körpers gleich null. Denn am Äquator sorgt die Erdrotation dafür, dass Sie sich zwar um den Globus bewegen, aber keine Eigenrotation (um die eigene Achse) erhalten. Mit anderen Worten: Je weiter man sich von den Polen entfernt, desto schneller dreht man sich um die Erdachse, aber desto weniger dreht man sich um sich selbst. Und was bedeutet das alles in Bezug auf die Luftmassen? Tatsächlich gelten die gleichen Regeln…
In welche Richtung dreht sich die Erde?
Für einen Beobachter, der sich über dem Nordpol befindet, dreht sich die Erde gegen den Uhrzeigersinn um ihre Achse. Für einen Beobachter, der über dem Südpol steht, ist es hingegen genau umgekehrt, d.h. die Erde dreht sich im Uhrzeigersinn um sich selbst. Von beiden Beobachtungspunkten aus erscheint die Erdoberfläche als eine Art Scheibe, die sich in entgegengesetzte Richtungen dreht. Offensichtlich drehen sich die beiden Hemisphären aber in die gleiche Richtung. Was sich ändert, ist das betrachtete Bezugssystem. Mit einem kleinen Experiment können Sie sich davon auch selbst überzeugen: Drehen Sie eine Tasse in Ihren Händen und beobachten Sie, in welche Richtung sich der Henkel dreht, indem Sie ihn von unten und dann von oben betrachten.
Ein konkretes Beispiel für die Nordhalbkugel
Untenstehende Grafik zeigt die Flugbahn von Luftpaketen, die sich auf der Nordhalbkugel bewegen und aus den vier Himmelsrichtungen kommen. Die blauen Pfeile stellen die Druckgradientkraft dar, die roten Pfeile die Corioliskraft und die schwarzen Pfeile die tatsächliche Flugbahn der Luftpakete. Bevor sich ein Luftpaket in Bewegung setzt, wirkt auf dieses nur die Druckgradientkraft, welche die Luft vom hohen zum niedrigen Druck „drückt“. Sobald sich das Luftpaket in Bewegung setzt, wirkt, sofern es sich nicht zu nahe am Äquator befindet, die Corioliskraft, die senkrecht zur Bewegung wirkt und das Luftpaket nach rechts ablenkt (rote Pfeile). Mit zunehmender Bewegungsgeschwindigkeit nimmt auch die Corioliskraft zu und lenkt die Luftmasse immer mehr nach rechts ab, während die Druckgradientkraft konstant bleibt und immer zum Zentrum des Tiefs gerichtet ist. Im Gleichgewichtspunkt wirken die beiden Kräfte in entgegengesetzter Richtung und haben den gleichen Wert. An diesem Punkt verläuft der Wind parallel zu den Isobaren (Linien mit gleichem Druck). Dieser Wind (der eher theoretisch als real ist) wird als geostrophischer Wind bezeichnet. Wenn die Bedingungen unverändert bleiben, kann dieser Gleichgewichtspunkt auf unbestimmte Zeit bestehen bleiben. Allerdings wirken auch andere Kräfte auf das Luftpaket – in geringen Höhen insbesondere die Reibungskraft –, die dafür sorgen, dass sich die Tiefdruckgebiete irgendwann wieder füllen.
Diese Beschreibung zeigt, dass die Corioliskraft nur bei grossräumigen Phänomenen spürbar wirkt und dass es einige Zeit dauert, bis sie ihre volle Wirkung entfaltet. Bei lokaleren Phänomenen wie z.B. Föhn oder Joran ist ihre Wirkung vernachlässigbar und nicht wahrnehmbar.
Zahlreiche Experimente zur Coriolis-Kraft sind im Internet zu finden, darunter z.B. dieses. (Quelle: National Geographic Channel).
Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz / Die Corioliskraft – MeteoSchweiz (admin.ch)
Titelbild: NASA