Wetternews: Edward Lorenz und der Schmetterlingseffekt

„Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in der Schweiz einen Tornado in Oklahoma auslösen?“

Nach einer kurzen Einführung in die Chaostheorie, schlagen wir den Bogen zu den Wettervorhersagen und zeigen, warum diese je nach Wetterlage auch in der Kurzfrist schwierig zu prognostizieren sind.

Die Chaostheorie

Im Jahr 1963 entdeckte der Meteorologe Edward N. Lorenz während seinen Experimenten zu Konvektionsströmungen per Zufall das chaotische Verhalten eines Systems.

Bei seinen Experimenten erhitzte er Flüssigkeiten und Gase auf einer Heizplatte. Dabei entsteht eine Strömung, bei der die erhitzte Flüssigkeit aufsteigt und an der Oberfläche wieder abkühlt und so wieder absinkt. Das Aufsteigen und Absinken der Flüssigkeit erfolgt bei eingeschalteter Heizplatte kontinuierlich und es bilden sich die Konvektionsströmungen oder auch Konvektionszellen.


Schematische Darstellung des Konvektionsexperimentes. (Illustration: Daniela Roth)

Weiterführend wollte Lorenz die Strömungen mit einem Vorhersagemodell beschreiben. Dabei verknüpfte er die Temperatur und Konvektionsrate in einem Gleichungssystem und benutzte einen Computer um dieses zu lösen. Bei weiteren Berechnungen gab er die Anfangsbedingungen für das Gleichungssystem mit nur 3 Nachkommastellen an, anstatt mit 6. Die Ergebnisse, die er nun erhielt, unterschieden sich gewaltig von seinen früheren Berechnungen. Per Zufall hatte er nun das chaotische Verhalten von Systemen entdeckt.

Ein vertiefter Blick in die Chaostheorie

Das Gleichungssystem von Lorenz besteht aus drei Differentialgleichungen. Werden die Lösungen zu Lorenz’ Gleichungssystem nun grafisch dargestellt, ergibt es ein sogenannter Lorenz-Attraktor (siehe Teaser Bild). Die X-,Y- und Z-Achsen stehen für die Variablen in der Gleichung. Die Linie zeigt die zeitliche Entwicklung der Variablen, eine sogenannte Trajektorie. Die grafische Lösung weist darauf hin, dass es sich bei der Chaostheorie nicht um pures Chaos handelt, sondern um ein „geordnetes Chaos“. Die Trajektorie umkreist zwei verschiedene Punkte und es ergibt sich eine Struktur die einem Schmetterling ziemlich ähnlich ist. Diese Struktur ist als Lorenz-Attraktor bekannt.


Lorenz-Attraktor im Programm Brain Dynamics Toolbox simuliert. (Quelle: Wikimedia Commons, Stewart Heitmann)

Wann das System von einer Umlaufbahn in die andere kippt, ist chaotisch und hängt stark von den Anfangsbedingungen ab. Dieses Kippen ist in der Chaostheorie als Bifurkation (Verzweigung, Gabelung) bekannt.

Solche Kippmomente oder Sprünge gibt es auch in der Wettervorhersage. Dies macht es oft schwierig, eindeutige Vorhersagen zu machen. Denn die Wettermodelle springen von einer Lösung zur Anderen. Schauen wir uns dafür ein Beispiel an:


(Quelle: MeteoSchweiz)

Oben dargestellt ist die 3-stündige Niederschlagsmenge am Dienstagabend zwischen 18 bis 21 UTC (20-23 Uhr LT). Die einzelnen Kacheln zeigen die verschiedenen Members des ICON-CH2 Modells. Die Ensemble Prognosen beruhen auf leicht unterschiedlichen Anfangsbedingungen und zeigen zum Teil unterschiedliche Lösungen. Nun stellt sich die Frage: Gibt es am Dienstagabend Regen? Einzelne Members zeigen deutliche Niederschlagssignale (Gewitter), andere hingegen zeigen einen trockenen Dienstagabend. Es verdeutlicht, dass kleine Abweichungen der Anfangsbedingungen zu unterschiedlichen Lösungen führen – in diesem Fall zu Gewittern oder trockenen Bedingungen.

Die Anfangsbedingungen zu erfassen ist komplex

Schon die Erfassung der Anfangsbedingungen ist mit einer gewissen Ungenauigkeit behaftet. Messungen weisen immer kleinere Messungenauigkeiten auf, zudem haben wir nicht genügend Messpunkte um die Anfangsbedingungen der gesamten Atmosphäre zu erfassen. Darüber hinaus werden die Gleichungen der Wettermodelle vereinfacht, da es schlichtweg nicht möglich ist, die ganzen Prozesse in der Atmosphäre lückenlos physikalisch und mathematisch zu beschreiben. (darüber hinaus würde es wohl kein Computer in der Welt schaffen, das alles in fristgerechter Zeit zu rechnen).

Dies bedeutet nun aber nicht, dass Wettervorhersagen komplett chaotisch und unvorhersehbar sind. Es zeigt aber auf, dass kleinste Veränderungen der Anfangsbedingungen einen grossen Impact auf das Wettergeschehen haben.

Wie gehen wir mit dem Chaos um?

Bei der MeteoSchweiz, wie auch bei anderen Wetterdiensten, wird versucht, mit Ensemble Prognosen das Chaos etwas zu ordnen.

Unten sehen Sie die Ensemble Vorhersagen des ECMWF Modells für den Gitterpunkt Zürich. Je näher die Temperatur- und Geopotentiallinien zusammen liegen, desto sicherer ist die Prognose. Es bedeutet, dass trotz der unterschiedlichen Anfangsbedingungen die Lösung gleich ist. Es liegt in der Natur des Systems, dass mit zunehmender Zeit die Unsicherheit zunimmt.


Ensepmble Vorhersagen. Oben Temperatur auf 850 hPa, in der Mitte Niederschlag und unten 500 hPa Geopotential (Quelle: MeteoSchweiz)

Auch wenn die Temperatur- und Geopotentiallinien bis zum Wochenende relativ nahe beieinander sind, bei genauer Betrachtung sind kleine Abweichungen zu sehen. Diese Unterschiede zeigen sich dann auch in den Ensembleprognosen und werden im Wetterbericht meist mit Unsicherheitsbegriffen (nicht ausgeschlossen, möglich, wahrscheinlich) wiedergegeben.

In der letzten Zeit hatten wir viele tiefdruckbestimmte Wetterlagen, mit Schauern und Gewittern. Diese Prozesse sind höchst komplex und sehr chaotisch. Wir können einige Tage im Voraus auf eine Schauer- und Gewitterlage hinweisen, jedoch nicht den exakten Ort und Zeitpunkt der Schauer und Gewitter.

Uns was ist mit Langfristprognosen?

Bevor nun aber eingewendet wird: Wenn das Wetter nicht vorhergesagt werden kann, wie soll denn die Klimaentwicklung vorhergesagt werden?

Die Klimamodelle oder auch Langfristprognose unterscheiden sich von der Wettermodellen. Hier werden keine detaillierten Prognosen für gewisse Tage oder Stunden ausgegeben, sondern sogenannte Trends (Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Monat zu warm oder zu kalt wird). Auch unterliegen dem Klimamodell andere Prozesse, wie zum Beispiel gekoppelte Land-Atmosphäre-Ozean Interaktionen oder es wird auch die gesamte Atmosphärenschicht berücksichtigt.

Wo bleibt nun jetzt der Schmetterling?

Die berühmte Metapher (welche weiter oben etwas angepasst wurde), ob ein Flügelschlag in Brasilien ein Tornado in Texas auslösen kann, ist als Schmetterlingseffekt bekannt. Mit dieser Metapher wollte Lorenz auf die Komplexität von Systemen hinweisen und dass eine kleine Änderung zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.


Ein Schwalbenschwanz Schmetterling auf einer Kornblume. (Foto: Daniela Roth)

Dieser Blog wurde inspiriert vom Blog „Thema des Tages“ des Deutschen Wetterdienstes.

Chaostheorie -Teil 2: Ensemblevorhersagen und die Grenzen der Vorhersagbarkeit


Lorenz-Attraktor

 

Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz / Edward Lorenz und der Schmetterlingseffekt – MeteoSchweiz (admin.ch)
Titelbild: Wikimedia Commons, Dschwen

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