Wetter-News: Talwinde, oder warum es in den Alpen auch an ruhigen Tagen windig ist
Das sonnige und hochdruckbestimmte Sommerwetter sorgte heute dafür, dass sich in den Alpen die Talwinde gut entwickeln konnten.
Woher kommt es, dass der Wind am Nachmittag das Tal hinauf weht und während der Nacht und am Morgen aus den Bergen ins Tal fliesst?
Was sind Tal- und Bergwinde?
Bei der Berg- und Talwind-Zirkulation handelt es sich um ein thermisch bedingtes lokales Windsystem, welches im Gebirge vorzufinden ist. Es ist ein tagesperiodisches Phänomen, das vor allem bei ruhigem, austauscharmen Hochdruckwetter – wie das heute der Fall war – entsteht. Der treibende Motor der Berg- und Talwindzirkulation ist die Sonneneinstrahlung. Tal- und Bergwinde sind somit thermisch – also durch Temperaturdifferenzen angetriebene Winde.
Wie entstehen Tal- und Bergwinde?
Topographisch bedingt treten im Gebirge folgende Faktoren auf, die schlussendlich dafür sorgen, dass sich die Luft über den Gebirgshängen schneller erwärmt als im Tal:
- Günstigerer Einfallswinkel: Die zur Sonne exponierten Hänge und die sich angrenzende Luft erwärmen sich schneller.
- Im Vergleich zur vorgelagerten Ebene kleineres Luftvolumen in den Gebirgstälern das erwärmt werden muss (Volumeneffekt).
- Geringere Luftdichte in den Hochlagen: Es wird entsprechend weniger Energie benötigt um die Luft aufzuheizen (hochgelegene Heizfläche).
Bei Sonnenaufgang werden die Berghänge zuerst und von der Sonne senkrecht beschienen und erwärmen sich folglich rasch (vergleiche Faktor 1 oben). Da warme Luft leichter ist als kalte, steigt sie in Blasen an den Sonnenhängen auf. Dadurch entsteht an den Hängen im Vergleich zur Atmosphäre direkt über dem Tal ein tieferer Luftdruck. Da die Luft zum Druckausgleich neigt, strömt sie von den Tälern zu den Bergen – der Hangaufwind entsteht (siehe Abbildung 1a)). Gleichzeitig erwärmt sich die Luft über den Bergen auch in einem etwas grösseren Massstab schneller als über dem Flachland (vergleiche Faktoren 1-3 oben) – der Druck beginnt hier also rascher und stärker zu sinken. Zwischen den Alpen und dem Flachland entsteht damit ein Druckgradient: höherer Druck im Vorland, tieferer Druck über dem Gebirge. Das entstandene Hitzetief saugt in der Folge die Luft vom Flachland her an (siehe Abbildung 1b)). Somit entsteht tagsüber ein Wind, der das Tal hinauf weht, der Talwind.
Am Abend und in der Nacht drehen sich die Verhältnisse um: Die Luft über den Bergen kühlt sich durch stärkere nächtliche Ausstrahlung stärker und schneller ab. Kältere Luft hat eine höhere Dichte und ist somit schwerer. Der Schwerkraft folgend beginnt diese kältere, schwerere Luft bodennah zuerst an den Hängen abzufließen. Es entsteht ein Hangabwind (siehe Abbildung 2a)).
Auch in den höheren Tälern entsteht auf Grund der Höhenlage kältere Luft als in den tiefen Lagen und im Alpenvorland. Somit bildet sich über den Alpen ein (Kälte-)hoch, im Flachland relativ betrachtet ein Tief (siehe Abbildung 2b)). Durch die so entstehenden Druckverhältnisse beginnt die kalte Luft durch die Täler in die Niederungen abzufließen. Dieses Abfließen wird als Bergwind bezeichnet. In der Regel sind die Hangabwinde und der Bergwind deutlich schwächer ausgeprägt als die Hangauf- und Talwinde.
Talwinde in der Schweiz
Bei einem solchen Tag wie heute – praktisch volle Sonneneinstrahlung und nur schwachen Druckgegensätzen – kommt tagsüber in den Alpentälern das Talwindsystem in Gang. Die folgende Grafik (siehe Abbildung 3) gibt einen Überblick über die typischen Schönwetterwinde in den Schweizer Alpen.
Wie der Karte zu entnehmen ist, wehen die Talwinde grundsätzlich talaufwärts…
Keine Regel ohne Ausnahme
Somit würde man im Oberengadin einen Wind talaufwärts aus Nordosten erwarten, also ein Wind das ganze Engadin hinauf. Doch wissen Windsportler auf den Oberengadinerseen: An thermisch aktiven Tagen gibt es guten Wind aus genau umgekehrter Richtung, aus Südwesten. Es ist der sogenannte Malojawind, der als Talwind des Bergells über den Malojapass bis ins Oberengadin bläst. Er erreicht am Nachmittag jeweils Böen von etwa 30 bis 50 km/h.
Wie kommt es, dass sich der Talwind des Bergells bis über den Malojapass ausdehnen kann? Das Phänomen ist möglich, wenn der Luftdruck südlich der Alpen leicht höher ist, entsprechend ist eine südwestliche Strömung ideal. Wenn sich dann gleichzeitig durch die Sonneneinstrahlung über den Alpen ein Hitzetief bildet, wird der Bergeller Talwind bis nach St. Moritz oder sogar Samedan gedrückt beziehungsweise gesaugt.
Wie der unteren Grafik zu entnehmen ist, blies der Malojawind mit Windspitzen bis zu 45 km/h.
Viele Windsportler nutzten die guten Windverhältnisse auf dem Silsersee zu ihren Gunsten.
Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz / Talwinde, oder warum es in den Alpen auch an ruhigen Tagen windig ist – MeteoSchweiz (admin.ch)
Titelbild: Meteomeldungen/App