Aarau AG: Tod in der Psychiatrie – vorsätzliche bzw. fahrlässige Tötung durch Unterlassen

Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach hat gegen zwei ehemalige leitende Ärzte der Psychiatrischen Dienste Aargau Anklage erhoben. Im Zentrum steht der Tod eines Patienten, der sich im Jahr 2020 während eines Klinikaufenthalts mehrfach selbst schwere Verletzungen zugefügt hatte und später daran verstarb.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Ärzten vor, ungenügende Schutzmassnahmen getroffen zu haben. Es wurde Anklage wegen vorsätzlicher bzw. fahrlässiger Tötung durch Unterlassen erhoben.

Im Jahr 2020 hatte sich ein junger Patient während eines stationären Aufenthalts wiederholt selbst schwere Verletzungen zugefügt und war später im Universitätsspital Zürich an den Folgen verstorben. Die Staatsanwaltschaft wirft zwei ehemaligen leitenden Ärzten der Psychiatrischen Dienste Aargau vor, unzureichend auf das Verhalten des Patienten reagiert und dadurch dessen Tod mitverursacht zu haben.

Wiederholte Selbstverletzungen mit tödlichen Folgen

Im November 2020 trat der damals 17-jährige Patient freiwillig in die psychiatrische Klinik ein. Aufgrund einer raschen Verschlechterung seines psychischen Zustands wurde kurz darauf eine fürsorgerische Unterbringung angeordnet, die gerichtlich bestätigt wurde. Anlass dafür waren unter anderem eine Zwangsstörung und ein erhöhtes Risiko der Selbstverletzung.

In den Wochen vor dem Vorfall liess sich der junge Mann mehrfach absichtlich rückwärtsfallen, wobei er sich zunehmend schwere Kopfverletzungen zuzog. Die Klinik dokumentierte unter anderem auch eine Serie von Stürzen, die sich in kurzer Abfolge ereigneten.

Am 30. Dezember 2020 wurde der Patient regungslos im Zimmer aufgefunden, nachdem er sich zuvor erneut mehrfach fallen gelassen hatte. Er wurde notfallmedizinisch versorgt und per Helikopter ins Universitätsspital Zürich überführt, wo er wenige Tage später an den Folgen eines schweren Schädel-Hirn-Traumas verstarb.

Pflichtverletzung trotz Kenntnis der Gefahrenlage

Gestützt auf ein eingeholtes psychiatrisches Fachgutachten geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass eine engmaschige Betreuung in diesem Fall zwingend erforderlich gewesen wäre. Die beschuldigte Oberärztin soll trotz Kenntnis des Selbstverletzungsrisikos und der wiederholten Stürze keine ausreichenden Massnahmen zum Schutz des Patienten getroffen haben. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft nahm sie damit bewusst in Kauf, dass der Patient tödliche Verletzungen erleiden könnte. Ihr wird die vorsätzliche Tötung durch Unterlassen des Patienten vorgeworfen.

Dem mitangeklagten leitenden Oberarzt, dem die Beschuldigte unterstellt war, wird fahrlässige Tötung durch Unterlassen vorgeworfen. Er soll die Gefahrenlage zwar erkannt und dokumentiert, jedoch pflichtwidrig unterlassen haben, notwendige Schutzmassnahmen längerfristig anzuordnen oder durchzusetzen.

Anklage wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Tötung durch Unterlassen

Die Staatsanwaltschaft beantragt im Rahmen der Anklage eine unbedingte Freiheitsstrafe von sechs Jahren gegen die Oberärztin sowie eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren gegen den leitenden Oberarzt. Die Anklage wurde beim zuständigen Bezirksgericht eingereicht.

Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für beide beschuldigten Personen die Unschuldsvermutung.

 

Quelle: Oberstaatsanwaltschaft Kanton Aargau
Bildquelle: Symbolbild © sfam_photo/Shutterstock.com

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