Ein Ferngarten für Chur, Zürich und Bern
Wer selber keinen Garten nutzen kann und keinen ausreichenden Platz auf dem Balkon hat, muss dennoch nicht darauf verzichten, biologisch angebautes Gemüse und Kräuter aus dem eigenen Garten auf den Tisch zu bringen.
Denn dank Cilgia Rauch, die gelernte Gärtnerin und Bäuerin ist, sowie ihrer beiden Schwestern Anna und Tinetta kann sich prinzipiell jeder Schweizer ein Stück Land mieten und aus der Ferne bewirtschaften (lassen).
Das Projekt nennt sich La Cruschada und ist 2015 als Pilot gestartet, mit bisher durchschlagendem Erfolg. Die meisten Gartenflächen sind bereits ausgebucht und im Auftrag ihrer Mieter mit Gemüse, Kräutern oder Medizinalpflanzen bestückt. Um deren Pflege, das tägliche Giessen, regelmässiges Düngen und was sonst so anfällt, kümmert sich Cilgia Rauch, während ihre Schwestern die administrativen und organisatorischen Aufgaben bei La Cruschada erledigen (und bei Sonnenschein auch mal im Garten mithelfen).
Ein Biogarten auf 1265 Metern über Meer
Die Heimat der Rauch-Schwestern und des Ferngartens liegt in Crusch, mitten im Unterengadin (GR). Hier erinnert nichts an die Hektik des Stadtlebens, denn die Ortschaft besteht aus nur vier Häusern: ein rotes, ein weisses, ein grünes und eines in Orange. Dazu gibt es einen Bauernhof, zu dem auch der Garten von La Cruschada gehört. Der Ort befindet sich 1265 m ü. M. und bietet einen tollen Blick über die imposante Unterengadiner Bergkette. Die Gartensaison dauert in dieser Region von Mai bis Oktober, und aufgrund der Höhenlage und der damit verbundenen widrigen Wetterbedingungen lassen sich hier nur bestimmte Pflanzen kultivieren und ernten.
Wer sich für einen Ferngarten interessiert, kann selber aktiv werden, sich eine Parzelle auf dem Hof für eine Saison mieten und dort Kräuter und Gemüse nach eigenen Wünschen pflanzen und säen. Gärtnerin Cilgia Rauch kümmert sich dann über den Sommer hinweg um ausreichende Bewässerung und Düngung und informiert ihre Untermieter rechtzeitig, wenn die Ernte reif ist und eingeholt werden kann.
Diese Dienstleistung kostet pro Beet-Meter (das entspricht einer Nutzfläche von 11’000 cm²) 50 CHF, Samen und Setzlinge sind bei diesem Preis bereits enthalten.
Auf der Website von La Cruschada findet sich eine Produktliste, in der die angebotenen Sämereien und Setzlinge mit ihrem Platzbedarf aufgeführt sind. Damit wird nicht die Anzahl der Pflanzen, sondern der von diesen benötigte Platz als Berechnungsbasis genutzt. So müssen etwa für Weisskohl 600 cm² genutzt werden, Radieschen kommen mit nur 100 cm² aus, während Tomaten, Kürbisse und Zucchetti jeweils stolze 3500 cm² belegen und zudem mehr Pflege und besondere Pflanzbedingungen benötigen. Auf der anderen Seite versprechen sie damit auch einen deutlich höheren Ertrag.
Kräuter und Medizinalpflanzen werden hingegen immer auf einer Einheitsfläche von 100 cm² angebaut; dabei stehen neben klassischen Küchenkräutern wie Oregano, Majoran, Maggikraut oder Schnittlauch auch Heilkräuter wie Teefenchel, Kamille oder Frauenmäntelchen zur Auswahl, die wie das Obst und Gemüse alle komplett biologisch angebaut werden.
Besucher, die sich an der schönen Landschaft des Unterengadin erfreuen und dabei noch frisches Obst und Gemüse in Bioqualität erwerben wollen, können ab Juli 2015 bei La Cruschada einkehren und die dort gerade reifen Produkte ernten. Das Angebot ist dabei stetig wechselnd und umfasst auch frische Blumen und Früchte. Die dort angebotenen Waren stammen aus den eigenen Anbauflächen der Rauchs und nicht von vermieteten Gartenflächen.
Ein Ferngarten aus dem Internet
Wem die Anreise nach Crusch zu mühsam und zeitaufwendig ist, kann dennoch von dem Angebot profitieren, denn für 80 CHF kann sich jeder seinen eigenen Ferngarten via Internet einrichten und bei La Cruschada bestellen. Gärtnerin Cilgia Rauch setzt oder sät dann die bestellten Pflanzen ein und sorgt über den Sommer dafür, dass sie möglichst gut gedeihen. Der Gartenmieter erhält einen wöchentlichen Bericht mit Fotos und wird so über das Wachsen und Gedeihen in seinem Ferngarten informiert. Sobald das Obst und Gemüse reif ist, wird es von der Gärtnerin geerntet und frisch an die Gartenmieter versendet. Dieser Service ist bei dem aktuell laufenden Pilotprojekt jedoch nur bis Chur, Zürich oder Bern kostenlos möglich. Dabei werden alle auf dem gemieteten Grundstück gewachsenen Produkte an den Kunden ausgeliefert, sie kommen also nicht in den freien Verkauf auf dem Hof.
Dabei gibt es naturgemäss keine Garantie für den Ertrag, dennoch sind die Schwestern sicher, ihre Kunden zur Erntezeit mit frischen und gesunden Produkten versorgen zu können. Wann genau geerntet werden kann, hängt daher nur von den Pflanzen und Früchten ab. Interessenten sollten also bei der Gartenplanung berücksichtigen, dass zum Erntetermin unter Umständen grosse Mengen des gleichen Gemüses eintreffen. Man sollte sich mithin entweder rechtzeitig Gedanken um deren Verwendung machen oder das gemietete Stück Garten mit möglichst vielen verschiedenen Pflanzen bewirtschaften, um eine höhere Varianz der natürlichen Produkte zu erreichen.
Alternative zum Urban Gardening
Bereits wenige Tage nach dem offiziellen Start des Projektes waren die meisten verfügbaren Gartenflächen vermietet und ausgebucht, das Angebot scheint also auf ein grosses Interesse zu stossen und eine Marktlücke zu besetzen. Denn während immer mehr Kommunen eigene Projekte im Bereich Urbaner Gartenbau starten, bei denen städtische Brach- und Freiflächen genutzt werden, um dort Nutz- und Zierpflanzen zu kultivieren, geht das Ferngarten-Projekt noch einen entscheidenden Schritt weiter: Wer nicht über einen grünen Daumen verfügt, kann bei diesem Projekt dennoch selber entscheiden, welche Nutzpflanzen angebaut werden sollen, und sich nach einigen Wochen oder Monaten über die Ernte freuen. Die wöchentlichen Foto-Reports sorgen zudem nicht nur für Transparenz, sondern vermitteln auch aus der Ferne ein Gefühl von Gärtnerfreude, wenn die Setzlinge sich gut entwickeln und kräftig austreiben.
Fazit
Frisches Gemüse aus dem eigenen Garten, das ist jetzt auch für Stadtmenschen keine Utopie mehr, sondern kann mit dem Projekt La Cruschada einfach realisiert werden. Zu überschaubaren Kosten können sich Städter hier eine Auswahl an Produkten anbauen und liefern lassen. Wenn das Projekt ein Erfolg wird, ist eine Ausweitung des Lieferservice auf weitere Städte und Gemeinden nicht ausgeschlossen und wünschenswert.
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