Kinderkrankheiten – Experteninterview Dr. Voitl

Neuere Untersuchungen zeigen, dass zwar typische Kinderkrankheiten immer seltener auftreten, sich auf der anderen Seite jedoch moderne Zivilisationskrankheiten häufen.

Wir befragten dazu in unserem Experteninterview DDr. Peter Voitl, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde und langjährigen Leiter der Kinderintensivstation im Sozialmedizinischen Zentrum Ost im Donauspital Wien.

Die aktuelle Masernwelle hat zu einer Debatte über die Einführung einer Impfpflicht geführt. Welche Impfungen sind notwendig, auf welche kann man hierzulande verzichten?

DDr. Peter Voitl: „Alle Impfungen, die laut österreichischem Impfplan seitens des Ministeriums empfohlen werden, sind grundsätzlich notwendig und sinnvoll. Es gibt keinen Grund, an den Empfehlungen des Expertengremiums zu zweifeln. Darunter sind selbstverständlich auch Reiseimpfungen, auf die man so lange verzichten kann, solange man nicht in die betroffenen Gebiete einreist.“



Schon bei der Einschulung leiden etwa 10 bis 15 % der Kinder an Neurodermitis, zwischen 25 und 30 % an einer Pollenallergie. Woran liegt das?

DDr. Peter Voitl: „Allergien betreffen heute etwa 20 bis 25 % der Kinder und Jugendlichen, nicht alle Verläufe sind schwerwiegend. Die häufigsten Allergene sind Pollen (Blütenstaub), Hausstaubmilben, Tierhaare, Nahrungsmittel und Insektengifte, es können aber sehr viele Substanzen als Allergene wirken.

Von einer allergischen Reaktion können verschiedene Organe betroffen sein, der Verlauf ist variabel und reicht von spontaner Besserung bis zum Durchmachen unterschiedlicher Krankheitsbilder.
In den ersten beiden Lebensjahren überwiegen Nahrungsmittelallergien und Hauterkrankungen, etwa 30 bis 40 % dieser Kinder können später an Asthma bronchiale erkranken.

Die Vererbung spielt bei der Entstehung von Allergien eine grosse Rolle. Je mehr Verwandte ersten Grades (Vater, Mutter, Geschwister) an allergischen Symptomen leiden, desto grösser ist das Allergierisiko für den Nachwuchs.

Haben beide Eltern Heuschnupfen, so besteht ein etwa 80%iges Risiko, dass auch ihr gemeinsames Kind eine Allergie entwickelt; ist nur ein Elternteil betroffen, liegt das Risiko immer noch bei 30 %. Es ist aber nicht vorhersehbar, welche Form der Allergie das Kind entwickeln wird. Wenn keine Allergien in der Familie bekannt sind, liegt das Risiko bei etwa 15 %.


Zwischen 25 und 30 % der Kinder leiden an einer Pollenallergie. (Bild: Serhiy Kobyakov – Shutterstock.com)

Dabei wird aber nicht etwa eine bestimmte Allergie, wie z. B. der Heuschnupfen oder das Asthma bronchiale vererbt, sondern nur die Bereitschaft zur allergischen Reaktion.

Das Neugeborene besitzt noch kein voll entwickeltes Abwehrsystem, erst nach und nach lernt der Körper, sich gegen eine immer grössere Anzahl körperfremder Stoffe zu schützen. Erste vorbeugende Massnahmen sollten also bereits in dieser Lebensphase ansetzen.

Auch Exposition gegenüber Tabakrauch, Frühgeburtlichkeit, frühes Abstillen, frühzeitige Sensibilisierung auf Nahrungsmittelallergene wie Kuhmilch oder Hühnereiweiss, Geburtsmonat, männliches Geschlecht, Passivrauchen, unzureichende soziale Verhältnisse, Luftschadstoffe, ungenügende Therapie, keine Allergenvermeidung und das Nichtdurchführen einer möglichen Immuntherapie gelten als Risikofaktoren. Übertriebenes Reinlichkeitsverhalten und das Vermeiden von Schmutz sind keine sinnvollen Vorbeugestrategien.

Während der vergangenen 30 Jahre wurde eine deutliche Zunahme der Allergiehäufigkeit festgestellt. Hier spielen veränderte Umweltbedingungen eine Rolle.“

Stimmt es, dass Stillen die Entstehung von Allergien verhindert?

DDr. Peter Voitl: „Die Veranlagung für eine Allergie ist letztlich angeboren. Art und Weise der Ausprägung können jedoch durch Stillen sehr günstig beeinflusst werden. Als schützend hat sich Stillen bzw. hypoallergene Nahrung bis zum sechsten Lebensmonat des Kindes herausgestellt.“

Brauchen Kinder regelmässig Fleisch? Auf was sollte man bei ihrer Ernährung achten?

DDr. Peter Voitl: „Auf Ernährung, die den Kindern auch Freude macht. Natürlich soll es ausgewogen sein, Kinder brauchen grundsätzlich aber kein Fleisch. Darüber hinaus sollte generell nicht zu fett oder zu süss oder zu salzig ernährt werden.“

 

Artikel von: medicalpress.de
Artikelbild: © michaeljung – Shutterstock.com

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