Kachelmann wieder im Hafen der Ehe?! Ja – und?

Nun ist es raus: Jörg Kachelmann soll geheiratet haben. Anlass zu Spekulation hatte bereits gegeben, dass der angeklagte Wettermoderator zuvor mit goldenem Ring an der linken Hand im Mannheimer Gerichtssaal erschienen war.

Mittlerweile soll Kachelmann in die Schweiz umgezogen sein und dort seit Neuestem im Örtchen Wollerau am Zürichsee – womöglich in fester Beziehung – leben. So jedenfalls ein Bericht von „Spiegel Online“.

Seit dem 20. März 2010 sass der frühere ARD-Wetterexperte über vier Monate in Untersuchungshaft, weil ihm vorgeworfen wird, in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar seine damalige Freundin in deren Schwetzinger Wohnung vergewaltigt zu haben.

Inzwischen macht der 52 Jahre alte Schweizer nach seiner Haftentlassung beim Privatradio Primavera in Aschaffenburg sowie bei Radio Basel wieder den Wetterbericht.

Kachelmann the neverending story

Soll man Kachelmann also zur (zweiten) Ehe gratulieren? Sicher ist, dass der Wettermann mit seinem (angeblichen) neuen Eheglück den Medien wieder reichlich Futter geliefert hat. So werden wir ja rund um die Uhr mit bizarren Details zum Fall Kachelmann versorgt. Zuverlässig erfahren wir, welcher Prozessbeteiligte wann, wo und mit wem aufgetaucht ist. Jüngste Meldung: Die Schweizer Zeugin Viola S. soll mit dem Hamburger Skandalrichter Ronald Schill in Rio de Janeiro gesichtet worden sein. Ausserdem soll sie für ein Interview in der „Bunten“ 50’000 Euro erhalten haben. Na so was!

Psychologen und Experten deuten uns haarklein Mimik und Gestik der Beteiligten. Warum hat Kachelmann gelächelt? Und was will uns Nebenklägerin Petra S.* (38) sagen, wenn sie sich ein Buch mit dem Titel „Der Soziopath von nebenan“ vor die Nase hält? Ach ja, und was ass Kachelmann eigentlich im Restaurant Strozzi im Zürcher Seefeld zu Mittag („Blick“ berichtete)? Schön, dass wir das alles erfahren, aber wollten wir das eigentlich so genau wissen?

Eine ganz und gar überflüssige Rolle in dem Fall spielt die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, die sogar – auf Betreiben des Kachelmann-Anwalts – als Zeugin geladen wurde. Als lautstarke Kommentatorin des Falls fühlt sich die EMMA-Herausgeberin allein deshalb berufen, weil das mutmassliche Opfer eine Frau ist – und der mutmassliche Täter ein Mann. Es ist in etwa so, als wenn sich der Papst zu einem Prozess äussern würde, nur weil das Opfer katholisch ist – und der Täter möglicherweise ein Protestant.

Die relevanten Fragen

Es ist also kein Wunder, dass wer sich informieren will, mittlerweile von einer Informationsflut erschlagen wird. So liefert die Suche nach den Stichworten „Kachelmann Prozess“ bei google.ch ungefähr 615’000 Ergebnisse. Relevante Informationen zum mittlerweile sechs Monate andauernden Mannheimer Prozess drohen im Wust der Meldungen unterzugehen.

Wirkliche Relevanz haben drei Fragen:

1. Was sagt die Gerichtsmedizin?

2. Was sagen psychologische Gutachten zur Glaubwürdigkeit des mutmasslichen Opfers Petra S.*?

3. Welche Indizien gibt es?

Zu 1. Ein Gutachten des Gerichtsmediziners Rainer Mattern (vorgestellt am 1. Februar 2011) hält es für möglich, dass die Verletzungen am Hals des mutmasslichen Opfers vom Angeklagten mit dem vorgefundenen Messer zugefügt worden sind. Das Privatgutachten des von Kachelmann beauftragten Rechtsmediziners Bernd Brinkmann wies Mattern zurück. Brinkmann hält es für möglich, dass das mutmassliche Opfer sich die Verletzungen selbst zugefügt hat.

Zu 2. Ein aussagenpsychologisches Gutachten von Luise Greuel kommt zu einem offenen Ergebnis. Kachelmann vorheriger Verteidiger Reinhard Birkenstock wertete es zu Kachelmanns Gunsten. Die Psychologin bestätige, dass es die Aussagen des mutmasslichen Opfers zur Vergewaltigung „nicht die Mindestanforderungen an die logische Konsistenz, Detaillierung und Konstanz“ erfülle. Das Landgericht sah hingegen die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin gestützt. Mittlerweile hat der nachfolgende Verteidiger Johann Schwenn der Psychologin Befangenheit vorgeworfen.

Das mutmassliche Opfer musste bereits eine Falschaussage einräumen. Die Frau hatte behauptet, einen Umschlag mit zwei Flugtickets und der Notiz „Er schläft mit ihr“ zugeschickt bekommen zu haben. Sie gab schließlich zu, die Notiz selbst verfasst zu haben. Das Verhältnis ihrer Nebenbuhlerin mit Kachelmann hatte sie bereits vorher per Mail-Kontakten ausspioniert.

Zu 3. An Indizien aus der Tatnacht liegen vor: DNA auf dem Faden eines Tampon, an einem Badezimmer-Handtuch Sperma des Angeklagten und Blut der Frau, ausserdem ein Messer mit DNA-Spuren. Ein Experte des Landeskriminalamts entlastete am 21. Verhandlungstag (20. Dezember 2010) den Angeklagten. Die DNA Spuren auf dem Messer seien nicht eindeutig zuzuordnen und würden zum Tatvorwurf nicht passen.

Eindeutig uneindeutig

Klar ist bis jetzt, so zeigt schon diese Auflistung, eigentlich nur eins: Die Sachlage ist kompliziert – und uneindeutig. Also „in dubio pro reo“?

So lange Gerichtsurteile noch nicht durch Abstimmung der „Bild“-Leser oder per Internet-Voting gefällt werden, bleibt auf das Urteil der Richter zu warten. Bis dahin werden wir sicher noch erfahren haben, welche Farbe der Tanga von Kachelmanns Geliebter Nr. 7 hat oder ob bei Geliebter Nr. 8 nur Fesseln oder auch die Peitsche zum Einsatz kamen.

Titelbild: René Mettke – Wikimedia Commons

Programm-Tipp: DOK Der Kachelmann-Prozess. Donnerstag, 31. März 2011, 20.05 Uhr, SF 1.

Eine kleine Auswahl ungezählter Quellen:

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,752194,00.html

http://www.blick.ch/suche/kachelmann/

http://www.20min.ch/news/dossier/kachelmann/story/17532231

http://www.jurablogs.com/thema/kachelmann-1

http://ritaevaneeser.wordpress.com/

http://www.psychomeda.de/psychologie-blog/wie-glaubwuerdig-kachelmann.html

http://www.stern.de/panorama/kachelmann-prozess-dna-spuren-auf-messer-und-laken-1635964.html

http://www.faz.net/s/Rub77CAECAE94D7431F9EACD163751D4CFD/Doc~EF02AE9DA31A849B797C407FDB5C632F7~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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Titelbild: René Mettke / Wikimedia / CC

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