London brennt: Woher kommt die Gewalt?

Es sind Bilder wie aus dem Krieg, die uns aus London erreichen. Jugendliche Horden plündern Geschäfte, stecken Häuser in Brand, fackeln Autos ab und hinterlassen eine Spur der Verwüstung.

In der dritten Nacht in Folge wird die britische Hauptstadt nun schon von Krawallen heimgesucht. Vom Süden und Norden der Metropole hat sich die Gewalt inzwischen auf den Westen und Osten ausgebreitet und auch auf die Städte Birmingham, Liverpool und Bristol übergriffen.

Begonnen haben die Ausschreitungen in der Nacht zum Sonntag im sozial schwachen Viertel Tottenham, als sich über 200 Randalierer eine Strassenschlacht mit der Polizei lieferten. Auslöser war der Tod des 29-jährigen farbigen Familienvaters Mark Duggon. Am Donnerstag wurde der Mann, der der Banden- und Drogenszene zugerechnet wird, unter unklaren Umständen von einem Polizisten erschossen.

Am Samstag demonstrierte die Familie des Verstorbenen zusammen mit rund 100 weiteren Personen vor der Polizeiwache in Tottenham und forderte Erklärungen. Doch kein Beamter erschien. „Wenn ein Beamter gekommen wäre und mit uns geredet hätte, wären wir gegangen“, sagte der  Tottenheimer Sozialarbeiter Stafford Scott dem „Guardian“.

Die Londoner Krawalle erinnern an die Unruhen in Frankreich im Oktober und November 2005. Ähnlich wie in London war dort der Auslöser für die Gewalt der Tod zweier jugendlicher Immigranten, die am 27. Oktober 2005 in Paris auf der Flucht vor der Polizei ums Leben kamen. Es folgten nächtelange Krawalle in den Banlieue des Grossraums Paris sowie in weiteren französischen Städten.

Die Frage nach den Ursachen

Über die tieferen Ursachen für die Gewalt wird auch im Netz hitzig diskutiert. Sind hier kriminelle Chaoten am Werk, die pure Lust an der Zerstörung ausleben? Oder senden hier perspektivlose Jugendliche mittels Gewalt einen „Schrei nach Hilfe“ aus, wie ein 26-jähriger Schwarzer aus Tottenham sagte? Sind die randalierenden Jugendlichen also kriminelle Täter? Oder Opfer widriger sozialer Umstände?

Klar ist: Tottenham, wo die Gewalt ihren Ausgang nahm, ist eine der ärmsten Regionen Englands mit hoher Ausländer- und Arbeitslosenquote. Von der härtesten Sparpolitik seit 30 Jahren ist das Viertel besonders schwer getroffen. Keine Jobs, keine Perspektiven – da gärt eine Menge Frust.

Wenn die sozialen Umstände auch die explosive Situation erklären mögen – die Gewaltexzesse entschuldigen sie noch lange nicht. Die Randalen richten sich gegen Leib, Leben und die Existenz von Menschen, die nichts, aber auch gar nichts für die schwierige Situation der jugendlichen Immigranten können. So werden auch kleine Geschäfte von Immigranten geplündert, die sich mit viel Fleiss eine Existenz aufgebaut haben. Sollen die kleinen Ladenbesitzer etwa schuld an Armut und Arbeitslosigkeit sein?

Keine Frage: Die Randalierer gehören hart bestraft. Es darf nicht geduldet werden, dass rechtsfreie Räume entstehen, in denen die Gewalt regiert. Andererseits zeigt sich aber auch, dass eine Politik, die das Auseinanderdriften von Arm und Reich leichtfertig in Kauf nimmt, sich langfristig rächt. Gewalt und Armut, das ist weltweit zu erkennen, gehören zusammen. Wer Zustände in den Städten des Westens wie in der dritten Welt vermeiden will, soll dementsprechend politisch handeln.

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Titelbild: © Bastian Ott – Fotolia.com

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