Modeausstellung Winterthur
Welche Strategien verfolgen Modekonzerne?
Wer denkt, die alleinige Macht über seinen Kleiderschrank zu haben, wird durch die Ausstellung eines besseren belehrt. Denn Modekonzerne können ein Höchstmass an Kreativität an den Tag legen, wenn es darum geht, unser Gewissen, unser Bedürfnis nach Geltung oder aber unsere Sehnsucht nach Nostalgie anzusprechen und uns so zum Kauf ihrer Produkte zu verführen.
Eine der wirkungsvollsten diesbezüglichen Strategien kann als „Rette die Welt“-Taktik umschrieben werden. Dabei wird an unser „Gutmenschentum“ appelliert. Kaufe aktuelle Modekreationen und verrichte damit gleichzeitig eine gute Tat. Damit werden Menschen angesprochen, die sich gerne nach der neuesten Mode kleiden möchten und dabei auch gleich ihr Bedürfnis gestillt sehen wollen, etwas Gutes oder zumindest etwas Sinnvolles zu tun.
Als aktuelles Beispiel kann der schwedische Modeproduzent H&M dienen, der im Rahmen einer Kampagne die Aids-Aufklärung Jugendlicher fördert und für dieses Projekt auch die finanzielle Gönnerschaft übernimmt. Laut Ausstellungskuratorin Bitten Stetter, ihres Zeichens Leiterin des Masterstudiengangs »Trends & Ereignisse« an der Zürcher Hochschule der Künste geht es bei dem sozialen Engagement natürlich auch darum, aus der Masse hervorzustechen, um im Bewusstsein der Zielgruppe einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen und das Image des Unternehmens aufzupolieren. Allerdings: „Unternehmen wollen mit dieser Strategie auch auf eine bestimmte gesellschaftliche Situation aufmerksam machen“, so Stetter.
Ein perfektes Rezept also, um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Ganz nach dem Motto: Soziales Engagement bedeutet Imagegewinn und dieser steigert den Umsatz.
Lass dich inspirieren
Die wohl am meisten verbreitete Taktik, Angehörige der Zielgruppe zum Kauf aktueller Modeartikel zu verführen, beruht auf dem Nachahmungseffekt bzw. der Vorbildwirkung. Eine prominente Person trägt ein bestimmtes Kleidungsstück – am nächsten Tag wollen es alle haben.
Als Beispiel nennt Kuratorin Bitten Stetter das bereits als Werbe-Ikone von Birkenstock in Erscheinung getretene ehemalige Top-Model Heidi Klum.
Aus der Tatsache, dass eine solche Persönlichkeit als Trendsetter ein bestimmtes Kleidungsstück trägt, leite die Masse der Bürger die Berechtigung ab, dieses Produkt ebenfalls zu erwerben. Dieser Imagetransfer habe eine Art Schutzwirkung. Erwirbt man ein derartiges Kleidungsstück, tut man, aus dem modischen Blickwinkel gesehen, genau das Richtige, setzt sich also nicht der Gefahr aus, ausgegrenzt oder auch nur „schief angesehen“ zu werden.
Dazu kommt laut Experten noch ein psychologischer Effekt. Jene Laufstege bei internationalen Modeschauen, wo Models die neuesten Kreationen der Modeschöpfer in Sachen Haute Couture zur Schau stellen, sind stets etwas erhöht, um Zuschauern und Fernsehkameras beste Sicht auf das Geschehen zu ermöglichen. Dieses „Aufschauen“ zu den Schönheiten am Laufsteg weckt in uns die Assoziation mit einem Siegespodest, was dem Model zusätzlich eine Art Siegerimage verleiht. Umso mehr sind wir daher bereit, Verhaltensweisen und Kaufentscheidungen der Laufsteg-Modelle anzunehmen und in unser tägliches Leben zu integrieren. Derartige Mechanismen geschehen unbewusst, ohne dass wir es wahrnehmen – ein Schema, das grundsätzlich als Basis für zielgruppenorientierte Werbung dient. Die relative Freiheit von Ethik bei Verkaufsstrategien in Sachen Mode liegt natürlich auch in den erzielbaren Margen begründet.
Abgewetzte Turnschuhe – heiss begehrt
Da nostalgische Emotionen ebenfalls eine Triebfeder für Modekäufe darstellen, bedienen sich zahlreiche Modekonzerne dieser Schiene. So brachte Nike im Jahr 2007 Turnschuhe im 70er-Jahre-Stil heraus. Obwohl nagelneu, sahen sie aus, als ob sie jemandem bereits 30 Jahre lang treue Dienste geleistet hätten.
Nike warb dafür sinngemäss mit dem durchaus pfiffigen Slogan: „Es ist alt – aber Sie mussten nicht 30 Jahre darauf warten.“ Schönheit liegt somit wohl nicht nur im Auge des Betrachters, sondern auch in der Hand der Werbefachleute. Derartige Beispiele sind wohl noch zahlreich vorhanden und mittlerweile Ausdruck einer durchaus diskussionswürdigen Entwicklung unserer Gesellschaft.
Bei den künstlich ausgewaschenen Jeans, die maschinell erzeugte Gebrauchsspuren aufweisen, kommt ein ähnliches Strategiemuster zur Anwendung. Erfreuen sich diese Jeans immer noch ungebrochener Beliebtheit, scheint sich bereits eine Gegenströmung zu formieren. Laut Einschätzung von Modeexperten erscheinen die Spuren, welche durch tatsächliche Abnützung entstehen, durch ihre Authentizität in den Augen vieler interessanter.
Ein Ausweg aus der Beeinflussung durch an Gewinn interessierten Modekonzernen könnte in einer verstärkten Selbstbestimmung der Verbraucher zu finden sein. Ein derartiges Selbstbewusstsein der Zielgruppe könnte eine Trendumkehr bewirken, sodass – ähnlich wie am Autosektor und in anderen Bereichen – stets der Markt bestimmt, wo es langgeht und die Industrie die Bedürfnisse der Marktteilnehmer gerne zu decken bereit ist.
Oberstes Bild: © HighKey – Shutterstock.com