10 Stunden Chaos am Set für 5 Minuten Film
von Claudia Göpel
In Luzern wird momentan der neue Tatort gedreht (Regie: Manuel Hendry), in Zürich noch bis Mitte Dezember der gesellschaftskritische Film „Upload“ unter der Regie von Tobias Ineichen. Für letzteren Streifen werden händeringend Statisten gesucht, bevorzugt echte Punks. Ansonsten sehen Statisten aus wie du und ich. Ohne diese Leute würden die Schauspieler in menschenleeren Strassen zu sehen sein, Auto- und Velo-Fahrer inbegriffen. Wie ein solcher Drehtag aussieht, habe ich hautnah erlebt, als ich vor ein paar Tagen in Markkleeberg bei Leipzig zu Besuch war.
Ruhe bitte – wir drehen
Morgens um 8.00 Uhr wird die Strassenkreuzung per Hand gefegt, die letzten Autos werden umgeparkt, Diffusorsegel werden aufgefaltet und die ersten von 30 Statisten treffen ein. Insgesamt werden 60 wildfremde Menschen das Stückchen Strasse bevölkern – einen ganzen Tag lang. Wer nicht zum Filmteam gehört, sondern nur hier wohnt, muss sich vorbeischleichen, und wehe, der Hund fängt in genau diesem Moment an zu bellen. „Cut – ganze Szene noch mal!“ Gleiches passiert, wenn der Güterzug plötzlich über die Eisenbahnbrücke donnert. Wieso muss der Drehort auch in der Nähe des Bahnhofs liegen? Und auch der Juwelierladen ist eigentlich eine ganz normale Poststation. Erst einen Tag zuvor präparieren Requisiteure die Schaufenster. Drei Tage vorher werden die Bewohner per Handzettel informiert, dass sie möglichst nicht von ihren Fenstern aus zuschauen sollen. Natürlich hält sich niemand daran.
Gehört die Frau zu uns?
Hauptdarsteller Francis Fulton Smith fährt mit ordentlich Tempo die Strasse entlang und hält mit quietschenden Reifen vor dem präparierten Juwelierladen, in dem gerade ein Überfall stattgefunden hat. Es wird nur die Ankunft gedreht. Eine Frau mit Kinderwagen schlendert über den Gehweg. „Gehört die zu uns?“, fragt der Schauspieler? „Nein.“ – „Okay, das Ganze noch mal.“ Die echten Statisten stehen in der Gegend herum und gucken zu, während sich eine Assistentin in gelber Warnweste wortreich entschuldigt. Drei Stunden später wird der Schauspieler von einem Rentner mit Pistole bedroht. Noch später steht ein Kommissar der Presse Rede und Antwort. Zwischendurch laufen die Statisten gezielt als Passanten durchs Bild. Die gesamte Szene, die später in einer Folge „Ein Fall für Liebe“ zu sehen sein wird, dauert fünf Minuten. Dafür sind 60 Personen zehn Stunden lang im Einsatz.
Wo in der Schweiz die meisten Filme gedreht werden und wie Sie als Statist Geld verdienen können, erfahren Sie im nächsten Bericht. Dann geht es um die Filmindustrie in der Schweiz und die besten Casting-Agenturen.
Oberstes Bild: © dienstwerk