Ausufernde Heuchelei bezüglich Landwirtschaft (Leserbrief)

Kürzlich publizierte die NZZ einen Artikel, der die weltweite Vereinödung der Kulturlandschaft und Wiesen durch die Intensivlandwirtschaft geisselte. Praktisch zeitgleich rechnete Vision Landwirtschaft den Milchbauern ein Kostensparpotential von 160 Millionen Franken vor.

Dass das eine mit dem anderen aber etwas zu tun haben könnte – Preisdrückerei und permanenter Kosteneinsparungsdruck unweigerlich auf Kosten der Umwelt, Tiere und Lebensmittelqualität geht – kam erstaunlicherweise beiden Autoren nicht in den Sinn.

Durch deren einseitige Darstellung setzte sich bei den Lesern die einfache Botschaft fest: „Die Bauern machen die Umwelt kaputt und wirtschaften unrentabel.“ Den Vogel schoss indessen Markus Lips von Agroscope ab, der sich zur Einkommenslage der Landwirtschaft wie folgt äusserte: „Ist es moralisch zu rechtfertigen, dass der Staat mit den Direktzahlungen Bauernbetriebe am Leben erhält, die praktisch nichts abwerfen?“

Der steuergeldvergoldete Moralist in der BLW-Forschungsabteilung respektiert offensichtlich nicht einmal die Verfassungsgrundlagen unserer Landwirtschaft. Doch machen wir uns nichts vor: NZZ, Vision Landwirtschaft und Lips spiegeln nur den Zeitgeist, der offenbar nicht mehr zu einer umfassenden und differenzierten Betrachtungsweise befähigt erscheint.

Weltweit sind Agrar- und Tierfabriken Ziel und Standard der professionellen Produktion und der Agrarpolitiken. Denn nur so kann man Lebensmittel immer noch billiger erzeugen und bei offenen Grenzen am Weltmarkt punkten. Da hilft keine nebulöse „Qualitätsstrategie“.

Entweder heult die Schweiz nun mit den Wölfen und schafft ihre Bauern zugunsten der Fabriklandwirtschaft ab. Oder dann müssen wir endlich einmal ehrlich sein! Wenn wir eine naturnahe, bäuerliche und tierfreundliche Landwirtschaft wollen, die die Umwelt schont, uns und die Touristen erfreut, bedeutet das, bewusst auf „Wohlfahrtsgewinne“ zu verzichten, bereit zu sein, nicht ennet der Grenze auf Schnäppchenjagd zu gehen, sondern teurere Schweizer Lebensmittel nachzufragen und 2 Milliarden Steuergelder jährlich in dieses schöne aber teure Gegenmodell zur weltweiten Fabriklandwirtschaft zu investieren!

 

Artikel von: Schweizer Tierschutz STS, Dr. sc. nat. Hansuli Huber, Geschäftsführer Fachbereich
Artikelbild: © Natali Glado – shutterstock.com

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