Hand und Fuss koordinieren – die Rolle von Nervennetzwerken
Laufen bedeutet mehr als nur mit den Beinen zu agieren. Wenn wir Schritte machen, ist unser ganzer Körper in Bewegung. Die Arme sind immer mit dabei und alles will richtig miteinander koordiniert werden.
Wie funktioniert das? Das hat eine Forschungsgruppe am Biozentrum der Universität Basel und am Friedrich Miescher Institut für Biomedical Research näher untersucht. Sie konnte dabei verschiedene Populationen von Nervenzellen mit langen Verbindungen im Rückenmark identifizieren.
Nervennetzwerke im Rückenmark identifiziert
Die im Fachjournal „Neuron“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass diese Nervenverbindungen die Bewegung von Armen und Beinen beim Laufen koordinieren und für eine stabile Körperhaltung sorgen. Die Laufbewegung entsteht durch eine hoch kontrollierte Abfolge von Muskelkontraktionen, welche von komplexen Nervennetzwerken im Gehirn und im Rückenmark gesteuert werden.
Die Forschungsgruppe von Prof. Silvia Arber fand nun heraus, dass spezifische lang projizierende Nervenverbindungen, die unser Rückenmark durchlaufen, eine wichtige Grundlage für die Koordination von Armen und Beinen bilden. Diese Nervenzellen koppeln lokale Netzwerke über lange Distanzen und sorgen so dafür, dass unser Körper beim Laufen Haltung und Rhythmus behalten kann.
Die Laufbewegung widerspiegeln
Auch wenn sich der Mensch im Laufe der Evolution irgendwann aufgerichtet hat, so muss er beim Laufen wie jeder Vierfüssler seine vier Gliedmassen koordinieren und alternierend bewegen. „Wir konnten im Mausmodell zeigen, dass sich die gegenläufige Bewegung von Armen und Beinen im Nervennetzwerk des Rückenmarks widerspiegelt“, so Ludwig Ruder, Erstautor der Studie. So kreuzen die meisten aktivierenden dieser Nervenverbindungen die Mittellinie des Rückenmarks und kontaktieren gegenüberliegende Netzwerke. Im Gegensatz dazu verlaufen die hemmenden Nervenzellen mehrheitlich auf der gleichen Körperhälfte.
Der diagonale, gespiegelte Verlauf der aktivierenden Nervenverbindungen ist sehr interessant, wenn man sich die Koordination von Armen und Beinen bei einem Läufer wie Usain Bolt genauer anschaut. „Beim Laufen bewegen sich eben nicht nur seine Beine, sondern zeitgleich und diametral dazu auch seine Arme – in völliger Abstimmung miteinander“, so Ruder.
Kontrolle ganzkörperlicher Bewegung
Um die Bedeutung der langen Nervenverbindungen im Rückenmark für die Laufbewegung aufzuzeigen, haben die Wissenschaftler lang projizierende Nervenzellen selektiv ausgeschaltet. „Sind diese Verbindungen im Rückenmark, welche lokale Netzwerke miteinander koppeln, inaktiv, geht nicht nur die Stabilität und Schnelligkeit beim Laufen verloren, auch die koordinierte Arm- und Beinbewegung gerät bei hoher Geschwindigkeit durcheinander“, so Ruder.
In einem weiteren Schritt fand das Forschungsteam heraus, dass lang projizierende Nervenzellen ihre Signale im ganzen Rückenmark verteilen und weitläufige Informationen aus dem Gehirn erhalten. Die Anordnung und ihre Verbindungen machen sie damit zu einer wichtigen Schnittstelle für die Integration und Verbreitung von Signalen des Gehirns.
Perspektive für Rückenmarksverletzungen
Bislang haben Wissenschaftler vor allem lokale Nervennetzwerke im Rückenmark und deren Rolle in der Bewegung untersucht. Dabei blieben die lang projizierenden Nervenverbindungen und ihre Bedeutung weitgehend unberücksichtigt. „Die Ergebnisse der neuen Studie zeigen jedoch, dass Nervenzellen im Rückenmark mit langen Projektionen eine sehr wichtige Rolle für die Koordination des Laufens spielen“, erklärt Silvia Arber. Solche Ergebnisse können langfristig wichtig sein, um eine funktionelle Wiederherstellung nach Rückenmarkverletzungen zu erreichen.
Artikel von: Universität Basel
Artikelbild: © Universität Basel, Biozentrum