Jedes 20. Schweizer Kind kennt Armut aus eigener Erfahrung
Der neue Bericht des Bundesamts für Statistik (BFS) zur Armut und materiellen Entbehrung von Kindern liegt jetzt vor. In ihm wird unter anderem festgestellt, dass 2014 jedes 20. Kind in der Schweiz von Einkommensarmut betroffen und jedes sechste Kind armutsgefährdet war. Kinder in Haushalten ohne Erwerbstätige oder mit nur einem Elternteil trifft es besonders. Auch leiden sie häufiger unter materiellen Einschränkungen und mangelhaften Wohnsituationen. Eltern stellen oft ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten ihrer Kinder zurück, wenn sie von materiellen Entbehrungen betroffen sind.
In der Schweiz waren 2014 knapp 73.000 Kinder unter 18 Jahren einkommensarm und 234.000 Kinder armutsgefährdet, was einer Armutsquote von 5,0 Prozent (18-64 Jahre: 5,3 %) und einer Armutsgefährdungsquote von 16,0 Prozent (18-64 Jahre: 11,1 %) entspricht. Armut im Kindesalter kann die Teilhabe- und Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder beeinträchtigen und gilt als Risikofaktor für Armut und soziale Ausgrenzung im späteren Lebensverlauf.
Erwerbstätigkeit essenziell
Die Erwerbstätigkeit der erwachsenen Personen im Haushalt gilt als Schlüsselfaktor zur Verhinderung von Kinderarmut. In Haushalten ohne Erwerbstätige ist fast jedes zweite Kind armutsgefährdet und jedes fünfte Kind armutsbetroffen.
Auch in Bezug auf die materielle Situation und die Wohnbedingungen sind diese Kinder häufig deutlich schlechter versorgt. Rund 30 Prozent der armutsbetroffenen Kinder sind dieser Kategorie zuzuordnen. Die restlichen 70 Prozent – das sind etwas über 51.000 Kinder – leben hingegen in Haushalten, die trotz Erwerbsarbeit kein Einkommen oberhalb der Armutsgrenze generieren können. In vier von fünf Fällen handelt es sich dabei um Alleinverdienerhaushalte.
Zu geringes Einkommen in Einelternhaushalten
Kinder in Einelternhaushalten sind besonders häufig benachteiligt: Fast jedes siebte Kind in dieser Situation ist armutsbetroffen, jedes vierte Kind armutsgefährdet und jedes zweite Kind von mindestens einer materiellen Entbehrung betroffen. Zum Beispiel ist bei rund einem Drittel (32,6 %) dieser Kinder der Haushalt nicht in der Lage, abgenützte Möbel bei Bedarf zu ersetzen, und 7,8 Prozent verfügen zu Hause nicht über einen angemessenen Ort zur Erledigung der Schulaufgaben.
Kinder in Einelternhaushalten leben zudem besonders häufig in Wohnungen mit Feuchtigkeits-problemen (23,1 %), Strassen- oder Nachbarschaftslärm (22,6 %) sowie Kriminalität, Gewalt oder Vandalismus im Wohnumfeld (20,4 %).
Eltern stellen Bedürfnisse ihrer Kinder oft vor ihre eigenen
In vielen Haushalten, die mit materiellen Entbehrungen konfrontiert sind, stellen die Eltern die eigenen Bedürfnisse zugunsten der Kinder zurück. Dies kann dazu beitragen, die Ressourcen der Kinder zu stärken und negative Folgen der Armut abzumildern.
In über der Hälfte der Haushalte, die sich keine Ferien leisten können, haben die Kinder dennoch die Möglichkeit, eine Woche pro Jahr wegzufahren. Bei Haushalten, in denen mindestens ein Erwachsener aus finanziellen Gründen keine regelmässige Freizeitbeschäftigung ausüben kann, wird sogar rund drei Vierteln der Kinder eine kostenpflichtige Aktivität ermöglicht (z. B. Training in einem Sportverein oder Musikunterricht).
Schweiz bezüglich Armutsgefährdung in Europa privilegiert
Vergleicht man die Situation der Kinder in der Schweiz mit anderen europäischen Ländern, so zeigt sich ein recht positives Bild: Kinder sind in der Schweiz eher selten armutsgefährdet und auch ihre Wohnbedingungen sind vergleichsweise gut. Ähnlich gut oder etwas besser versorgt sind Kinder meist nur in den skandinavischen Ländern sowie den Niederlanden. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern Europas ist auch der Einfluss der sozialen Herkunft (Bildung und Nationalität der Eltern) auf die Armutsgefährdung in der Schweiz gering.
„Armut und materielle Entbehrung von Kindern“ – der Bericht
Armut im Kindesalter kann unmittelbare und langfristige negative Auswirkungen nach sich ziehen. Um dem mehrdimensionalen Charakter der Kinderarmut Rechnung zu tragen, werden im Bericht des BFS zwei einkommensbasierte Armutsindikatoren mit Angaben zur materiellen Ausstattung und den Wohnbedingungen kombiniert. Die Auswertungen basieren auf der Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen SILC 2014.
Artikel von: Bundesamt für Statistik
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