Kreuzlingen TG: Mammutprozess gegen Menschenhändler und Drogenschmuggler
Am Montag hat unter Polizeischutz der grösste Prozess in der Geschichte des Kantons Thurgau begonnen. 14 mutmassliche Mitglieder einer Bande von Menschenschmugglern und Drogenhändlern stehen vor Gericht. Im Zentrum steht ein Tötungsdelikt an einem IV-Rentner vor gut sechs Jahren.
Im Jahr 2000 fand man einen 53-jährigen IV-Rentner tot in seinem Einfamilienhaus in einem abgelegenen Weiler in Kümmertshausen. Er war durch eine brutale Knebelung ums Leben gekommen. Die Tat stellte die Ermittler zunächst vor Rätsel.
Spur führte zu türkisch-kurdischer Bande
Die Polizei stiess bei der Strafuntersuchung schliesslich auf eine kriminelle Organisation aus türkisch-kurdischen Kreisen. Laut Anklageschrift bestand deren Geschäft in Drogenhandel, Erpressungen und Menschenschmuggel.
Das getötete Opfer war durch einen Freund, einen Türken, in die Machenschaften der Bande verstrickt worden. Als dieser Freund in Griechenland beim Schmuggeln von Flüchtlingen erwischt wurde, forderte der IV-Rentner vom Bandenchef, dem Freund zu helfen. Als Gegenleistung versteckte der IV-Rentner für die Bande 2,5 Kilogramm Heroin in seinem Haus.
Da der Freund jedoch weiterhin im Gefängnis sass, drohte der IV-Rentner dem Chef der Bande Bandenchef mit der Polizei. Der heute 47-jährige Iraker, der als Haupttäter vor Gericht steht, soll daraufhin Mitglieder der Bande angewiesen haben, den „alten Mann“ zum Schweigen zu bringen und das Heroin zurückzuholen.
Am Abend des 20. November 2010 führten mehrere Beschuldigte diesen Auftrag aus. Zunächst wurde der Hund des IV-Rentners durch die Männer mit Tränengas ausser Gefecht gesetzt, dann das Opfer brutal erstickt.
Umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen
Der Mammut-Prozess gegen die 14 Angeklagten wurde generalstabsmässig geplant und dauert bis Ende November. Das Verfahren im Rathaus Kreuzlingen findet unter umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen statt. Alle Beteiligten, Medienvertreter und Besucher müssen zunächst durch eine Sicherheitsschleuse und werden auf Waffen kontrolliert, bevor sie in den Verhandlungssaal gehen dürfen.
Die Hauptangeklagten sitzen mit Fuss- und Handfesseln vor Schranken. Am ersten Verhandlungstag wurden prozessuale Vorfragen geklärt. Der erste von zwölf Verhandlungsblöcken beginnt Anfang März.
Den vier Hauptangeklagten drohen lange Freiheitsstrafen. Als Haupttäter gilt ein 47-jähriger Iraker. Er lebte als vorläufig aufgenommener Flüchtling in Bischofszell und sitzt seit zwei Jahren im vorzeitigen Strafvollzug. Die Anklage forderte für ihn eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren – wegen vorsätzlicher Tötung, Menschenhandel, Erpressung, Drogenhandels und weiterer Delikte. Ausserdem soll der Mann verwahrt werden.
Irakische Flüchtlinge nach Europa geschmuggelt
Wie aus der umfangreichen Anklageschrift hervorgeht, war der Iraker bereits mehrere Jahre in Haft, weil er Kopf einer Schlepperorganisation war, die irakische Flüchtlinge nach Europa schmuggelte. Bereits kurz nach seiner Haftentlassung 2009 habe der Iraker die Führungsrolle der Schlepperbande wieder aufgenommen.
Der Angeklagte habe unter dem Deckmantel eines Gebrauchtwagen-Exports durch Mittelsmänner Autos gekauft und diese nach Griechenland bringen lassen, um dort Flüchtlinge abzuholen. Auf diese Weise seien mindestens 300 Flüchtlinge, die meisten aus dem Irak, in die Schweiz, nach Dänemark, Schweden oder Norwegen geschmuggelt worden. Laut Anklageschrift sollt der Iraker pro Flüchtling mindestens 3000 Franken verdient haben.
Quelle: Übernommen von NZZ und bearbeitet von belmedia Redaktion
Artikelbild: sebra – shutterstock.com