Schlag gegen Callcenter-Betrüger - Festnahmen und Durchsuchungen in Deutschland und der Türkei

Bundesweit. Heute (12.02.20) ist es deutschen Ermittlungs- und Justizbehörden in enger Zusammenarbeit mit türkischen Sicherheitsbehörden gelungen, die Hintermänner einer großen Betrüger-Bande im Kontext sogenannter „falscher Polizeibeamte“ zu ermitteln und festzunehmen.

Darunter auch die mutmaßlichen Haupttäter des mehr als 70 Mitglieder starken und international agierenden kriminellen Netzwerkes.

Bei der Aktion haben Vertreter der türkischen Ermittlungsstellen den Einsatzmaßnahmen in Deutschland beigewohnt und ein deutscher Kriminalbeamter ist in die türkische Einsatzleitstelle entsandt worden, um die am Einsatztag gebotene enge Koordinierung und insgesamt vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gewährleisten und notfalls unaufschiebbare Anschlussmaßnahmen nach Entscheidung der Staatsanwaltschaft zu veranlassen. In einer konzertierten Polizei-Aktion vom heutigen Morgen gab es allein in Deutschland 19 Durchsuchungen von Wohnungen, Geschäftsräumen und Fahrzeugen – allesamt in Nordrhein-Westfalen (Köln, Bochum, Frechen, Münster, Datteln, Rheine, Olfen und Dortmund). Dabei konnten vier Personen (drei Männer und eine Frau) in Datteln und Rheine festgenommen werden. Zudem konnten vier hochwertige Fahrzeuge im Gesamtwert von ca. 185.000 Euro, u.a. ein Audi RS 8, sichergestellt werden. Außerdem wurden Bargeldbeträge im 5-stelligen Bereich, hochwertiger Schmuck, u.a. Uhren der Marken Rolex und Breitling, Munition 9 mm, ein Ausziehschlagstock und mehrere sogenannte „Grow-Zelte“ als Indoorplantage sichergestellt. Zeitgleich zu den Durchsuchungen in Deutschland gab es in den beiden türkischen Städten Antalya und Istanbul gleichgelagerte Aktionen türkischer Polizei-Behörden – in enger Abstimmung mit der Kriminalpolizei aus Osnabrück und Koblenz. Bei mehr als 20 Durchsuchungen in der Türkei konnten bislang 24 Personen festgenommen werden, darunter auch die/der mutmaßlichen Drahtzieher und Köpfe der Bande. Neben Wohnungen wurden die beiden Callcenter durchsucht und stillgelegt. Es wurden bei einem Haupttäter eine scharfe Schusswaffe und ca. 40.000 Euro Bargeld, sowie weitere Beweismittel sichergestellt. Die Polizei geht davon aus, dass die Vermögenswerte aus illegal erwirtschafteten Geldern aus Deutschland stammen und in die Türkei transferiert und umgesetzt wurden. Die Rekonstruktion der Geld- und Warenströme sowie die Auswertung der sichergestellten Beweismittel werden noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Zum jetzigen Zeitpunkt werden der Bande in zwei großen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Osnabrück und Koblenz wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges rund 100 Taten in 10 Bundesländern nach knapp einem Jahr intensiver Ermittlungen von Ermittlungsgruppen in Osnabrück und Koblenz zur Last gelegt. Schwerpunkte der Taten liegen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Die Ermittler fanden außerdem heraus, dass auch Taten in Schleswig-Holstein, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg auf das Konto dieser Bande gehen. Hierbei entstand bei den meist älteren Opfern ein Schaden von mehr als drei Millionen Euro. Darüber hinaus wurden zahlreiche ältere Menschen vor erheblich größeren Schäden in Millionen Höhe bewahrt. Diese Taten blieben im Versuchsstadium. Die Polizeidirektion Osnabrück und das Polizeipräsidium Koblenz konnten bereits 45 Tatverdächtige allein in Deutschland ermitteln. „Ein großer Schlag gegen das organisierte Verbrechen in Deutschland und der Türkei“, so Michael Maßmann, Präsident der Polizeidirektion Osnabrück. „Dank der guten Zusammenarbeit von deutschen und türkischen Sicherheitsbehörden konnten wir die kriminellen Strukturen und Netzwerke zerschlagen und auch die Hintermänner festnehmen. Ein großer Erfolg für unsere Sondereinheit „Zentrale Ermittlungsgruppe Phänomene“ und ein klares Signal an alle, die auf perfide Art und Weise versuchen, ältere Menschen um ihr Erspartes zu bringen. Wir lassen nicht locker“, so Maßmann weiter.


sichergestelltes Bargeld

sogenannte „Grow-Zelte“ als Indoorplantage

Die Auswirkungen der Taten auf die betroffenen älteren Menschen sind immens. Nicht nur, dass sie vielfach erhebliche Geldbeträge und Wertgegenstände verloren haben, waren die Menschen zudem durch die Anrufer oft über Tage hinweg fast rund um die Uhr unter Druck gesetzt und kontrolliert worden. Sie leiden deshalb oftmals unter Angstgefühlen oder anderen psychischen Folgen, so der Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück, Marco Ellermann. Auch mangelndes Vertrauen gegenüber Behörden und Amtsträgern entstehe durch solche Taten, so Ellermann weiter. Dabei gingen die Täter laut Ellermann immer gleich vor: In den teilweise mehrfachen und über Stunden oder Tage dauernden Telefonaten, bei denen auch psychisch auf die Opfer eingewirkt wurde, täuschten die Betrüger vor, das Ersparte der vermeintlichen Opfer sei durch bevorstehende Einbrüche oder untreue Mitarbeiter von Banken bedroht. Bei dieser seit mehreren Jahren bekannten Masche bringen die arbeitsteilig und konspirativ vorgehenden Bandenmitglieder vor allem ältere Menschen dazu, größere Beträge abzuheben und an der Haustür oder in der Nähe ihres Wohnorts vermeintlich verdeckten Ermittlern zu übergeben. Der Ursprung des heutigen Ermittlungserfolges begann im September 2018: Damals hatte der Sohn einer rund 80 Jahre alten Dame aus Osnabrück der Polizei in Osnabrück den Hinweis gegeben, dass seine Mutter Anrufe von falschen Polizisten erhalte. Es gelang der Polizei drei Personen binnen weniger Stunden nach dem Hinweis bei der Übergabe des Geldes festzunehmen. Anschließend führten umfangreiche Ermittlungen der Polizeiinspektion Osnabrück im Phänomenbereich „falsche Polizeibeamte“ zu zahlreichen Identifizierungen und Festnahmen von Beschuldigten. Sechs Personen konnten festgenommen und weitere sechs ermittelt werden. Ihnen werden mindestens 16 Taten mit einem Schaden von über 1,6 Millionen Euro vorgeworfen. Infolgedessen verurteilte in einem ersten Gerichtsverfahren das Landgericht Osnabrück im September 2019 einen einflussreichen „falschen Polizeibeamten“ zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Aufgrund der zahlreichen Erkenntnisse und gute Vorarbeit der Polizeiinspektion, nahm sich 2019 die Sondereinheit „Zentrale Ermittlungsgruppe Phänomene“ der Polizeidirektion Osnabrück des Themenkomplexes an, um auch die Hintermänner zu ermitteln. Dabei war die knapp ein Jahr andauernde, gute Zusammenarbeit mit den Behörden in Koblenz und insbesondere mit den türkischen Behörden von großer Bedeutung. Einer der Gründe, warum die erfolgreiche Kooperation mit der Türkei gelang, war die sofortige Beteiligung des Bundeskriminalamtes (BKA) mit seinem Verbindungsbüro in Istanbul. Der BKA-Verbindungsbeamte fungierte als zentraler und wichtiger Ansprechpartner vor Ort. Sein Einsatz stellte sich als wertvolles Bindeglied zwischen den türkischen und deutschen Sicherheitsbehörden heraus. Auch die Tatsache, dass in Osnabrück eine türkischstämmige Ermittlerin das Verfahren bei der dortigen Polizei begleitete, war hilfreich für die erfolgreiche Zusammenarbeit.

In der Polizeidirektion Osnabrück wurde aufgrund der nach den sehr guten Erfahrungen mit dem Einsatz einer grenzüberschreitenden Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen (2016-2019) im Oktober, eine dauerhafte Ermittlungsgruppe namens „Zentrale Ermittlungsgruppe Phänomene“ (ZEG Phänomene) ins Leben gerufen, um flexibel und dynamisch auf aktuelle Kriminalitätsphänomene im Bereich der Eigentumsdelikte reagieren und Schwerpunkte bilden zu können. Da auch die Staatsanwaltschaft Osnabrück 2019 eine entsprechende Schwerpunktstaatsanwaltschaft einrichtete, konnte die Ermittlungsintensität deutlich ausgeweitet werden. Bei der Auswahl der in Frage kommenden Schwerpunkte spielen Faktoren wie Bandenstruktur, Überregionalität, hohe Sozialschädlichkeit und Beeinträchtigung des Sicherheitsempfindens der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Deshalb befassen sich die Experten der „ZEG Phänomene“ seit geraumer Zeit auch mit Delikten zum Nachteil älterer Menschen, konkret mit dem Phänomen Betrugstaten durch „falsche Polizeibeamte“. Dabei stehen insbesondere organsierte Täterbanden, wie im aktuellen Fall, im Fokus.

Allein die Entwicklung der Fallzahlen in Niedersachsen macht das Problem der „falschen Polizeibeamten“ deutlich: Noch im Jahr 2013 gab es niedersachsenweit lediglich 49 Fälle mit einem Schaden von 35.000 Euro. 2018 waren es 4.235 Fälle mit einem Schaden von 4,7 Millionen Euro. Auch im abgelaufenen Jahr stiegen die Fallzahlen erneut an. Erfreulich: Immer mehr Taten scheitern und bleiben, nicht zuletzt auch aufgrund der verstärkten Präventionsarbeit und des medialen Interesses, im Versuchsstadium stecken. Die Polizei in Osnabrück und in ganz Niedersachsen hat mit intensiver Präventionsarbeit auf den starken Anstieg der Fallzahlen in den vergangenen Jahren reagiert. Neben Warnhinweisen in zielgruppengerechten Medien (wie zum Beispiel der „Apotheken-Umschau“) sind eine enge Zusammenarbeit mit den niedersächsischen Banken und gemeinsame Tagungen eingespielte Routine. In Osnabrück wurde jüngst sogar vom Präventionsteam ein Theaterstück mit professionellen Schauspielern entwickelt und geht in der Region auf Tour. Noch dazu startete das Landeskriminalamt Niedersachsen im März 2019 eine landesweite Präventions-Kampagne und verteilte Aufsteller, welche sich die Menschen neben das Telefon stellen können. So sollen möglichst viele potenzielle Opfer und ihr soziales Umfeld sensibilisiert und vor den Maschen der Telefonbetrüger gewarnt werden.

Um nicht Opfer dieser perfiden Betrugsmasche zu werden, gibt die Polizei folgende Hinweise: -Die Polizei ruft Sie niemals unter dem Polizeinotruf 110 an. -Lassen Sie sich am Telefon nicht unter Druck setzen. -Legen Sie den Hörer auf – so werden Sie Betrüger los. -Rufen Sie nicht auf den angezeigten Rufnummern zurück. Suchen Sie selbstständig im Telefonbuch die Rufnummer der örtlichen Polizei oder wählen Sie den Notruf 110. -Benutzen Sie nicht die Rückruftaste, da Sie sonst wieder bei den Tätern landen. -Werden Sie misstrauisch, wenn schnelle Entscheidungen, Kontaktaufnahme mit Fremden oder die Herausgabe von persönlichen Daten, Bargeld, Schmuck oder Wertgegenständen gefordert werden. -Sprechen Sie am Telefon nicht über Ihre finanziellen und/oder persönlichen Verhältnisse. -Wählen Sie die 110 und teilen Sie den Sachverhalt Ihrer Polizei mit. -Sollte ein angeblicher Polizist bei Ihnen an der Haustür klingeln, lassen Sie sich den Dienstausweis zeigen. Ein echter Polizist hat Verständnis dafür, dass Sie bei der örtlichen Polizeidienststelle telefonisch rückfragen. Suchen Sie die Rufnummer der Polizeidienststelle bitte selber im Telefonbuch und vertrauen Sie nicht einer Rufnummer, die Ihnen mündlich (z.B. an der Haustür) mitgeteilt wird.

 

Quelle: Polizeidirektion Osnabrück
Bildquelle: Polizeidirektion Osnabrück

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