Obergericht Kanton Bern: Nichteintreten auf Beschwerden in Sachen Post-Auto AG
Rückweisungsbeschlüsse erstinstanzlicher Gerichte im Sinn von Art. 329 StPO stellen verfahrensleitende Entscheide dar und sind der Beschwerde nur zugänglich, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur bewirken.
Einen solchen vermochten die Beschwerdeführenden nicht darzutun.
Am 18. Dezember 2020 wies das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern die Anklage des Bundesamts für Polizei fedpol in Sachen PostAuto AG wegen eines offensichtlichen und schweren Verfahrensmangels zurück. Begründet wurde dies damit, dass das Bundesamt für Polizei fedpol externe Personen mit der Verfahrensleitung beauftragt habe, ohne dass hierfür eine gesetzliche Grundlage bestanden habe. Die von diesen Verfahrensleitern selbst durchgeführten oder direkt angeordneten Verfahrenshandlungen seien daher als nichtig zu bezeichnen und aus den Akten zu entfernen.
Auf die gegen diesen Rückweisungsbeschluss vom Bundesamt für Polizei fedpol und von der Kantonalen Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte eingereichten Beschwerden tritt die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Bern nicht ein. Den Argumenten der Beschwerdeführenden, wonach es sich beim angefochtenen Beschluss um einen selbständigen Vor- oder Zwischenentscheid über die Zuständigkeit resp. um einen verfahrensabschliessenden Entscheid handle, kann die Beschwerdekammer nicht folgen. Weder hat das Wirtschaftsstrafgericht die Kantonale Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte zur zuständigen Behörde für die Untersuchung des Verwaltungsstrafverfahrens erklärt noch beendet sein Entscheid das Verwaltungsstrafverfahren.
Dass das Wirtschaftsstrafgericht die Rechtshängigkeit zurückübertragen hat und nun nicht mehr mit der Sache befasst ist, ändert nichts daran. Der angefochtene Beschluss zielt lediglich auf die Fortführung und den Ablauf des Verfahrens ab und ist daher als verfahrensleitender Entscheid zu qualifizieren, welcher der Beschwerde nur bei Vorliegen von nicht wieder gutzumachenden Nachteilen rechtlicher Natur zugänglich ist. Die Rückweisung an sich stellt keinen solchen Nachteil dar.
Sie mag zwar einen Mehraufwand bedeuten, was jedoch nicht von Relevanz ist. Eine unmittelbar drohende Verjährung, welche allenfalls ein Eintreten auf die Beschwerde rechtfertigen könnte, kann nicht ausgemacht werden. Aufgrund der Tatsache, dass für die weitere Untersuchung auf aus der bisherigen Untersuchung gewonnenes Wissen zurückgegriffen werden kann, darf davon ausgegangen werden, dass im Fall einer erneuten Anklageerhebung ein erstinstanzliches Urteil erwirkt werden kann, bevor erste Tatvorwürfe verjähren.
Weiter trifft nicht zu, dass durch die Nichtigerklärung diverser Verfahrenshandlungen resp. die Unverwertbarkeit der daraus resultierenden Beweise die Fortführung der Untersuchung verunmöglicht oder stark erschwert wird. Dem Bundesamt für Polizei fedpol stehen weitere Untersuchungshandlungen – wie die Wiederholung von Einvernahmen und die Beschlagnahme und Auswertung rechtmässig sichergestellter Unterlagen/Daten – offen.
Im Umstand, dass das Wirtschaftsstrafgericht keine Triage von verwertbaren und unverwertbaren Beweismitteln vorgenommen hat und die entsprechende Prüfung nun der zuständigen Untersuchungsbehörde obliegt, kann ebenfalls kein nicht wieder gutzumachender Nachteil er- blickt werden. Bestehende Unklarheiten können im weiteren Verlauf des Verfahrens geklärt werden. Die Frage der Zuständigkeit für die Fortführung der Untersuchung ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu klären. Ein ausnahmsweises Eintreten auf die Beschwerde rechtfertigt sich auch nicht mit Blick auf die dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegende Rechtsfrage der Verfahrensdelegation, welche zwar unbestrittenermassen für das Bundesamt für Polizei fedpol von grosser Bedeutung ist, jedoch auch noch zu einem späteren Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung zugeführt werden kann.
Der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern BK 20 565 vom 26. Mai 2021 wird heute ab 14.00 Uhr auf der Online-Plattform https://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/ abrufbar sein.
Quelle: Obergericht des Kantons Bern
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