Bundesrat befürwortet Ausdehnung des Vergewaltigungs-Tatbestands

Der Vergewaltigungs-Tatbestand im Strafgesetzbuch soll ausgedehnt werden. Der Bundesrat begrüsst in seiner Stellungnahme vom 13. April 2022 den entsprechenden Vorschlag der Rechtskommission des Ständerats (RK-S).

Neu soll wegen Vergewaltigung bestraft werden, wer gegen den Willen des Opfers handelt, auch wenn keine Nötigung des Opfers durch Gewalt oder Drohung vorliegt.

Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen der Vorlage zur Strafrahmenharmonisierung hat der Ständerat auf Antrag der Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und der RK-S im Sommer 2020 entschieden, die Vorlage zu teilen und die Bestimmungen zum Sexualstrafrecht separat zu behandeln. Der Nationalrat hat diesem Vorgehen zugestimmt.

Nein heisst Nein

Der Vorschlag der RK-S dehnt den Tatbestand der Vergewaltigung aus. Er erfasst neu alle Fälle, in denen ein Täter oder eine Täterin vorsätzlich gegen den Willen des Opfers handelt (Ablehnungslösung oder „Nein heisst Nein“). Künftig soll also eine Täterin oder ein Täter auch dann wegen Vergewaltigung bestraft werden können, wenn er oder sie das Opfer nicht nötigt, sei es durch Gewalt, Drohung oder psychischen Druck. Es genügt, dass der Täter oder die Täterin vorsätzlich den verbal oder nonverbal geäusserten Willen des Opfers missachtet. Künftig sollen auch männliche Opfer von diesem Tatbestand erfasst werden. Der Grundsatz Nein heisst Nein soll auch für den neuen Tatbestand des sexuellen Übergriffs und der sexuellen Nötigung gelten.

Die Zustimmungslösung („Nur Ja heisst Ja“) wurde von der Kommissionsmehrheit abgelehnt. In der Gesamtabstimmung hat die RK-S die Vorlage einstimmig gutgeheissen. Der Bundesrat begrüsst die von der RK-S vorgeschlagenen Verschärfungen des Sexualstrafrechts.

Das Sexualstrafrecht wird damit an die gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst. Insbesondere die Tatsache, dass eine Vergewaltigung gemäss Wortlaut des Gesetzes heute zwingend eine Nötigung des Opfers voraussetzt, stösst in der Gesellschaft auf breites Unverständnis.

Vertiefte Abklärungen zu Rachepornografie

In einem Punkt schliesst sich der Bundesrat der Minderheit der RK-S an: Er beantragt, im Rahmen dieser Revision des Sexualstrafrechts vorerst auf einen neuen Straftatbestand für sogenannte „Rachepornografie“ zu verzichten. Denn der vorgeschlagene Tatbestand weist seiner Ansicht nach erhebliche Unklarheiten auf. Weil aber Blossstellungen durch Weiterverbreitung intimer Aufnahmen ohne Zustimmung der darauf erkennbaren Person namentlich im Internet immer häufiger vorkommen, prüft der Bundesrat den diesbezüglichen Handlungsbedarf im Rahmen laufender Arbeiten zum „Cybermobbing“ gegenwärtig vertieft. Er wird dazu voraussichtlich im Sommer dieses Jahres einen entsprechenden Postulatsbericht (21.3969) verabschieden.

 

Quelle: Der Bundesrat
Titelbild: Symbolbild © aldorado – shutterstock.com

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