Aus der Wetterküche

Heute empfahl die Wetterköchin Schauer und Gewitter.

Doch je nachdem, wo in der Schweiz Sie am Tisch sassen, gab es das Menu zu unterschiedlichen Zeiten, oder Sie mussten sich mit ein paar Tropfen begnügen.

Menükarte oder Wetterkarte

Das Wetter wurde heute auf flachem (Druck)Papier geschrieben: Die Bodendruckverteilung war flach und eine Luftmassengrenze befand sich nördlich der Schweiz. Die Vorgänge in der Höhe bestimmten heute, was in der Wetterküche gekocht wurde: In einer mässigen südwestlichen Höhenströmung wurde feuchte und instabil geschichtete Luft zum Alpenraum geführt.


Ausschnitt der Bodenanalyse des Deutschen Wetterdienstes, und Temperatur und Höhe des 500 hPa-Niveaus. Grün markiert ist der kleine Höhentrog.

Das Rezept

In diesem Blog aus dem Mai wurde das Rezept für Gewitter erklärt. Die Zutaten sind Feuchtigkeit, Labilität und ein Trigger. Allenfalls wird noch Windscherung hinzugefügt, was eine spezielle Würze erzielt. Und was hatte heute die Wetterköchin zur Verfügung?

An Feuchtigkeit hat’s nicht gefehlt, besonders auf der Alpensüdseite. Dies ist zum Beispiel am niederschlagbaren Wasser zu sehen, im Bild unten dargestellt. Das ist die Menge an Wasser, welche in der Luftsäule über einem Punkt vorhanden ist. Im Flachland der Alpennordseite lagen die Werte bei feuchten 25-35 mm. Auf der Alpensüdseite gab es 20-40 mm niederschlagbares Wasser, dies ist mehr als genug, um ein Gewitter zu kochen.


Niederschlagbares Wasser prognostiziert vom Europäischen Modell für heute 14 Uhr.

Die Zutat Labilität war örtlich verschieden vorhanden. Das Angebot kann auf verschiedene Weise beurteilt werden. Ein Mass für die Labilität ist CAPE (convective available potential energy, konvektiv verfügbare Energie). CAPE ist die Energiemenge, welche für die Konvektion (vertikale Luftbewegung) zur Verfügung steht. Die Werte für heute Nachmittag lagen im Bereich von 800 bis 1500 J/kg, was als mässig viel einzustufen ist. Dadurch ist das Kochen von Schauern, allenfalls auch Gewittern möglich.


Morgenstimmung in Bern: Die auftürmenden Wolken zeigen die Labilität in mittlerer Höhe. Quelle: Meteomeldungen/App

Allerdings kommt CAPE immer zusammen mit CIN (convective inhibition, Konvektionshemmung). Nur wenn genug CIN „abgeschält“ werden kann, gibt es eine feine Mahlzeit. CIN beschreibt die Stärke der Barriere, welche die Auslösung der Konvektion verhindert. Je grösser der CIN-Wert, desto schwieriger ist es, dass sich Schauer oder Gewitter bilden. Heute waren die unteren Luftschichten stabil geschichtet. Die Werte von CIN lagen im hohen Bereich, um die 150 J/kg. Somit war das Gewitterkochen mit Schwierigkeiten verbunden.


Vorhersage-Sondierung für 12 Uhr in Zürich: CAPE ist die rote Fläche, CIN die grüne, weitere Erklärungen im Text. Die durchgezogene Linie ist die Temperatur, die gestrichelte der Taupunkt, HKN bedeute „Höhe des Kondensationsniveaus“.

Die dritte essenzielle Zutat ist der Trigger, also etwas, was die Hebung auslöst. Da ist der Köchin viel Freiheit gegeben, denn diverse Vorgänge können als Trigger dienen: Hebung an der Topographie, an Fronten, durch Konvergenz, dynamische Hebung oder einfach Erwärmung durch die Sonneneinstrahlung. Heute wurden vor allem die Hebung an der Topographie und die dynamische Hebung zum Kochtopf hinzugegeben. Letzteres wurde in diesem Blog erklärt. Heute zog ein kleiner Trog in der Höhe am Nachmittag über die Schweiz, und diente als entscheidende Zutat für den Kochvorgang.


Hier haben die Zutaten gut zusammengepasst: Schauer über dem Jura, gesehen von der Webcam auf dem Chasseral um 11 Uhr. Quelle: chasseral.roundshot.com

Doch schon am Vormittag wurde gekocht, besonders im Tessin. Dort wurde durch die süd- bis südwestliche Anströmung die Luft an den Alpen zum Aufsteigen gezwungen.


Dunkler Himmel heute Morgen über Camorino. Quelle: Meteomeldungen/App

Die servierte Mahlzeit

Im Tessin wurde heute grosszügig aufgetischt, die ersten Schauer gab bereits am früheren Morgen und bis am Mittag waren diese verbreitet vorhanden. Besonders im Mittel- und Südtessin waren zeitweise auch Gewitter eingelagert. Am Nachmittag beruhigte sich die Situation auf nur noch gelegentliche Zubereitung von Schauern. Insgesamt kamen bis Redaktionsschluss um 17 Uhr verbreitet 15-20 mm zusammen, im Mittel- und Teilen des Südtessins 20 bis 30  mm und lokal bis 75 mm. Die Schauer zogen ab Mittag mit der Südwestlichen Höhenströmung in die Alpen hinein.

In der Westschweiz wurden Schauer zum Zmittag serviert, im Jura gab es auch einzelne Gewitter. Die Küche wurde da Mitte Vormittag geöffnet und Anfang Nachmittag wieder geschlossen, es gab nur noch ein paar kleine Dessert-Schauer. Ab Mitte Nachmittag kam dann im Westen wieder die Sonne hervor.

Auf der östlichen Alpennordseite war der Tag zunächst recht sonnig, ab dem Mittag kam die Vorspeise in Form von mittelhohen bis hohen Wolken und am Nachmittag mit dem Durchgang des Höhentroges wurden auch die Schauer über die Alpennordseite serviert. In den Voralpen reichte es auch für ein paar Blitze. Bis Redaktionsschluss um 17 Uhr haben sich die Gewitter nach Deutschland verabschiedet und auch die Schauer lassen aus Westen nach. Die Köchin gibt jetzt den Löffel (an die Spätschicht) ab 😉



 

Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz
Titelbild: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz

Für Neuenburg

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