Kanton Zürich: Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
Am Gemeindeforum haben gestern rund 200 Menschen mit und ohne Behinderung über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in den Zürcher Gemeinden diskutiert.
Klar wurde dabei: Es gibt noch viel zu tun. Doch ein gemeinsames Anpacken lohnt sich.
Menschen mit Behinderung sollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können und die gleichen Rechte wie alle geniessen. Doch in der Realität begegnen sie immer noch zahlreichen Hindernissen, die ihnen dabei im Weg stehen. Dabei hat sich die Schweiz vor bald zehn Jahren mit dem Beitritt zur UN-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) verpflichtet, solche Hindernisse zu beseitigen. Auf allen Staatsebenen.
„Ich stelle es ganz schnörkellos dar: Wir sind noch lange nicht am Ziel!“, sagte Regierungsrätin Jacqueline Fehr. Sie hat deshalb Vertreterinnen und Vertreter der Zürcher Gemeinden und der kantonalen Verwaltung ins Hallenstadion eingeladen, um gemeinsam mit Betroffenen nach Lösungen zu suchen. Denn: „Für Menschen mit Behinderung darf es keine Rolle spielen, in welcher Gemeinde oder in welchem Kanton sie zuhause sind.“ Kanton und Gemeinden seien in einer Bringschuld, so Fehr. „Wir müssen liefern.“
Wichtig sei dabei, Menschen mit Behinderung bei der Lösungssuche konsequent einzubeziehen, ermahnte Saphir Ben Dakon vom Verband AGILE.CH das Publikum. Und sie nicht nur als Kostenfaktor zu sehen: Denn dann würden die günstigsten und nicht die inklusivsten Lösungen gesucht. „Unter Umständen wird durch die „Lösung“ ein Hindernis weder behoben noch verschoben.“
Die Juristin und Mitte-Politikerin Manuela Leemann hat selbst häufig mit fehlender Barrierefreiheit zu kämpfen. Sie räumte ein, dass die nötigen Massnahmen gerade den Gemeinden viel abverlangen. Doch: „Mit zwei eigentlich einfachen Massnahmen – der Bewusstseinsbildung und entsprechenden Mechanismen – könnte eigentlich schon viel erreicht werden.“ Sie erinnerte daran, dass es sich bei der UNO-BRK „nicht um irgendwelche Empfehlungen“ handelt, sondern um „einen rechtsgültigen Erlass, dem auch die Gemeinden unterstehen“.
Auf Partizipation setzt die kantonale Koordinationsstelle Behindertenrechte. Ihr Leiter Bernhard Krauss erklärte: „Niemand kann die UNO-BRK alleine umsetzen. Es braucht ein Netzwerk innerhalb der Verwaltung und es braucht den Einbezug der Betroffenen.“ Nur so könne das Knowhow entstehen, das für eine Umsetzung nötig ist. Die Koordinationsstelle selbst arbeitet dabei mit der Behindertenkonferenz Kanton Zürich (BKZ) zusammen – auch bei der Angebotspalette, die sie speziell für die Unterstützung der Gemeinden bei der Umsetzung entwickelt hat. „Nur nichts tun ist falsch. Die Energie ist da. Nutzen wir sie gemeinsam“, rief Andrea Lübberstedt, Amtschefin des Kantonalen Sozialamts, das Publikum auf.
Beispiele dieser Energie lieferten die Gemeinden dann gleich selbst. So machte etwa die Stadt Bülach in den letzten 20 Jahren gute Erfahrungen mit dem partizipativen Ansatz. In der „Arbeitsgruppe Stadt ohne Hindernisse“ sind laut Nadine Perego, Leiterin Gesellschaft und Gesundheit, „viele gute und wichtige Inputs zutage gekommen, welche ermöglichen, dass ein Projekt von Anfang an bedürfnisgerecht geplant wird“. Laut Yvonne Bürgin, Gemeindepräsidentin von Rüti, ist die Sensibilisierung der Mitarbeitenden eine Grundvoraussetzung für die Umsetzung. „Wenn die Behörde und die Verwaltung mitziehen, dann kann durchaus etwas bewegt werden“, so Bürgin. Der Winterthurer Stadtpräsident Michael Künzle berichtete von den zahlreichen Anpassungen für einen hindernisfreien öffentlichen Verkehr: „Wir zeigen damit, dass wir eine Stadt sein wollen, in der es für alle sicher ist und wo sich alle selbstständig fortbewegen können.“
Matyas Sagi Kiss und Urs Lüscher von der Behindertenkonferenz Kanton Zürich erklärten dem Publikum, wo sie den dringlichsten Handlungsbedarf auf Gemeindeebene sehen: Bei den politischen Rechten, beim öffentlichen Verkehr und öffentlichen Raum, und bei der Kommunikation. Sie legten dar, wie etwa die Gestaltung von Wahlzetteln, die Organisation von Gemeindeversammlungen, das Fehlen von taktiler Signaletik, unausfüllbare Online-Formulare oder auf dem Trottoir stehende Scooter und Grünkübel Menschen mit Behinderung tagtäglich im Weg stehen.
Das Programm des Gemeindeforums 2023 ist partizipativ entstanden: Die Organisatorin, das Gemeindeamt des Kantons Zürich, hat dafür eng mit der Behindertenkonferenz Kanton Zürich und der Koordinationsstelle Behindertenrechte des kantonalen Sozialamts zusammengearbeitet. Es hat dabei zum Beispiel auf eine möglichst konsequente Umsetzung des Zwei-Sinnes-Prinzips geachtet – Gesprochenes wird visualisiert, Visuelles wird ausgesprochen. Dies auch mit dem Ziel, dem Publikum aufzuzeigen, was bei der Organisation von hindernisfreien Veranstaltungen beachtet werden sollte.
Quelle: Kanton Zürich
Bildquelle: Kanton Zürich / Samuel Schalch