Einige Kantone registrieren überdurchschnittlich viele arbeitslose Ausländer
von Olaf Hoffmann
Der Volksentscheid über Veränderungen in der Personenfreizügigkeit ist längst vorbei. Und dennoch will weder in der Schweiz noch in der Europäischen Union die Ruhe einkehren, die es braucht, um vernünftige Entscheidungen nach dem Plebiszit anzustossen.
Während der Bundespräsident Didier Burkhalter in Berlin und Paris betont, dass sich die Schweizer Demokratie als direkte Demokratie am Willen der Bevölkerung zu orientieren hat, schlagen die Wellen über den souveränen, wenn auch knappen Volksentscheid immer noch hoch.
Öl ins Feuer derer, die mehrheitlich für eine Begrenzung de Masseneinwanderung gestimmt haben, giessen Berichte, nach denen in einigen Kantonen der Schweiz die Arbeitslosigkeit bei Ausländern deutlich höher liegt, als die der Schweizer selbst.
Im Wallis über 14 Prozent arbeitslose Ausländer
Es sind vor allem die ausländischen Beschäftigten in der Bauwirtschaft, die jetzt im Winter die Arbeitslosenquote nach oben treiben. Der saisonale Mangel an Beschäftigung treibt ausländische Bauarbeiter zuhauf in die Arbeitslosenkassen und belastet damit die Schweizer Sozialsysteme. Die hohen Schwankungen zwischen Sommer und Winter sind in der Bauwirtschaft schon seit Jahren zu beobachten. Nicht nur im Wallis, auch in Graubünden oder anderen Kantonen. Im Wallis sind diese Schwankungen jedoch besonders heftig. Derzeit liegt die Arbeitslosenquote bei den Ausländern im Wallis bei 14,2 Prozent und damit deutlich über dem Durchschnitt der Schweizer Gesamtbevölkerung. Dass hier sicherlich auch ein Grund für eine veränderte Haltung zur Personenfreizügigkeit in der Schweiz gesucht werden könnte, liegt nahe.
Selbst wenn in der kommenden Bausaison diese Zahlen wieder sinken, bleibt der Anteil arbeitsloser Ausländer an der Gesamtarbeitslosenzahl gewohnt hoch. Das ist durchaus auch ein Indiz dafür, dass viele, wenn auch nicht alle, Ausländer nicht wegen sicherer Arbeitsplätze in die Schweiz gekommen sind. Unterstellt werden soll hier nicht, dass es sich dabei um Sozialschmarotzer handelt. Viel mehr muss überlegt werden, was die Schweiz für viele Ausländer besonders aus Ost- und Südosteuropa so scheinbar attraktiv macht. Nicht zu vernachlässigen ist auch das Faktum, dass viele Zugezogene einen relativ sicheren Arbeitsplatz besetzen, die nachkommenden Familienmitglieder jedoch nicht über ausreichend Chancen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt verfügen.
Im Schluss führt diese Entwicklung zu solchen statistischen Werten, wie sie jetzt aus dem Wallis, aber auch aus anderen Kantonen bekannt geworden sind. Die Schweiz ist nun einmal kein Arbeitsplatzparadies mit Beschäftigungsgarantie und Wohlstand für alle. Auch in der Schweiz muss für ein gutes Leben hart und möglichst unterbrechungsfrei gearbeitet werden. Diese Botschaft lohnt sich, an die zuzugswilligen Ausländer weitervermittelt zu werden.
Arbeitslosigkeit mit System
Hinter der Nachricht der überdurchschnittlich hohen Anzahl arbeitsloser Ausländer lässt sich ein systematischer Denkfehler erkennen. Ein grosser Teil der in der Schweiz arbeitsuchenden Ausländer spricht weder ausreichend gut die Sprachen des Landes, noch sind die vorliegenden Qualifikationen ausreichend für stabile Beschäftigungsverhältnisse in der Schweizer Wirtschaft. Abgesehen von den wenigen hochqualifizierten Fachkräften sind es meist einfache Facharbeiter und Ungelernte, die in der Schweiz ein neues Zuhause und neue Beschäftigungschancen suchen. Da wäre es letztlich sinnvoller, im eigenen Land dafür zu sorgen, dass dort ausreichend Arbeit und damit auch ausreichend Beschäftigung angeboten werden kann.
Die Schweiz hat sich als Inselstaat inmitten der Europäischen Union liberal vielen Freizügigkeitsregelungen angeschlossen. Nicht zuletzt, weil es sicher auch in der Schweiz ausreichend Arbeit für qualifizierte Fachkräfte gibt. Die Betonung liegt hier allerdings auf der Qualifikation. Wenngleich in der Bauwirtschaft auch viele ungelernte und durchschnittlich qualifizierte Arbeitnehmer einen Job finden, läuft dieser meist nur auf Zeit. Früher sorgte das Saisonnier-Statut für die winterliche Ruhe in den regionalen Arbeitsvermittlungen.
Die ausländischen Arbeiter, die im Winter nicht gebraucht waren, wurden kurzerhand zurück in ihre Heimat geschickt und konnten dort quasi überwintern, ohne die Schweizer Sozialkassen zu belasten. Das wird heute nur noch selten praktiziert. Schon deshalb nicht, weil viele der Saisonarbeitskräfte jetzt schon den Arbeitsvertrag für das kommende Frühjahr in der Tasche haben. Dann nämlich werden sie wieder gebraucht und müssen dann nicht erst neu angeheuert werden. Dieses System entbehrt zwar nicht einer gewissen Logik, schafft aber gerade in der kalten Jahreszeit ausreichend Grund für Unruhe in der Schweizer Gesellschaft.
Arbeitslosigkeit mit System ist nun einmal nichts, wessen man sich rühmen könnte, aber durchaus auch ein bequemer Weg. Die starken saisonalen Schwankungen in der Arbeitslosigkeit bei Ausländern betreffen nicht nur das Wallis. Wie schon erwähnt, können auch die regionalen Arbeitsvermittlungen in Graubünden und anderswo das eine oder andere Lied davon singen.
Aber es tut sich auch noch eine neue Chance für die im Winter arbeitslosen Bauleute auf. Die könnten ja beispielsweise im Wintertourismus als ungelerntes Servicepersonal beschäftigt werden. Freilich macht das keinen Spass und ist weniger bequem als neun Monate auf dem Bau zu schuften und dann drei Monate auf Kosten der Sozialwerke zu urlauben. Eine Möglichkeit wäre eine solche saisonale Mehrfachbeschäftigung dann aber doch. Zumal dann auch weniger zusätzliche Servicekräfte für die Wintersaison aus dem Ausland gebräucht würden, was durchaus einiges einfacher macht. Vorausgesetzt die Saison-Bauarbeiter aus Ost- und Südosteuropa verstehen die Sprache, weil sie sonst als Servicepersonal in den Touristenhochburgen dann wieder eher schlecht platziert wären. Es gibt also einiges zu tun, um die saisonalen Schwankungen bei den ohnehin überdurchschnittlich oft arbeitslosen Ausländern weiter zu entschärfen.
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