Mobbing von ganz oben: Bossing

Längst ist der Begriff Mobbing und seine Bedeutung in der modernen Berufswelt angekommen. Doch die Steigerung dieser bereits mehr als unangenehmen Situation am Arbeitsplatz stellt das Bossing dar. Es bedeutet, dass Arbeitnehmer vom Chef oder der Personalleitung gemobbt werden – wohl die schlimmste Form, wie ein Arbeitnehmer drangsaliert werden kann.

Ungerechtigkeiten und Schikanen sind erst der Anfang

In den meisten Fällen geht Mobbing von Kollegen aus – ein Umstand, der von der Firmenleitung durchaus gebilligt oder zumindest geduldet werden kann. Im Unterschied dazu beruht Bossing darauf, dass der Chef oder auch die Personalleitung das Ziel verfolgt, einen unerwünschten Mitarbeiter systematisch aus dem Unternehmen zu drängen. Bossing wird als Mittel eingesetzt, um einen Arbeitnehmer in die soziale Isolation zu treiben und systematisch einzuschüchtern. Gerade dann, wenn dieser einen speziellen Kündigungsschutz hat oder aus anderen Gründen nur schwer entlassen werden kann. Die psychisch zermürbende Taktik des Bossings führt häufig zum Erfolg, indem der Betroffene von sich aus kündigt.

Gehäufte Signale richtig deuten

Meist dauert es einige Zeit, bis der betroffene Arbeitnehmer begreift, dass die Ungerechtigkeiten und Schikanen, die er durch seinen Chef erfährt, System haben und dazu führen sollen, dass er das Unternehmen „freiwillig“ verlässt. Zu Beginn des Bossings fallen – meist in Gegenwart der Kollegen – negative oder sogar beleidigende Kommentare. Dann werden nach und nach die wichtigen Kompetenzen und Aufgabenverteilungen entzogen. Ziel ist es, dass der betroffene Mitarbeiter sich nicht mehr profilieren kann und über kurz oder lang sein Vertrauen in die eigene Arbeit verliert. Schliesslich wird er nur noch mit Hilfsarbeiten beauftragt und letztendlich gar nicht mehr in den Arbeitsprozess einbezogen. Eine für den Betroffenen unerträgliche Belastung – doch da ihm bewusst ist, dass sein Erscheinen im Unternehmen arbeitsrechtlich relevant ist und er Arbeitswillen zeigen muss, kann er sich dieser Situation nicht entziehen. So ist der Gemobbte dann zwar anwesend, aber fristet seine Arbeitszeit oft abgeschieden vom regen Geschehen in einem kleinen Büro. Dabei hat er oft nicht einmal mehr einen PC oder ein Telefon zur Verfügung.

Je nach Branche und Unternehmen können die einzelnen Methoden des Bossings variieren, doch die Absicht dahinter ist identisch: Der Arbeitnehmer soll über kurz oder lang aus der Firma getrieben werden, am besten dadurch, indem er freiwillig kündigt. Das Perfide daran ist, dass das Bossing nicht darauf beruht, dass die Leistungen des Arbeitnehmers nicht den Anforderungen entsprächen und unzureichend wären. Ursache des Bossings sind meist persönliche Animositäten, die so ausagiert werden, dass angebliche Fehler gesucht und angekreidet werden, was schlussendlich dazu führt, dass dem Arbeitnehmer völlig ungerechtfertigt eine Unfähigkeit für seinen Job attestiert wird.


Wer Bossing ausgesetzt ist, sollte sich überlegen, welchen Stellenwert der Job für ihn hat. (Bild: Dmytro Zinkevych / Shutterstock.com)
Wer Bossing ausgesetzt ist, sollte sich überlegen, welchen Stellenwert der Job für ihn hat. (Bild: Dmytro Zinkevych / Shutterstock.com)


Seelische Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen

Wer den Schikanen von Bossing zum Opfer fällt, sollte die seelischen Folgen nicht unterschätzen. Auf Verbündete im Kollegenkreis kann er kaum hoffen, denn wenige werden dazu bereit sein, selbst beim Chef in Ungnade zu fallen und damit ihren eigenen Job zu riskieren. Deshalb ist die moralische Unterstützung durch den Partner bzw. die Familie besonders wichtig, um nicht allein gegen das Bossing anzutreten. Bossingopfer sehen sich oft recht schnell mit permanenter Rechtfertigung und mit Beschwerdemassnahmen konfrontiert. Die Richtigstellungen kosten wertvolle Zeit, aber sie tragen selten dazu bei, dass die Verschwörungen tatsächlich offengelegt und aufgelöst werden.

Da das Klima oft dermassen beeinträchtigt ist, kommt eine Versöhnung meist auch nicht mehr zustande. Für das Opfer ist es in jedem Fall wichtig, sich gegen Anfeindungen und Schikanen zu schützen. Denn der Beruf und die Karriere stellen ein wichtiges Lebensumfeld dar, aus dem sich niemand gerne und einfach vertreiben lässt – unabhängig davon, ob der Betroffene am Anfang oder Ende seiner beruflichen Karriere steht. Um sich vor Bossing und dessen Konsequenzen rechtzeitig zu schützen, sollte sich der Betroffene bereits nach dem Realisieren der ersten Anzeichen breit aufstellen. Hierbei kann der Kontakt zu objektiven Beratern ebenso Sinn machen wie das Gespräch mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Der drohende Jobverlust kann Existenzängste auslösen. Eine Beratung zum Thema Kündigungsschutz und das Durchleuchten der finanziellen Konsequenzen können diese Ängste mindern. Doch letztendlich bleibt es eine freiwillige Entscheidung, wie man mit Bossing tatsächlich umgeht. Für den einen kann die Kapitulation ein richtiger Befreiungsschlag sein, während der andere sie als Schmach empfindet. Doch der Betroffene kann auch in die Offensive gehen. Dies erfordert jedoch starke Nerven, Durchhaltevermögen und möglichst ein starkes Team im Rücken, das moralischen und seelischen Beistand leistet.

Beim Umgang mit Bossing kann es ein durchaus sinnvoller Ansatz sein, sich an die unternehmensinterne Öffentlichkeit zu wenden. Hierzu ist eine Betriebs- oder Mitarbeiterversammlung beispielsweise sehr gut geeignet. Denn möglicherweise sitzt der Auslöser des Bossings gar nicht so sicher auf seinem Stuhl und sollte sich selbst nichts zuschulden kommen lassen.

 

Oberstes Bild: © Jirsak – Shutterstock.com

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