Das Blackphone im Dauertest, Teil 2: Privacy-Könner mit wenigen Schwächen

Ich habe das Blackphone mittlerweile über 6 Monate im Alltag getestet. Das sollte meinen Eindrücken eine gewisse Aussagekraft verleihen. Insgesamt überrascht es mit unerwarteten Stärken, aber auch einigen Schwächen in seinen Kernbereichen.

Eines gleich vorweg: Wer auf der Suche ist nach Benchmark-Tests und Akkulaufzeiten unter Laborbedingungen, wird hier enttäuscht werden. Doch um höchste Prozessorperformance geht es Blackphone-Interessierten ja meist sowieso nicht. Wer über 600 Franken für ein Mittelklasse-Phone ausgibt, tut dies aus anderen Gründen.

Verarbeitung und Design

Noch vor dem ersten Anschalten die erste positive Überraschung: Das Blackphone sieht richtig cool aus. Dabei ist das Design gar nicht das Hauptargument für so ein Privacy-Phone. Da ist den Designern bei Geeksphone ein grosser Wurf gelungen. Geeksphone? Das ist die spanische Smartphone-Firma, die die Hardware für das Blackphone liefert. Jedenfalls hält der Name, was er verspricht. Das Gerät ist komplett schwarz, lediglich hinten ziert das Blackphone-Logo die Abdeckung. Assoziationen mit schwarzen Anzügen und Sonnenbrillen werden wach. Spontan könnte ich mir das Blackphone sehr gut in der Hand von James Bond vorstellen.


Einziger Schmuck: das Blackphone-Logo. Und Fingerabdrücke. (Bild: © Alin Cucu)

Das Blackphone liegt sehr gut in der Hand, bedingt durch die abgerundeten Seiten und die griffige Rückabdeckung. Mit 8,38 mm Höhe fällt es recht flach aus. Die Verarbeitung macht einen hochwertigen Eindruck, nichts wackelt oder knarzt. In dieser Disziplin lässt es z.B. mein altes Samsung Galaxy Note um Längen hinter sich. An ein iPhone kommt das Blackphone vom Gesamteindruck her trotzdem nicht heran. Dadurch, dass nur Plastik verbaut wird, liegt es nicht so satt in der Hand, ist dafür mit 119 g relativ leicht. Auch hat die mattierte Rückabdeckung, die viel zum edlen Gesamtbild des Blackphones beiträgt, einen Nachteil: Fettfinger hinterlassen darauf sofort ihre Spuren.

Fazit: Insgesamt laufen Verarbeitung und Design beim Blackphone klar auf einen Pluspunkt hinaus.

Display

Aber nun zu den inneren Werten. Das erste, was nach dem Einschalten auffällt, ist natürlich die Bildschirmqualität. Und hier spielt das Blackphone meiner Ansicht nach auf höchstem Niveau mit. Zunächst einmal zur Grösse. Die beträgt 4,7 Zoll, was ich für den perfekten Kompromiss aus Handlichkeit, Bedienbarkeit und optischer Wirksamkeit halte. Das Phone ist dabei stärker in die Länge gestreckt als es die Produktbilder auf der Blackphone-Homepage suggerieren. Die Fläche ist dabei ausreichend, um Webseiten sogar im Hochformatmodus noch lesen zu können. Klar, ein iPhone 6 Plus oder ein Samsung Galaxy Note 4 bieten da mehr, haben dafür aber auch schon fast Tablet-Grösse und sind definitiv nicht mehr mit einer Hand zu bedienen.

Qualitativ gibt es am Display nichts zu meckern. Das Bild auf dem HD-IPS-Screen ist gestochen scharf. Noch wohler fühlen sich meine Augen nur bei einem Retina-Display von Apple. Dabei beträgt die Auflösung des Blackphone-Displays “nur” HD 720. Hieran sieht man aber wieder einmal, dass letztlich nur der Live-Eindruck zählt und nicht die nackten Zahlen.

Fazit: Die Blackphone-Entwickler haben ihre Hausaufgaben gemacht.


Die Auflösung des Blackphone-Displays lässt keine Wünsche offen. (Bild: © Alin Cucu)

Ausstattung und Leistung

Angetrieben wird das Blackphone von einem Quad-core 2-GHz-Prozessor mit 1 GB RAM. Während die Prozessorwerte noch obere Mittelklasse sind, berauscht der Arbeitsspeicher nominell nicht. Nur 1 GB RAM? Angekündigt waren noch im Frühling 2 GB. Der Hersteller berichtete hierzu, man habe keine 2 GB-RAM-Bausteine von Herstellern beziehen können, bei denen wirklich zweifelsfrei ein geheimdienstliches Hintertürchen ausgeschlossen werden konnte. Ein glaubwürdiger Schachzug, denn hier kommen wir zur eigentlichen Existenzberechtigung des Blackphones. Und die liegt nicht allein in der mitgelieferten Verschlüsselungssoftware (siehe unten), da man diese auch mit jedem anderen Smartphone nutzen kann. Nein, das Besondere am Blackphone ist, dass seine Entwickler dafür einstehen, schon bei der Hardware-Wahl jede Hintertür auszuschliessen. Denn selbst wenn die Software verschlüsselt arbeitet, könnten Eindringlinge sich über eine eingebaute Hardware-Schwachstelle Zugang verschaffen.

Geschwindigkeit und Stabilität des Blackphone gehen jedoch in Ordnung, die diversen Updates (fünf an der Zahl seit Markteinführung) haben hier sogar für eine Verbesserung gesorgt. Lediglich beim Kippen des Telefons dauert das Umschalten zwischen Hoch- und Querformat zuweilen etwas lang. Ansonsten kann man bei den Features nicht meckern. Das Gerät ist LTE-fähig, bis 100 MBit/s sind derzeit möglich. An Bord ist des Weiteren eine 8 MP-Kamera, eine 5 MP-Frontkamera und ein Micro-SD-Fach.

[vc_message color=“alert-success“ style=“rounded“]Die Stärken des Blackhphone auf einen Blick

  • Liegt gut in der Hand, leicht
  • Gestochen scharfes Display
  • Umfangreiches Security-Software-Bundle

[/vc_message][vc_message color=“alert-danger“ style=“rounded“]Die Schwächen des Blackphone auf einen Blick

  • Rückenabdeckung empfindlich für Fingerabdrücke
  • Arbeitsgeschwindigkeit nicht immer top
  • Probleme mit Silent Phone

[/vc_message]

Natürlich würde da noch mehr gehen. Aber das Credo des Blackphone ist ja Datenschutz – und der könnte durch Technologien wie NFC oder den Fingerabdruckscanner von Apple leicht in Gefahr geraten. Also lieber Finger weg von solchen Gimmicks und aufs Wesentliche konzentrieren, dachten sich wohl die BP-Entwickler. Ich kann das voll nachvollziehen und muss gestehen: Mehr brauche ich gar nicht, obwohl ich in der digitalen Welt zuhause bin.

Fazit: Ohne High-end zu sein, hat das Blackphone eine vernünftige Hardware-Ausstattung, mit der man im Alltag gut klarkommt. Die Updates haben zusätzlich zur Schnelligkeit und Stabilität beigetragen.

Software

Viel wichtiger als die schiere Hardwareleistung ist beim Blackphone die Software, die ja den Preis nach oben treibt. Das Betriebssystem ist PrivatOS, eine abgespeckte Version von Android, die ganz ohne Google-Apps auskommt. Ich habe nur Maps kurzzeitig vermisst – kurzzeitig, bis zur Feststellung, dass es zur Not auch die Webversion tut. Die ich bisher kein einziges Mal verwendet habe. Denn im Auto nutze ich das eingebaute Navi, und in fremden Städten entdeckt man plötzlich die anderen Menschen als Informationsquellen wieder!

Ein echtes Problem hingegen stellt das Fehlen von Google Play dar. Ob man sich die App auf das Blackphone herunterladen könnte, entzieht sich meiner Kenntnis, vorinstalliert ist sie jedenfalls nicht. Aber mal ehrlich: Google Play auf dem Blackphone zu nutzen wäre wie ohne Not das Trojanische Pferd in die Stadt zu lassen! Denn es gibt Alternativen. Ich bin bisher mit dem Amazon Appstore in Verbindung mit F-Droid (beide im freien Internet erhältlich) ganz gut gefahren. Natürlich ist auch Amazon eine Datenkrake. Aber als Überbrückung taugt der Store allemal. Bis – ja bis eigentlich diesen Monat der Blackphone App Store öffnen soll. Dort sollen nur auf Herz und Nieren geprüfte Apps zu erwerben sein.


F-Droid, ein Alternativ-Marktplatz für kostenlose Apps. (Bild: © Alin Cucu)

Besonders an PrivatOS ist weiterhin das “Security Center”. Dort kann man die Berechtigungen aller Apps verwalten. Ein Tool, das sonst nur, wenn auch eingeschränkt, im Android-Release CyanogenMod vorkommt. Wirklich gut: Man kann Apps z.B. den Zugriff auf Kontakte, Kamera und Audioaufnahme verweigern (wozu braucht etwa eine Wetter-App das alles!?). Manche Apps funktionieren nicht mehr, wenn man sie zu arg gängelt, aber immerhin – man hat volle Kontrolle darüber, was Programme auf dem Phone dürfen und was nicht.


Mit dem Security Center lassen sich jeder App eigene Berechtigungen zuweisen. (Bild: © Alin Cucu)

Das Blackphone kommt weiterhin mit einem Software-Bundle von Partnerfirmen. Abos für diese Programme sind kostenpflichtig, beim Blackphone aber mit eingepreist. Ich habe als ein “Early Adopter” noch ein 3-Jahresabo für Silent Circle, ein 2-Jahresabo für Disconnect Secure Wireless sowie für SpiderOak bekommen, mittlerweile gibt es für alles nur noch einen 1-Jahresplan. Silent Circle besteht aus Silent Phone (verschlüsseltes Telefonieren), Silent Text (verschlüsseltes Messaging) und Silent Contacts (verschlüsselte Kontakte). Secure Wireless ermöglicht das Herstellen einer VPN-Verbindung, sobald man sich in einem WLAN-Netzwerk befindet, und SpiderOak ist eine verschlüsselte Alternative zu Dropbox & Co. Für Silent Circle gab es noch drei 1-Jahres-Geschenkabos für Freunde dazu.

Allerdings habe ich die Suite bisher nicht genutzt. Anfangs versuchte ich noch, mit meiner Frau (der ich eines der drei Geschenkabos verpasst habe) via Silent Phone zu telefonieren. Das Ganze erinnerte mich an die Kommunikation eines Geheimagenten mit seinem HQ. Anrufe einfach annehmen geht nicht; der Angerufene muss erst ein Codewort eingeben, das beim Anrufenden auf dem Display erscheint – wie soll das gehen, wenn man tausende von Kilometern auseinander sitzt? Etwa per umverschlüsselter Verbindung das Codewort durchgeben!? Umständlich finde ich auch noch, dass man eingeloggt sein muss, um angerufen werden zu können. Dabei reicht es nicht, sich einmal anzumelden, da sich Silent Phone immer wieder automatisch ausloggt oder gar keine Verbindung zum Server herstellt. Fazit: Silent Phone macht nur innerhalb eines Zirkels von miteinander vertrauten Personen Sinn. Der Aufwand rechtfertigt sich meiner Ansicht nach nur bei wirklich vertraulichen Gesprächen. Allerdings soll bald auch für europäische Kunden ein “Out-Circle-Access” möglich sein, dann wären verschlüsselte Gespräche auch mit Teilnehmern möglich, die kein Silent Phone installiert haben.


Silent Phone hat leider immer wieder Verbindungsprobleme. (Bild: © Alin Cucu)

Silent Text ist zwar wie jeder andere Messenger zu bedienen, aber vollständig und besser durch Threema ersetzbar, dort sind sogar verschlüsselte Sprachnachrichten möglich. Silent Contacts ist bei mir so gut wie leer – einfach aus Mangel an Bekannten, welche die Software nutzen. Insgesamt müsste Silent Circle noch stark an der Usability arbeiten, um ein breiteres Publikum als Dissidenten und Enthüllungsjournalisten zu erreichen.

Gut gefällt mir SpiderOak. Eigentlich sollte ich meine Cloud-Daten dorthin verlagern. Hab ich mit ein paar privaten Files auch gemacht. Aber geschäftliche Zusammenarbeit im grösseren Stil? Hier kommt zum Tragen, was es allen alternativen Anbietern am Markt schwer macht, sich gegen die Grossen durchzusetzen: Die Platzhirsche haben so viele Kunden absorbiert, dass die meisten in den jeweiligen Apps verwurzelt sind und den Aufwand eines Wechsels verständlicherweise scheuen. Grösser wäre die Motivation sicherlich, wenn SpiderOak etwas schneller synchronisieren würde und ein Hochladen bzw. Einbinden von Dateien vom Smartphone aus möglich wäre.

Richtig toll finde ich Secure Wireless. Es ist irgendwie ein gutes Gefühl, in einem fremden WLAN “Maulwurf” spielen zu können. Ich betone: Gefühl. Denn natürlich kann ich mangels Know-how nichts nachweisen, ich vertraue einfach. Aber immerhin habe ich hier mehr Grund zum Vertrauen als bei einem iPhone, dessen Benutzer Apple bekanntermassen ausspioniert. Einmal konfiguriert, stellt Secure Wireless übrigens automatisch eine VPN-Verbindung in “Non-trusted”-Netzwerken her.


Secure Wireless ermöglicht die Herstellung einer VPN-Verbindung aus einem WLAN heraus. (Bild: © Alin Cucu)

Ansonsten sind die einschlägigen Standardprogramme enthalten. Achtung beim Kalender, für den braucht man eine Sync-App, um synchronisieren zu können. Ich empfehle CalDAV-Sync aus dem Amazon App Store. Zur Synchronisation der Kontakte taugt CardDAV-Sync vom gleichen Entwickler, das bislang allerdings nicht mit Google-Konten zusammenarbeitet.

Fazit zum Punkt Software: Pluspunkte gibt es für das schiere Vorhandensein der Privacy-Apps sowie für die problemlos funktioniere Disconnect-Software zum Herstellen einer VPN-Verbindung. Einige Fragezeichen hinterlässt dagegen die Silent Circle-Suite.

Kamera

Auf die Qualität der Smartphone-Kamera legen viele inzwischen recht viel Wert. Das 8-MP-Aggregat im Blackphone ist, wie auch der Prozessor, meines Erachtens gutes Mittelfeld. Bei guter Ausleuchtung macht sie schöne Fotos, die in der Standardeinstellung zuweilen etwas blass wirken.  Bei wenig Licht kommt die Kamera schnell an ihre Grenzen, hier helfen allerdings die zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten – deren Bewertung ich den Fotocracks überlasse – weiter.

Videos sind mit HD1080 möglich, dabei kann man sogar während des Filmens zoomen.

Gesamtfazit

Für das Blackphone kann ich trotz der Startschwierigkeiten, die ich hatte, eine Kaufempfehlung aussprechen. Zumindest an alle, denen Datenschutz wichtig ist. Für den Preis von rund 500 Euro bzw. 600 Franken bekommt man ein alltagstaugliches Gerät, das cool aussieht und alle Kernkompetenzen eines Smartphones beherrscht. Klar könnte man alle Privacy-Apps auch auch auf einem Samsung Galaxy oder einem iPhone installieren, hätte dann aber immer noch den herstellerseitigen digitalen Müll im Speicher und müsste immer noch Hardware-Hintertürchen fürchten. Und mehr Geld würde man auch bezahlen. Da relativieren sich die CHF 600+ doch schnell wieder.

 

Titelbild: © Alin Cucu

MEHR LESEN