Kanton Zürich: Jugendkriminalität - erneuter Rückgang bei Pornografie und Gewaltdarstellungen
Zum zweiten Mal in Folge wurden im Kanton Zürich weniger Minderjährige wegen Pornografie und Gewaltdarstellungen verzeigt.
Der positiven Entwicklung zum Trotz: Vermehrt stellen gerade jüngere Jugendliche von sich selbst pornografisches Material her.
Im vergangenen Jahr wurden im Kanton Zürich 188 Jugendliche (2020: 215) wegen Pornografie verzeigt. In drei von fünf Fällen leiteten sie pornografisches Material weiter – beispielsweise über Social Media oder in (Klassen-)Chats. In jedem fünften Fall erstellten die Jugendlichen eigenes pornografisches Material von sich und verschickten dieses anschliessend.
Fälle, in denen sich Jugendliche bei sexuellen Handlungen filmen, haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Waren es früher primär Mädchen, die meist auf Nachfrage von sich pornografisches Material erstellt haben, sind es mittlerweile in drei von vier Fällen Jungen. Mit durchschnittlich 13,9 Jahren sind die Jugendlichen auffallend jung. Dementsprechend sorglos ist ihr Umgang mit dem Smartphone. Allfällige Konsequenzen werden meist ausgeblendet.
Der leichtsinnige Umgang mit eigenen intimen Fotos und Videos ist nicht zuletzt ein Indiz dafür, dass trotz sinkenden Fallzahlen weiterhin viele Jugendliche mit pornografischen Erzeugnissen in Kontakt kommen. Dabei zeigt sich, dass einerseits manche Videos seit Jahren im Umlauf sind. Andererseits verbreitet sich neues Material rasend schnell.
Fallbeispiel 1
Der 13-jährige Adam* (Name geändert) bittet seine ein Jahr jüngere Freundin um ein Nacktfoto. Zuerst zögert sie, schickte es ihm dann jedoch freiwillig. Nach der Trennung verschickt Adam das Foto an seine Kollegen Beat*, Claude* und Dino*. Alle drei speichern das Foto ab, Claude schickte es zu einem späteren Zeitpunkt an einen weiteren Kollegen, Dino zeigt es zwei Kollegen. Alle vier Beschuldigten werden mit einer persönlichen Leistung – teilweise in Form eines Medienkurses – sanktioniert.
Weniger Gewaltdarstellungen
Die Zahl der wegen Gewaltdarstellungen verzeigten Jugendlichen hat ebenfalls zum zweiten Mal in Folge abgenommen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 67 Jugendliche (2021: 86) verzeigt. In drei von fünf Fällen ging es um den Besitz von Gewaltdarstellungen. In jedem vierten Fall wurden sie weiterverbreitet – unter Kollegen, auf Social Media oder beispielsweise in einem Klassenchat. In jedem achten Fall stellten die Jugendlichen die Gewaltdarstellungen selbst her. Meist handelt es sich um Schlägereien und Angriffe, die gefilmt und teilweise auch weiterverbreitet werden. Bei Gewaltdarstellungen handelt es sich um drastische Erzeugnisse, welche die elementare Würde eines Menschen in schwerer Weise verletzen. Ihr Besitz, die Weiterverbreitung und Herstellung sind nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene verboten.
Fallbeispiel 2
Der 12-jährige Endo* stellt ein Video in den Klassenchat, auf welchem in verstörender Weise gezeigt wird, wie sich eine Person selbst verletzt. Er hat das Video vom gleichaltrigen Filip* erhalten, welchem es wiederum von Giovanni* zugeschickt wurde. Dieser hat den Link von Haris* bekommen. Alle werden mit einer persönlichen Leistung sanktioniert.
Ehrverletzungen nehmen offline zu
Bei den Ehrverletzungen wurde im vergangenen Jahr eine Zunahme registriert. Insgesamt wurden 133 Jugendliche (2020: 111) der Verleumdung, Beschimpfung und der üblen Nachrede beschuldigt. Trotz steigenden Fallzahlen nahm in den letzten Jahren die Zahl der Ehrverletzungen im digitalen Raum kontinuierlich ab. 2019 hatte noch jede zweite Ehrverletzung im digitalen Raum stattgefunden, zwei Jahre später war es noch jede fünfte. Zugleich haben die verbalen Ehrverletzungen von Angesicht zu Angesicht zugenommen. Ihr Anteil liegt mittlerweile bei 80 Prozent.
Fallbeispiel 3
Ilias* und Johan*, beide 14 Jahre alt, stacheln sich gegenseitig an und verschicken anonym zahlreiche Mails mit üblen Beschimpfungen an mehrere Empfänger aus ihrem Umfeld. Beide werden wegen Beschimpfung zu einer persönlichen Leistung verurteilt.
Mehr Drohungen und Nötigungen – jedoch offline
Im vergangenen Jahr wurden 197 Jugendliche (2020: 171) wegen Drohung und 140 (2020: 112) wegen Nötigung verzeigt. Zwar stiegen die Fallzahlen, doch die Zahl der der online registrierten Drohungen waren rückläufig. 2021 fanden noch 17 Prozent der Drohungen (2020: 23 Prozent) im digitalen Raum statt. Meist handelte es sich dabei um Drohungen, welche in Text- oder Sprachnachrichten geäussert wurden. Auffällig ist auch hier, dass das Durchschnittsalter mit 15,2 Jahren relativ jung ist. Eine ähnliche Entwicklung ist bei den Nötigungen zu beobachten. Der Anteil an Nötigungen im digitalen Raum betrug im vergangenen Jahr 16 Prozent (2020: 18 Prozent), das durchschnittliche Alter lag bei 15,1 Jahren. In jedem zweiten Fall ging es bei den online begangenen Nötigungen um Nacktbilder oder Videos mit selbst erstelltem pornografischem Material.
Fallbeispiel 4
Der 12-jährige Kim* verschickt gemäss eigenen Aussagen zum Spass mehrere Nachrichten mit Todesdrohungen an einen anderen Jugendlichen. Als ihn wenig später das schlechte Gewissen plagt und er den betroffenen Jugendlichen aufklären will, hat dieser ihn bereits blockiert. Er wird wegen Drohung verurteilt, als Strafe erhält er eine persönliche Leistung.
Das Internet vergisst nie
Die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich möchte mit der jährlich stattfindenden Erhebung einen Beitrag zur Sensibilisierung von Eltern und Jugendlichen für die Möglichkeiten und Gefahren des Internets leisten. Dieses Jahr liegt der Fokus insbesondere auf der Erstellung von eigenem pornografischem Material. Es wird nachdrücklich von der Erstellung von Nacktbildern und pornografischem Material abgeraten. Fotos und Videos, welche erst einmal im Umlauf sind, lassen sich nicht mehr aufhalten oder aus dem Internet löschen. Sie können anderen gezeigt und unkontrolliert weiterverbreitet werden und landen im schlimmsten Fall im Darknet. Zugleich möchte die Oberjugendanwaltschaft Jugendliche darin bestärken, sich abzugrenzen. Bei einem mulmigen Gefühl lohnt es sich, einen Moment inne zu halten und an mögliche Konsequenzen zu denken. Nicht jeder intime Moment muss mit dem Smartphone festgehalten werden.
Quelle: Kanton Zürich
Titelbild: Symbolbild © Michael Derrer Fuchs – shutterstock.com