Apple iPhone – „elektronische Fussfessel“ für jedermann
von Agentur belmedia
Aus dem Strafvollzug sind sie bekannt: elektronische Fussfesseln. Kriminelle auf Freigang bekommen sie angelegt, damit ihr Standort von der zuständigen Behörde per Telefon- oder Mobilfunknetz rund um die Uhr überwacht und kontrolliert werden kann.
Nun stellten Sie sich vor, ein Unternehmen käme auf die Idee, Ihnen als unbescholtenem Bürger elektronische Fussfesseln zum Kauf anzubieten. Das Unternehmen würde Ihnen versichern, bezüglich Ihrer Daten selbstverständlich keine böse Absichten zu hegen und die Informationen nicht an Dritte weiterzugeben. Wären Sie zum Kauf bereit?Wenn Sie Besitzer eines Apple iPhones sind, haben Sie leider bereits zugegriffen – und führen längst eine Form der elektronischen Fussfessel mit sich herum, wenn auch nicht am Fuss, sondern in der Hand.
Denn wie die beiden Software-Entwickler Pete Warden und Alasdair Allan enthüllten, erfasst das iPhone standardmässig zu jeder Zeit Ihren aktuellen Aufenthaltsort und speichert die Informationen in einer eigenen Datei – unverschlüsselt. Die Daten über Ihre Routen lassen sich auf einen Rechner überspielen und können somit von jedem, der Zugang zum Gerät hat, eingesehen werden. Wie genau Sie Ihre iPhone-Standort-Protokolle auswerten, erklären Warden und Allan auf ihrer Webseite (http://petewarden.github.com/iPhoneTracker/). Dort stellen sie auch ein kostenloses Programm zur Verfügung, mit dessen Hilfe Sie Ihre zurückgelegten Wegstrecken mit einer hübschen Grafik visualisieren können.
Gerade eingefleischte Apple-Fans werden jetzt womöglich sagen: ,Die Datenerfassung geschieht doch mittlerweile überall, da kommt’s doch darauf auch nicht mehr an. Und ausserdem habe ich nix zu verbergen.’ Wer so argumentiert, hat die permanente Verletzung der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes bereits als Normalzustand akzeptiert. Es ist so, als wenn Sie Ihrem Nachbarn erlauben würden, Ihnen ständig hinterher zu spionieren und Ihren jeweiligen Aufenthaltsort zu notieren. Denn erstens haben Sie sich ja schon daran gewöhnt, und zweitens haben Sie ja nichts zu verbergen, nicht wahr? Oder soll es ein Unterschied sein, ob die Rolle des schnüffelnden Spions ein „Eye-Phone“ übernimmt, das den Nutzer als elektronisches Auge ständig überwacht?
Mit der „elektronischen Fussfessel“ von Apple schreiten wir jedenfalls mit Meilenstiefeln voran in die Überwachungsgesellschaft, in der die Menschen von hinten bis vorne durchleuchtet werden. Eine besondere Note verleiht dem Ganzen, dass Big Brother ausgerechnet von Cupertino aus sein Haupt erhebt, verstehen es doch die Marketingstrategen des Apfelkonzerns prächtig, die Botschaft „Wir sind die Guten“ zu vermitteln. So warb Apple bei der Einführung seiner Computerlinie „Macintosh“ im Jahr 1984, gemünzt auf Orwells dystopischen Roman „1984“ über die totale Überwachungsgesellschaft, mit dem Slogan: You’ll see why 1984 won’t be like „1984“ (Sie werden sehen, warum das Jahr 1984 nicht wie der Roman „1984“ sein wird). Mittlerweile muss Apple das wohl korrigieren: You’ll see why 2010 will be like „1984“. Denn seit diesem Jahr existiert die automatische Standortaufzeichnung der Apple iPhones.
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,758320,00.html
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