Fahrer sammeln nach Unfall Alkohol auf und lassen Sterbenden liegen

Ein krasser Fall von unterlassener Hilfeleistung hat sich am Sonntag im Süden Australiens ereignet. Eine Gruppe Australier liess nach einem Autounfall einen Mitfahrer, der aus dem Auto geschleudert worden war, sterbend am Strassenrand liegen.

Dabei versäumten es die Personen allerdings nicht, mehrere Kisten mit Alkoholflaschen aufzusammeln, die ebenfalls von der Ladefläche des Autos gefallen waren. Danach setzte die Gruppe ihre Fahrt unbekümmert fort, ohne sich um den sterbenden Mitfahrer zu scheren. Erst Insassen eines nachfolgenden Fahrzeugs alarmierten die Polizei, die jedoch nur noch den Tod des 31-Jährigen feststellen konnte.

Fälle, in denen verletzte oder bedrohte Personen von ihren Mitmenschen vor Ort keine Hilfe erhalten, schockieren immer wieder. In schlimmer Erinnerung ist zum Beispiel der Fall des Rentners Angel Arce Torres, der 2008 in einem belebten Viertel von Hartford im Bundesstaat Connecticut nacheinander von zwei Fahrzeugen angefahren wurde: Nicht genug damit, dass die Fahrzeuge einfach davon brausten – auch Passanten halfen nicht. Stattdessen glotzen sie nur neugierig und gingen wenige Meter von dem am Boden Liegenden entfernt einfach vorbei. Das schockierende Video der Überwachungskamera lässt sich nach vorheriger Anmeldung auf Youtube anschauen:

http://www.youtube.com/results?search_query=+Angel+Arce+Torres&aq=f

Warum helfen Menschen nicht?

Dem Phänomen des Nicht-Helfens geht auch die Dokumentation „Zivilcourage – helfen oder wegsehen?“ der Sendereihe „Quarks & Co“ (2008, Fernsehen des Westdeutschen Rundfunks) nach. Dort wird ein schwerer Verkehrsunfall auf einer Landstraße simuliert, eine versteckte Kamera hält die Reaktionen der Fahrer fest: Nur jeder zweite hält an und hilft.

http://www.spotting.at/zivilcourage-helfen-oder-wegsehen

Gleichgültiges und teilnahmsloses Verhalten von Augenzeugen bei Unfällen ist leider so verbreitet, dass sich ein ganzer Wissenschaftszweig mit den Ursachen hierfür beschäftigt. Bezeichnet wird das Phänomen als „Zuschauer-Effekt“ (engl. „Bystander-Effect“) oder auch „Genovese-Syndrom“ – benannt nach der US-Amerikanerin Kitty Genovese, die 1964 in ihrem Haus in New York City einem Mordanschlag zum Opfer fiel und über eine halbe Stunde lang von 38 Nachbarn, die den Überfall beobachteten, keinerlei Hilfe bekam.

Um zu verstehen, warum Augenzeugen (Bystanders) nicht helfen, haben die Psychologen John Darley und Bibb Latané ein Entscheidungsmodell für Hilfeverhalten (model of bystander intervention) entwickelt, das fünf Stufen des Verhaltens unterscheidet: 1. Das Ereignis bemerken. 2. Einschätzen der Situation als „Eingreifen erforderlich“. 3. Verantwortung übernehmen. 4. Entscheiden, wie zu helfen ist. 5. Helfen.

Wenn sich niemand verantwortlich fühlt

Dabei versagen die nicht handelnden Augenzeugen vor allem auf der 3. Stufe: Nachdem die Notfallsituation erkannt wurde, müssten sie eigentlich persönliche Verantwortung übernehmen, was jedoch nicht geschieht. Stattdessen drücken sich die „Bystanders“, indem sie die Verantwortung auf die anderen Umstehenden abschieben. Es gilt: Je höher die Anzahl der Zuschauer, desto mehr nimmt die Bereitschaft zur Übernahme persönlicher Verantwortung ab – ein Phänomen, das auch als „Verantwortungsdiffusion“ bezeichnet wird.

Dass die Anonymität in grossstädtischen Umgebungen den „Zuschauer-Effekt“ befördert, haben Wissenschaftler verschiedentlich empirisch belegt und theoretisch zu begründen versucht. So zeigte eine Studie von P. R. Amato (1983) unterschiedliches Hilfeverhalten zwischen Grossstädtern und Kleinstädtern gegenüber einem auf der Straße gestürzten Mann: In den Kleinstädten halfen über 50 Prozent der Zeugen, in der Grossstadt lediglich 15 Prozent. Amato führte dies darauf zurück, dass Menschen in ländlichen Gegenden aufgrund enger familiärer Verknüpfungen noch zu Hilfsbereitschaft erzogen würden, während dies in den anonymen grossstädtischen Milieus nicht mehr (ausreichend) geschehe.

Wie auch immer die Erklärungen für die Verweigerung von Hilfe lauten, eine Entschuldigung sind sie nicht! Niemand muss sich in beobachteten Unglücksfällen selbst in Gefahr begeben, aber doch zumindest das Einfachste tun: Mit dem Handy die Notfallnummer rufen!

http://de.news.yahoo.com/2/20110424/tts-fahrer-sammeln-nach-unfall-alkohol-a-c6cbef2.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Zuschauereffekt

http://www.rp-online.de/panorama/ausland/katastrophe/Rentner-ueberfahren-und-niemand-hilft_aid_576419.html

 

Titelbild: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

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