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Chin Meyer erklärt die Finanzkrise

05.09.2011 |  Von  |  Beitrag

Wie konnte es eigentlich zur globalen Finanzkrise kommen, die seit 2007 die Welt in Atem hält? Ebenso schlicht wie treffend erklärte dies Finanz-Kabarettist Chin Meyer in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“, bei der er am 30. August zu Gast war.

Süffisant deckt Meyer den ganzen Wahnsinn auf, der zur Krise führte. Hier seine Erklärung im Wortlaut.

Nehmen wir an, du möchtest eine kleine Kneipe betreiben. Du hast aber unglücklicherweise keine Ahnung von Kneipen, ausserdem hast du sie in einem Stadtteil aufgemacht, wo lauter arbeitslose Alkoholiker wohnen. Die kaufen natürlich alle nichts, weil sie kein Geld haben. Irgendwann platzt dir die Hutschnur und du sagst: „Ich lass die einfach anschreiben.“ Denn dir ist es egal, ob du praktisch kein Geld verdienst oder nur theoretisch. Die Alkoholiker finden das natürlich gut.

Deinem Bankberater fällt auf, dass du auf dem Papier Profite machst. Er zitiert dich zu sich und fragt dich: „Wie hast du das gemacht?“ Und du erklärst ihm das mit den Schuldscheinen. Darauf sagt der Banker: „Brillant! Weisst du was? Daraus basteln wir jetzt ein Finanzprodukt. Wir nehmen diese Schuldscheine, bündeln sie und verkaufen sie weiter – mit einem gewissen Abschlag. Wenn es 100 Euro Schulden sind, verkaufen wir sie für 70 Euro weiter. Dann freut sich jemand, die restlichen 30 von den Alkoholikern zu holen, und wir sind das Risiko los. Und damit das Ganze nicht wie Schuldscheine von Alkolholikern daher kommt, nennen wir es ‚Fuselanleihen‘. Das ist ein bisschen sexier.“

Nun kommt die nächst grössere Bank und sagt: „Fuselanleihen sind eine ganz gute Idee, aber man kann das doch viel sicherer gestalten. Wir nehmen jetzt die besten dieser Fuselanleihen – die von den Alkoholikern mit Abitur – und bündeln sie noch einmal neu zu einem sichereren Finanzprodukt. Das nennen wir SSO, was sehr schnittig daherkommt. Keiner weiss, was es heisst – nämlich SuffSammelObligationen. Die verkaufen wir dann noch einmal weiter.“

Die Sache fängt an, Schule zu machen und richtig gut zu laufen. Daher kaufst dir noch zwei, drei weitere Kneipen dazu, und zwar wiederum in Gegenden mit vielen Alkoholikern, weil die ja besonders viel konsumieren werden. Alle sind gut drauf, und ein paar Monate später fällt der HSH Nordbank und der Bayerischen Landesbank auf, dass ein tierisches Geschäft an ihnen vorbeiläuft. Wenn Landesbanken auf den Zug aufspringen, sollte das für dich als Anleger ein Signal sein, vorsichtig zu sein! Aber noch läuft alles super und alle sind gut gelaunt.

Die Landesbanken haben auch gute Ideen. Sie sagen: „SSO sind schön und gut, aber man kann das Ganze noch viel sicherer gestalten – todsicher. Wir nehmen jetzt die allerbesten der SSO – die von den Alkoholikern mit Doktortitel und ohne Leberzirrhose – und bündeln sie noch einmal neu zu einem todsicheren Finanzprodukt: DGZ – DeliriumGarantieZertifikate! Und damit DeliriumGarantieZertifikate nicht so wahllos daherkommen, lassen wir sie auch von einer amerikanischen Ratingagentur bewerten.“

Diese amerikanischen Ratingagenturen machen das, was der Name schon sagt: Sie raten, ob du in der Lage bist, die Schulden zu bezahlen. Das Gute an diesen Ratingagenturen ist, dass du sie bezahlst, wenn du bewertet werden willst. Wenn du denen genügend Geld in den Rachen geworfen hast, dann sind sie magischerweise davon überzeugt, dass du alle Schulden begleichen kannst. Dann kriegst du die gewünschte Bewertung triple A: Alles absolut alkoholisch! Und mit dieser triple A-Bewertung ziehen jetzt die Bayerische Landesbank und die HSH Nordbank los und verticken DGZ im ganz grossen Stil. Alle steigen ein und sind gut drauf – das ganze Land spielt verrückt! Führende Analysten sagen, es bestehe überhaupt kein Grund, weshalb der DAX am Jahresende nicht die 12.000er Marke überspringen sollte.

Alle sind gut gelaunt, bis dann irgendwann einmal ein kleiner Sparkassendirektor von einem der Alkoholiker ein bisschen Geld in Begleichung einer allerersten Rate sehen möchte. Wenn es soweit ist, solltest du deine Learjet schon mal mit der Nase in Richtung Karibik geparkt haben. Oder du machst das Vielversprechendere, gehst zur Regierung und sagst: „Moment mal, das sind doch alles Hartz IV-Empfänger. Das sind doch eure Leute, und wenn ihr mich jetzt nicht raushaut, dann fahren wir euch die Wirtschaft so dermassen gegen die Wand, dass ihr nie wieder gewählt werdet.“

Und schon spannt sich über dir ein Rettungsschirm auf…

(Quelle: youtube)
Titelbild: Kreuznacher Zeitung / pixelio.de

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