Tödlicher Ärztepfusch im Spital Wil: Gesundheitsdirektorin bestreitet Vertuschung

Sollte ein tödlicher Ärztepfusch im Spital Wil SG vertuscht werden? Die St. Galler Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann (SP) wehrte sich auf einer Pressekonferenz am Mittwoch gegen den Vorwurf, gestand aber auch „Fehler“ ein.

Der Fall ist aufsehenerregend – nicht nur wegen der Häufung an fatalen Ärztefehlern, sondern auch wegen des gerichtlichen Nachspiels, von dem eine Chefärztin sowie drei weitere Ärzte betroffen sind.

Was war geschehen? Im Oktober 2007 brachte eine 34-jährige Bäuerin im Spital Wil ein totes Baby zur Welt – später starb sie aufgrund eines Gebärmutterrisses. Die Chefärztin für Gynäkologie stellte die verhängnisvolle Fehldiagnose „Atonie“ (fehlendes Zusammenziehen der Gebärmutter) und kümmerte sich nicht weiter um die Patientin. Der siebenfachen Mutter hätte eigentlich die Gebärmutter entfernt werden müssen, um ihr Leben zu retten. Als die Frau schliesslich notfallmässig ins Kantonsspital St. Gallen eingeliefert wurde, war es dafür zu spät.

Spital Wil und St. Galler Gesundheitsdepartement informierten nur zöglich

Fünf Jahre später, am 13. Juni 2012, wurde die Ärztin wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Rechtskräftig wurde das Urteil am 12. Juli. Das St. Galler Gesundheitsdepartement informierte die Öffentlichkeit jedoch erst einen Monat später über das Urteil. Und zwar einen Tag, nachdem die „Weltwoche“ das Spital am 13. August mit ihren Recherchen konfrontierte. Brauchte es also erst Druck von aussen?

Die St. Galler Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann bestreitet das. Man habe aus Rücksicht auf den Persönlichkeitsschutz der Betroffenen nur so spärlich informiert. Der hinterbliebene Ehemann habe „eigentlich gar keine Öffentlichkeit mehr gewollt“. Aus heutiger Sicht würde sie aber früher und vollständiger informieren, so Hanselmann. Die „gravierenden Fehler“ in diesem „tragischen Einzelfall“ bedauerte sie zutiefst.

Ebenfalls erst nachträglich erfuhr die Öffentlichkeit, dass sich drei weitere beteiligte Ärzte vor dem Kreisgericht verantworten müssen – die Oberärztin für Gynäkologie sowie der Chef- und der Oberarzt Anästhesie. Ihnen drohen bedingte Geldstrafen sowie Bussen zwischen 3000 und 6000 Franken. Die Verhandlung sollen am 28. August und am 4. September stattfinden.

Vergessene Mitteilung einer Krebs-Diagnose?

Im Gegensatz zu den drei Ärzten, die nicht mehr für das Spital arbeiten, ist die verurteilte Chefärztin weiterhin am Spital angestellt. Erst am 31. August will der Verwaltungsrat der Spitalregion Wil über ihre Zukunft am Spital Wil entscheiden.

Unklar ist, ob sich die Chefärztin möglicherweise einen zweiten Fehler hat zuschulden kommen lassen, über den die „Weltwoche“ berichtete. Demnach soll die Chefärztin vor zwei Jahren vergessen haben, einer Patientin mitzuteilen, dass diese Krebs hat. Als sie die Patientin zufällig auf dem Markt traf, soll sie sich nach dem Stand der Krebs-Behandlung erkundigt haben. Die Patientin sei aus allen Wolken gefallen und habe sich in einem Brief bei Hanselmann beschwert. Hanselmann wies diese Darstellung zurück. Sie verlas eine Email der Patientin, in der die Darstellung als „frei erfunden“ und als „beschämendes Medienereignis“ bezeichnet wird.

 

Oberstes Bild: © Andy Dean Photography – shutterstock.com

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