Kachelmann bei Jauch: „Falschanschuldigungen sind eine Katastrophe“
von Agentur belmedia
Falschbeschuldigungen sind eine üble Sache, zumal wenn sie sich auf vermeintliche Vergewaltigungen beziehen. Sie können den Ruf, die Karriere und das ganze Leben eines zu Unrecht beschuldigten Menschen zerstören. Als Opfer einer Falschbeschuldigung sieht sich auch der ehemalige Wettermoderator Jörg Kachelmann, der vor mehr als einem Jahr vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde.
Bei Günther Jauch in der ARD sprachen er und seine Ehefrau über seinen „Fall“. Dort erklärten die beiden auch, warum sie den „Fall Kachelmann“ nicht als Einzelerscheinung sehen und warum sie beim Thema „Falschbeschuldigungen“ Handlungsbedarf sehen.
„Um es klar zu sagen, Jörg Kachelmann ist vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden“, stellte Günther Jauch zu Beginn fest. Doch was ist ein Freispruch wirklich wert – zumal wenn Zweifel an Schuld und Unschuld bleiben? Dies diskutierte Günther Jauch mit Jörg Kachelmann, seiner Ehefrau Miriam und weiteren Gästen.
Kachelmann: Ich bin kein Einzelfall
Was vom alten Kachelmann heute noch übrig sei, wollte Jauch vom prominenten Wetterexperten zunächst wissen. „Der Bart ist heute weg. Aber die Fröhlichkeit, die damals in mir gewohnt hat, ist immer noch da“, antwortete Jörg Kachelmann mit breitem Grinsen.
Als „Gefallener“, dessen Ruf nachhaltig ruiniert wurde, fühle er sich im täglichen Leben nicht. Nach seiner Freilassung habe er aus seinem Umfeld nur Aufmunterung und Freundlichkeit erfahren, so Kachelmann.
Stets betonte Jörg Kachelmann, unterstützt von seiner Frau Miriam, dass er als „Opfer einer Falschbeschuldigung“ kein Einzelfall sei. Falsche Anschuldigungen wegen Vergewaltigung seien massenhaft verbreitet. Sich dagegen mit der Gründung eines Netzeswerks zu engagieren, sei ein Weg, „der ganzen Sache nachträglich einen Sinn zu geben“, so die Psychologiestudentin Miriam Kachelmann.
„Meine Unschuld ist eindeutig bewiesen“
Günther Jauch hakte nach: Laut Gericht könne von einer „Falschbeschuldigung“ keine Rede sein. Schliesslich habe das Mannheimer Gericht die Frage nach Schuld und Unschuld offen gelassen und „nur“ einen Freispruch „in dubio pro reo“ ausgesprochen. Jörg und Miriam Kachelmann konterten, indem sie das Gericht angriffen.
Alle Aussagen, die gesamte Beweislage und sämtliche Gutachten hätten eindeutig die Unschuld des Angeklagten erwiesen. Das Gericht habe nur deshalb am Ende den Angeklagten nicht für eindeutig unschuldig erklärt, „um sich selbst zu schützen“ und den betriebenen Prozessaufwand zu rechtfertigen.
Gerade deshalb seien solche Falschbeschuldigungen für die Betroffenen auch „eine Katastrophe“, so Jörg Kachelmann. Denn gegen einen Freispruch „aus Mangel an Beweisen“ könne man zwecks Erlangung eines „Erste-Klasse-Freispruchs“ keine Revision einlegen.
Widerspruch erntete dies von Gerhart Baum (ehemaliger deutscher Bundesinnenminister) und Winfried Hassemer (ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts), die das Gericht in Schutz nahmen. „Das Gericht hat es sich sicher sehr schwer gemacht“, so Baum. Und Hassemer: „Dass Aussage gegen Aussage steht, macht gerade die besondere Struktur solcher Vergewaltigungsprozesse aus. Daher ist hier der Grundsatz ‚in dubio pro reo’ besonders wichtig.“
„Frauen haben ein Opfer-Abo“
Schliesslich stand Jörg Kachelmanns Aussage zur Diskussion, dass „Frauen heute ein Opfer-Abo“ hätten. „Heute ist es für eine falsch beschuldigende Frau sehr leicht, ihren Fall durchzubekommen“, behauptete Kachelmann.
„Weil eben früher sehr viele Dinge falsch gemacht wurden. Noch vor dreissig Jahren gab es Gerichtsberichte, in denen stand, dass die Frau, der Gewalt passierte, einen Fehler gemacht hätte, weil sie aufreizend gekleidet war. Das war eine furchtbare Zeit chauvinistischer Männerjustiz.“ Heutzutage sei das Pendel dagegen in die andere Richtung geschlagen.
Dem widersprach Katja Grieger vom Bundesverband Frauenberatungsstellen in einem Einspieler. Dass Frauen aus Rachsucht zunehmend Falschanschuldigungen wegen Vergewaltigungen in die Welt setzten, sei ein Mythos, für den jeder wissenschaftlicher Nachweis fehle.
Eine von der EU in Auftrag gegebenen Studie der London Metropolitan University habe ergeben, dass nur 4 Prozent aller angezeigten Vergewaltigungen in Deutschland Falschbeschuldigungen seien. Die Hemmschwelle, eine Vergewaltigung anzuzeigen, sei für die Betroffenen ausserdem gewaltig. Zudem endeten nur 13 Prozent der Verfahren mit einer Verurteilung. Es könne also keine Rede davon sein, dass „Männer wild verurteilt“ würden.
Falschanschuldigungen gang und gäbe?
Miriam Kachelmann hielt dagegen: Die vier Prozent bezögen sich nur auf die Frauen, welche die Falschanschuldigung tatsächlich zugaben und deshalb verurteilt wurden. Sie berief sich auf den Rechtsmediziner Prof. Klaus Püschel (Opferambulanz Hamburg), wonach sich nur bei einem Drittel der betroffenen Frauen Vergewaltigungsverletzungen klar nachweisen lassen.
Bei einem weiteren Drittel der Frauen bleibe unklar, ob die Verletzungen tatsächlich von einer Vergewaltigung herrühren, und das restliche Drittel füge sich die Verletzungen selber zu. Zudem zeige die geringe Verurteilungsquote, dass viele Verfahren aufgrund der schlechten Beweislage eingestellt werden, noch bevor es zu einer Anklage kommt.
So verlief die Diskussion hin und her. Am Ende blieb dem Zuschauer nur, sich selber die folgenden Fragen zu stellen: Stell dir vor, du selbst wirst Opfer einer schwerwiegenden Falschanschuldigung: Was würde dies für dich und dein Leben bedeuten? Würdest du der Justiz vertrauen können? Würdest du darauf hoffen können, dass du am Ende wieder mit einer weissen Weste dastehst? Oder müsstest du befürchten, dass dir nicht nur von der falsch anschuldigenden Person, sondern auch von Gerichten übel mitgespielt wird?
Oberstes Bild: Screenshot vom Video der Sendung