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Gewalt gegen Frauen – und gegen Männer

18.03.2014 |  Von  |  Beitrag

Nach neuesten Zahlen statistischer Erhebungen aus der Europäischen Union ist jede dritte Frau zwischen 15 und 74 Jahren bereits schon mindestens einmal Opfer von Gewalt geworden.

Das sind rund 62 Millionen Frauen, mehr als Italien Einwohner hat. Betroffen sind Frauen dabei von sexueller Gewalt genauso wie von körperlicher oder psychischer Gewalt.

Auch Männer sind davon nicht unbetroffen, wenn auch die Studie dazu keine Ergebnisse liefert. Selbst wenn die Schweiz als Nicht-EU-Land von dieser Erhebung ausgenommen war, bedeutet das nicht, dass hierzulande die Zahlen signifikant anders wären.

In den Nordländern ist die Gewalt am grössten

Entgegen anderen Erwartungen schneiden die nördlichen Länder der Europäischen Union vergleichsweise schlecht ab. Hier werden mehr Frauen körperlich und psychisch belästigt und misshandelt als etwa in südlicheren Gefilden. Gewissermassen gibt es ein messbares Nord-Süd-Gefälle bezüglich der Gewaltanwendung gegenüber Mädchen und Frauen. So zeigt es zumindest die Studie.

Wo sich hier die Schweiz einzuordnen hat, bleibt offen. Ebenfalls offen bleiben in der Studie die nachvollziehbaren Gründe für dieses Gefälle. Sind nordische Männer brutaler als die im Süden – oder sorgen andere Gründe für die verwunderlich anmutenden Zahlen? Eine Frage, die es in nächster Zukunft zu beantworten gilt. Ebenfalls auf eine Antwort wartet die Fragestellung, warum Gewalt gegen Frauen noch immer irgendwie akzeptabel erscheint, selbst wenn die Gesetzgebungen der meisten EU-Länder ganz andere Zeichen setzen. Und übrigens sind Männer wider Erwarten nicht weniger von Gewalt und Übergriffen auch seitens des weiblichen Geschlechts betroffen.

Körperliche Gewalt zwischen sexuellen Übergriffen und Schlägen

Im Bereich der körperlichen Gewalt wird zwischen sexueller Gewalt und rein körperlicher Gewalt unterschieden. In den Bereich der sexuellen Gewalt ist dabei auch die sexualisierte Gewalt einzubeziehen; jede Art des körperlichen Zwanges zählt auch zu sexueller Gewalt, sofern sie nicht willentlich akzeptiert wird.

Laut Studie wurde in der Europäischen Union jede 10. Frau schon mindestens einmal Opfer von sexueller Gewalt. Die Spannbreite reicht dabei von exhibitionistischen Handlungen von Männern bis hin zur Vergewaltigung. Die Spielarten dazwischen sind mannigfaltig und nicht dezidiert unterschieden. Etwa fünf Prozent der EU-Frauen sind bereits Opfer einer Vergewaltigung geworden. Das wäre statistisch gerechnet jede 20. Frau, ausgehend von einer Gesamtanzahl von etwa neun Millionen vergewaltigten Mädchen und Frauen. Die sicherlich nicht unbeträchtlichen Dunkelziffern bleiben hier unbenannt.

Insgesamt 22% der befragten Frauen gaben an, von ihrem Partner bereits sexuell oder körperlich angegriffen worden zu sein. Mit 43% Prozent fällt die Quote der Frauen sehr hoch aus, die sich von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner bereits schon mindestens einmal psychischer Gewalt ausgesetzt gefühlt haben. Welche Massstäbe dazu angelegt wurden, ist in der knappen Veröffentlichung zur Studie nicht weiter differenziert. In vielen Fällen schliesst sich die Schere zwischen sexueller Gewalt und Schlägen recht schnell. Nicht selten gibt es sogar eine direkte Verbindung beider Gewaltformen.


 Um Gewalt zu verhindern ist mehr Aufklärung und Aufmerksamkeit notwendig.

Um Gewalt zu verhindern ist mehr Aufklärung und Aufmerksamkeit notwendig.


Übergriffe am Arbeitsplatz bleiben bedenklich

Knapp ein Drittel der befragten Frauen gaben an, bereits mindestens einmal am Arbeitsplatz belästigt worden zu sein. Dabei sind Kunden, Kollegen und Vorgesetzte gleichermassen beteiligt. Oftmals sind es besonders die Vorgesetzten, die sich aufgrund ihrer Machtstellung nicht abgeneigt fühlen, sexuell übergriffig zu werden. Das reicht von anzüglichen Bemerkungen bis hin zu offener sexueller Gewalt.

Auch diese Zahlen sind überaus besorgniserregend in scheinbar zivilisierten Gesellschaften wie denen der Europäischen Union. Hier sind offenbar mehr Aufmerksamkeit, bessere Schulungen und vor allem ein wachsamerer und restriktiverer Gesetzgeber gefragt.

Auch in sozialen Netzwerken bleibt die Gewalt ein Thema

Erschreckend zugenommen hat die Gewalt in den Sozialen Netzwerken wie etwa Facebook oder Whats App. Hier sind es vor allem Erscheinungsformen des Mobbing, aber auch offene Androhungen körperlicher oder sexueller Gewalt, die immer wieder erschrecken. Besonders jüngere Frauen sind von dieser Form der Gewalt betroffen. Leider wird der Aufschrei der Empörung über solche Gewaltformen immer erst dann laut, wenn wieder ein Todesopfer der Cyber-Gewalt zu beklagen ist. Dabei macht die Gewalt in den sozialen Netzwerken keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Überhaupt ist die psychische Gewalt weiter verbreitet als geglaubt und erschreckt auch mit der Formenvielfalt und der Wirkung auf die Betroffenen. Nicht zu vernachlässigen sind dabei auch die Opfer von Stalking.

Mehr Aufklärung und Aufmerksamkeit notwendig

Die Schlussfolgerungen zu den erschreckend hohen Opferzahlen der Studie lassen darauf schliessen, dass für jede Art der Gewalt gegenüber Frauen ein neues Mass an Aufklärung und Aufmerksamkeit erforderlich ist. Spezielle Schulungen über Gewalt am Arbeitsplatz können hier genauso hilfreich sein wie etwa spezielle Unterweisungen für Eltern, Lehrer und Erzieher, um schon frühzeitig in der Entwicklung individuelle Kompetenzen gegen Gewalt entwickeln zu können. Auch die öffentliche Meinungsbildung zum Thema Gewalt gegen Frauen muss weiter forciert werden. Sonst werden sich die Zahlen auch in den nächsten Jahren kaum ändern.

Auch wenn die Studie lediglich über die Gewalt gegenüber Frauen berichtet, sind auch die männlichen Opfer von Gewalt nicht unerheblich. Auch Männer werden in der Familie, in der Ehe oder in der offenen Beziehung und selbst am Arbeitsplatz nicht selten Opfer von unterschiedlichsten Gewaltformen. Wir reden hier letztlich von einem gesamtgesellschaftlichen Problem, das nicht vor der Geschlechterfrage Halt macht.

 

Oberstes Bild: © Joggie Botma – shutterstock

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