Der Streit Autofahrer vs. Velofahrer geht in eine neue Runde
von Olaf Hoffmann
Eine neue Qualität bringt der Deutsche Heinrich Strössenreuther in den ewigen Streit ein. Er hat mit Wegeheld eine kostenlose App entwickelt, mit der es möglich ist, Falschparker auf Radwegen und Gehwegen öffentlich zu brandmarken und mit vorgefertigter App auch gleich an die Ordnungsbehörden zu melden.
Ziel erreicht, Weg verfehlt
Die kostenlose App ermöglicht es, mit dem Smartphone ein Foto vom Falschparker zu schiessen und dieses nebst einem via GSM ermittelten Standortpin auch gleich an die Ordnungshüter in Uniform zu versenden. Anzuschauen sind die Karten mit den Falschparkermeldungen in der App und können natürlich auch von den Verkehrsordnern der Polizei und den deutschen Ordnungsämtern studiert werden.
Was bei so manchem Autofahrer für Schamesröte im Gesicht sorgen könnte, lässt die Ordnungshüter noch relativ kühl. Eine öffentliche Brandmarkung von Verkehrsverstössen soll es in dieser Art mit Unterstützung der Behörden nicht geben. Und so bleiben die Ordnungsämter und Polizeistationen derzeit noch relativ gelassen. Die Politessen und deren männliche Kollegen gehen weiter ihre Runden und ermitteln selbst vor Ort, wer sich welches Vergehens im ruhenden Verkehr schuldig macht. Meist sind es reine Ordnungswidrigkeiten, die dann mit dem berüchtigten Knöllchen an der Windschutzscheibe samt nachfolgendem Anhörungsbogen und Zahlungsaufforderung geahndet werden. Von den Ergebnissen der App lassen sich die Ämter und Behörden bislang nicht leiten.
Lediglich ein statistisch interessantes Merkmal billigen die offiziellen Verkehrsverstoss-Ahnder der App zu. So lassen sich anhand der Auswertung der Kartendaten der App schon die Bereiche recht gut erkennen, in denen es gehäuft zu Parkverstössen kommt.
Bei den Interessenten in Deutschland kommt die Wegeheld-App hingegen erstaunlich gut an. Schon weit über 10.000 User haben sich das kleine kostenfreie Programm auf ihr Smartphone geladen und fühlen sich jetzt gewissermassen als Hilfssheriff oder verlängerter Arm der Verkehrsgerechtigkeit. Ob ein solches öffentliches Anschwärzen selbst mit unkenntlichem Kennzeichen die Bedingungen des Datenschutzes erfüllt, bleibt fraglich. Immerhin lassen sich gerade im näheren Umfeld so mache Falschparker schon anhand der Abbildung des Fahrzeugs und etwaiger Besonderheiten recht einfach ausmachen. So wird eine öffentliche Hetzjagd veranstaltet, deren Ziel zwar edel erscheint, der Weg hingegen geht irgendwie am Bedarf vorbei.
Wegeheld-App könnte auch in die Schweiz kommen
Derzeit prüft Strössenreuther, ob sich die App auch in der Schweiz etablieren lässt. Die grundsätzlichen Bedingungen scheinen gegeben, allerdings müssten die realen Möglichkeiten vor Ort noch genauer geprüft werden. Vorsichtshalber hat der ehemalige Bahn-Manager schon einmal die Domain Wegeheld.ch für sich reserviert. Ein erstes Anzeichen dafür, dass die Falschparker-Verpetz-App durchaus auch in der Schweiz Fuss fassen könnte.
Aber auch hierzulande zeigt sich die Polizei eher gelassen. Sie beharrt auf ihrer hoheitlichen Aufgaben und will diese auch nicht an selbsternannte Hilfspolizisten mit Smartphone, Wegeheld-App und allenfalls zu viel Zeit abgeben. Viel sinnvoller erscheint es hier, Personal und Technik so weit aufzustocken, dass der ruhende Verkehr noch besser überwacht werden kann.
Dementsprechend bleibt in der Schweiz die Wegeheld-App dann doch eher ein Spielzeug für jene, die gern die Fehler anderer öffentlich zur Schau stellen wollen und nicht davor zurückschrecken, andere anzuschwärzen.
Velofahrer sollen in ihren Rechten gestärkt werden
Originäre Zielstellung der Wegeheld-App sei es, die Rechte der Velofahrer im Verkehr zu stärken und so einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Zugeparkte Radwege und Trottoirs sollen so schon bald der Vergangenheit angehören. Und so mancher Autofahrer in ständiger Parkplatznot soll damit auch dazu bewegt werden, zumindest in Stosszeiten auf das Velo umzusteigen. Ob die kostenlose App Wegeheld dazu der richtige Weg ist, darf umstritten bleiben.
Für mich ist diese App eher der Versuch eines technisch begabten Petzers, Falschparker öffentlich zu diskriminieren. Dass dabei die Wahl der Mittel eher eng ausfällt, liegt wohl in der Natur der Sache. Und diese Sache ist die Auseinandersetzung der Velofahrer mit den Autofahrern, die längst nicht mehr in jedem Fall mit fairen Mitteln geführt wird.
Auch wenn grundsätzlich nichts gegen das Velofahren einzuwenden ist, sollten sich doch beide Seiten um mehr Sachlichkeit bemühen. Genauso wie einige Autofahrer wenig Rücksicht auf die Velofahrer nehmen, bewegen sich Letztere auch zunehmend haarsträubender im öffentlichen Verkehr. Falsches, unangezeigtes Abbiegen, Nutzung der Fahrbahn trotz vorhandenem Veloweg, teils gefährliches Radfahren in Fussgängerbereichen und jede Menge anderer Verstösse machen den leichtfertigen Velofahrer genauso gefährlich wie Autofahrer, die entgegen der einschlägigen Verkehrsregeln auf das Recht des Stärkeren pochen.
Zeit also, die Auseinandersetzung zwischen Velofahrern und Autolenkern auf eine sachliche Ebene zurückzuführen, was mit der Wegeheld-App als Petz-Programm sicherlich nicht befördert wird.
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