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Mehr als ein Arbeitsplatz: Wohlfühlzone Unternehmen

13.11.2014 |  Von  |  Beitrag

In grossen und kleinen Unternehmen sind Menschen damit beschäftigt ihre Arbeitszeit sinnvoll zu nutzen und die von ihnen abverlangte Leistung zu erbringen, um so ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ab und an vielleicht auch mal eine Sonderleistung zu erhalten. 

Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern eine Teeküche, vernünftig ausgestaltete Pausenräume und einige andere Extras am Arbeitsplatz, doch dann ist meist auch schon Schluss. Ganz anders in einigen grossen Unternehmen des amerikanischen Silicon Valley, wo der Arbeitsplatz zum Mittelpunkt des Lebens wird: Hier sorgen unter anderem kuschelige Komfortzonen dafür, dass die Firma so etwas wie ein Familienersatz wird – nicht ohne Grund.

Mitarbeiter werden verwöhnt, aber auch isoliert

Der Blick in Unternehmen wie Google, Facebook, LinkedIn, Evernote oder Twitter zeigt Erstaunliches: Hier arbeiten die meist gut dotierten Mitarbeiter nicht nur leistungsorientiert und schöpferisch – hier wird auch noch gelebt. In vielen Bereichen dieser Unternehmen gibt es keine festen Zeiten für den Arbeitsbeginn. Nicht selten fährt man mit dem firmensubventionierten Auto ins Büro oder leiht sich einfach ein E-Mobil aus dem Firmenbestand.

Um Frühstück, Mittagessen und kleine Leckereien zwischendurch kümmert sich das Unternehmen ebenso wie um Getränke, die Kinderbetreuung oder die körperliche und seelische Fitness. In machen dieser Unternehmen muss der Angestellte eigentlich nicht mehr auf die Strasse, denn er kann nahezu alles auf dem Campus erledigen und erleben – selbst Freunde oder den Partner fürs Leben findet er dort. Ab und an sorgt sich der Global Player sogar um eine Putzfrau für das Zuhause seiner Mitarbeiter oder gibt ihnen ein Abendessen mit auf den Heimweg.

Der aussergewöhnliche Komfort lässt den Eindruck entstehen, dass es sich bei diesen Arbeitsplätzen um echte Wohlfühlzonen handelt – doch letztlich führen sie auch zu einem guten Stück Isolation. Bei den Angestellten, denen die alltäglichen Sorgen zu einem grossen Teil abgenommen und deren echte Freunde aus dem Leben vor Google, LinkedIn und Co. durch Kollegen ersetzt werden, dreht sich letztlich alles nur noch um eines: um die eigene Arbeit und die der Kollegen. Auf diese Weise entstehen arbeitsbezogene Parallelgesellschaften, die eine High-Class von Arbeitnehmern züchtet, die wenig Kontakt zur realen Aussenwelt hat.

Eindeutige Zielstellung mit zweischneidigem Ergebnis

Schnell wird deutlich, worauf die komfortable Wohlfühlzone Arbeitsplatz abzielt: Die lukrativen Leistungen locken hochqualifizierte Mitarbeiter an, die durch das Leistungsplus der Arbeitgeber an den Arbeitsplatz gebunden werden. Diese besondere Art der Mitarbeiterbindung nimmt den Angestellten vieles ab, was dem Otto Normalarbeiter in den USA und anderswo kaum geboten wird. Eine hierarchische Trennung wie in vielen Unternehmen üblich, gibt es hier nicht: In nahezu privater Atmosphäre treffen CEOs und Mitarbeiter in ihren jeweils frei einlegbaren Pausen aufeinander. So beispielsweise in der Cafeteria, im firmeneigenen Fitnessstudio oder in der internen Spielhalle. Es scheint also letztlich kaum einen vernünftigen Grund zu geben, das Unternehmen zu wechseln, das zu einer Art Parallelwelt geworden ist. Doch zugleich entsteht genau dadurch auch eine Form von Isolation.


Im firmeneigenen Fitnessstudio (Bild: © Eviled - shutterstock.com)

Im firmeneigenen Fitnessstudio (Bild: © Eviled – shutterstock.com)


Das Rundum-Wohlfühlpaket ist somit eine recht zweischneidige Angelegenheit: Die angenehme Komfortzone will schliesslich verdient sein: auf der einen Seite durch hervorragende und überdurchschnittliche Leistungen, auf der anderen Seite mit einer Treue zum Unternehmen, die weit über die üblich erwünschte Loyalität hinausgeht und viele Abwerbungsversuche schon im Ansatz verhindert. Nicht selten verarmen die dort Beschäftigten an ihrer sozialen Integrität und merken es nicht einmal. Wer aus dieser Wohlfühlzone einmal ausgestiegen ist, sieht das Unternehmen schon mit anderen Augen.

Die Beschränkung auf das Unternehmen mit seinen zahlreichen Angeboten und die daraus resultierende soziale Isolation führen dazu, dass Freunde verloren gehen und sich letztlich alles nur noch um die Arbeit dreht. Das mag nicht unbedingt nur schlecht sein, schränkt aber langjährige Mitarbeiter, die dann zu einer besonderen Schicht in der Klasse der Wertschöpfenden zählen, in ihrer sozialen Entwicklung ein.

Manche Aspekte auch für Schweizer Unternehmen sinnvoll

Nicht nur den Arbeitnehmern, sondern auch den amerikanischen Global Playern der modernen Wissens- und Kontaktindustrie selbst eröffnen die Komfortzonen entscheidende Vorteile: Grundsätzlich werden Leistungen bereitwilliger erbracht, lassen sich Mitarbeiter besser ans Unternehmen binden und sorgt das ausserhalb der eigentlichen Arbeit erbrachte Plus an Leistungen dafür, dass die Beschäftigten gern im Unternehmen sind. In diesem Punkt dürfte manches Schweizer Unternehmen Nachholbedarf haben.



Doch weniger zur Nachahmung empfohlen ist die Isolation der Beschäftigten und ihre alleinige Fokussierung auf die Firma als Lebensmittelpunkt. Arbeit benötigt einen gesunden Ausgleich, für den regelmässige Kontakte zum „wahren Leben“ von Bedeutung sind. Menschen, die nahezu ausschliesslich in der Parallelwelt ihres Arbeitsplatzes und Unternehmens leben, verarmen individuell. Dieses Manko wird sich dann irgendwann auch negativ auf die Arbeitshaltung sowie die allgemeine Einstellung zum Unternehmen auswirken. Deshalb sollte diesbezüglich stets ein gesunder und kluger Ausgleich bestehen –auch mit einem ungewöhnlich komfortablen Plus besonderer Sozialleistungen und betrieblicher Integration.

 

Oberstes Bild: © Antoniya G. Kozhuharova – shutterstock.com

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