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Neue Erkenntnisse über die Risikobereitschaft im Alter

05.10.2016 |  Von  |  News

Auf die Art des Messens kommt es an! Ob Risikobereitschaft im Alter zu- oder abnimmt oder unverändert bleibt, hängt zum einen davon ab, ob man einfach nur fragt – hier wird in der Regel eine Abnahme mit zunehmendem Alter konstatiert – oder eine konkrete Risikoaufgabe stellt. Dann hängt es wiederum von der Art der Aufgabe ab, die man den Testpersonen stellt. Studien der Universität Basel legen den Verdacht nahe, dass eine altersbedingte funktionelle Veränderung im Gehirn hierbei eine Rolle spielt.

Ob wir mit zunehmendem Alter mehr oder weniger Risiko eingehen und welche biologischen Grundlagen unser Entscheidungsverhalten beeinflussen, ist Forschungsgegenstand der Kognitions- und Entscheidungswissenschaftler der Universität Basel. Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Frage, inwiefern beobachtete altersbedingte Veränderungen in der Risikobereitschaft von eingesetzten Messinstrumenten abhängen.

Hierzu wurden zwei Studien durchgeführt: In einer ersten sammelten die Forscher Daten zur Selbsteinschätzung und zum Verhalten in Risikoaufgaben von mehr als 1.000 Probanden zwischen 18 und 90 Jahren. Die zweite Studie vergleicht mittels Magnetresonanztomographie die Gehirnfunktion jüngerer und älterer Erwachsener beim Lösen von Risikoaufgaben.

Diskrepanz zwischen Verhalten und Selbsteinschätzung

Die Ergebnisse der ersten Studie, veröffentlicht in der Zeitschrift „Psychology and Aging“, zeigen, dass auf eigener Einschätzung beruhende Risikobereitschaft über die Lebenspanne hinweg abnimmt, sich in unterschiedlichen Risikoaufgaben aber sowohl abnehmende als auch unveränderte oder sogar leicht erhöhte Risikobereitschaft beobachten lässt. Die Studie stellt fest, dass unterschiedliche Messinstrumente mitunter unterschiedliche Risikoprofile erzeugen.

Als mögliche Ursache für diese heterogenen Ergebnisse führen die Forscher die unterschiedlichen kognitiven Anforderungen der Aufgabenstellungen an. Anspruchsvolle Aufgaben stellen für ältere Menschen eine grössere Herausforderung dar als für jüngere.

Als Beispiel einer solchen komplexeren Aufgabe kam die sogenannte „Balloon Analogue Risk Task“ in beiden Studien zum Einsatz. Die Probanden mussten virtuell Ballons aufpumpen: je grösser der Ballon, desto mehr Punkte und desto höher der Gewinn für den Probanden. Wird der Ballon zu stark aufgeblasen, platzt er, und alle erzielten Punkte gehen verloren.

Die erfolgreiche Bearbeitung der Ballonaufgabe erfordert die Extrahierung und Integrierung von unterschiedlichen Informationen. Die Forscher vermuten, dass ältere Menschen möglicherweise mehr Schwierigkeiten haben, diesen Anforderungen gerecht zu werden, sodass sie in der Ballonaufgabe beispielsweise auf weniger ertragreiches, also risikoaverses Verhalten zurückgreifen. Je nach Aufgabe und Anforderung wird dann eine unveränderte, niedrigere oder auch erhöhte Risikobereitschaft im Alter beobachtet.

Wie wird die Entscheidungsfindung gesteuert?

Um die biologischen Grundlagen dieser Prozesse besser zu verstehen, verglichen die Forscher in einer zweiten Studie die bei Risikoaufgaben zum Einsatz kommenden Gehirnprozesse von 26 jüngeren und 27 älteren Probanden. In Kollaboration mit chinesischen Wissenschaftlern identifizierten sie altersbedingte funktionale Veränderungen in einer bestimmten Gehirnregion als mögliche Ursache für die beobachtete Heterogenität bei Risikoaufgaben.

Wie die Forscher in der Zeitschrift „Frontiers in Aging Neuroscience“ berichten, scheint im Alter nicht die Verarbeitung von Risiko, Gewinn oder Verlust selber, sondern deren Integration in ein Entscheidungssignal beeinflusst zu sein.

Es lässt sich also nicht eindeutig sagen, ob ältere Menschen nun tatsächlich weniger Risiko eingehen als jüngere oder nicht. Hingegen zeigt sich, dass die gemessene Risikobereitschaft von der Komplexität der Aufgabenstellung abhängt. Gerade bei finanziellen oder gesundheitsbezogenen Entscheidungen ist die Verarbeitung und Integration von grösseren Informationsmengen von grosser Bedeutung.

Die Autoren empfehlen daher, dass Informationen altersgerecht strukturiert und kommuniziert werden, um sicherzustellen, dass die Präferenzen älterer Menschen nicht lediglich als Effekt der Fragestellung entstehen.

 

Artikel von: Universität Basel
Artikelbild: © champja – istockphoto.com