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Kantonspolizei Bern: Emotionen im Polizeialltag – aus erster Hand

Das Berufsbild des Polizisten ist spannend, aber auch herausfordernd. Wir bewegen uns im ganzen Spektrum von emotionalen und menschlichen Schicksalen und erleben dabei Schönes, aber auch Trauriges.

Mein Name ist Thomas Kappeler. Die Polizeischule habe ich 2015/16 absolviert. Heute arbeite ich für die stationierte Polizei und erzähle Ihnen hier aus meinem Alltag.

Sie kennen vielleicht das beklemmende Gefühl: Sie fahren mit ihrem Auto an einen Verkehrsunfall mit verletzten Personen heran oder sind selber in einen involviert. Panik, Hektik, Stress.

Was für Sie Ausnahmesituationen sind, sind für uns Alltagssituationen – so meint man. Doch was geht in einem Polizisten wirklich vor, wenn er anspruchsvolle Ereignisse zu bewältigen hat?

Die Tücken einer dringlichen Einsatzfahrt

Wir befinden uns frühmorgens auf Patrouillenfahrt durch ein Quartier, als uns ein Funkruf der Einsatzzentrale erreicht. Ein schwerer Verkehrsunfall mit einer verletzten Person hat sich ereignet. Mein Partner schaltet die Warnvorrichtungen am Fahrzeug ein. Das Adrenalin beginnt in mir auszuströmen. Als Fahrer muss ich mich konzentrieren, mein Fokus liegt voll auf der Strasse. Ich halte das Steuerrad mit beiden Händen fest, muss schnell reagieren können. Hier ein Überhol-, da ein Ausweichmanöver. Oberstes Ziel ist es, rasch aber auch unversehrt an der Unfallstelle anzukommen. Schliesslich will ich ja weder mich selbst, noch andere Personen gefährden. Ausserdem kann ich nicht davon ausgehen, dass die Warnvorrichtungen meines Fahrzeuges von allen Verkehrsteilnehmenden wahrgenommen werden. Dazu kommt, dass nicht alle wissen, wie sie reagieren sollen. Wir haben in einem Blogbeitrag über das Thema Rettungsgasse berichtet.

Und noch weitere Einflussfaktoren

Es ist immer noch dunkel, die Dämmerung hat bereits eingesetzt. Schwierige Lichtverhältnisse. Velofahrer, welche ohne Licht unterwegs sind, sind besonders schwer wahrzunehmen. Mein Tempo wähle ich mit Bedacht. Je näher wir an den Unfallort kommen, desto schneller geht auch mein Puls.

Neben meinem Fokus auf der Strasse, muss ich mir auch überlegen, was uns am Einsatzort erwarten könnte. Wir nennen es mentale Vorbereitung auf unterschiedliche Szenarien. So bleiben wir geistig flexibel und sind nach dem Aussteigen fähig zu handeln und nicht blockiert. Zudem spreche ich mich kurz mit meinem Partner ab, wer welche Aufgaben übernimmt. So ist gewährleistet, dass jeder weiss, was er zu tun hat und nicht beide in dieselbe Richtung rennen. Nach knapp drei Minuten Fahrt erreichen wir die Unfallstelle. Ich atme einmal tief durch, steige aus dem Auto und beginne mit meiner Arbeit.

Freud und Leid

Ein paar Stunden nach dem Unfall werden wir zu einem Verkaufsgeschäft beordert, in welchem eine Mutter seit knapp einer Stunde ihr Kind vermisst. Eine unglaublich belastende Situation für die Mutter, für mich als Familienvater gut nachvollziehbar. Umso wichtiger ist es, Ruhe in die Situation zu bringen, gezielte Informationen zum Kind abzuholen und daneben noch beruhigend auf die aufgebrachte Frau einzuwirken.

Aufgrund meiner Erfahrungen mit meinen eigenen Kindern kann ich mit viel Empathie auf die Mutter reagieren. Sie hat im Gespräch beiläufig erwähnt, dass ihr Kind sie mit einem Tret-Go-Kart begleitet habe und dieser vor dem Geschäft deponiert sei. Als ich dort nachschaue, kann ich keinen Go-Kart ausmachen. Schnellen Schrittes schreite ich den Weg zur Wohnadresse der Familie ab, welche rund fünf Gehminuten vom Verkaufsgeschäft entfernt liegt. Mein Kollege verweilt bei der Mutter, sie schauen nochmals intensiv im Geschäft und der näheren Umgebung nach dem Kind.

Nach kurzem Fussmarsch erreiche ich den Spielplatz der Liegenschaft und kann meinem Kollegen telefonisch mitteilen, dass das Kind wohlauf ist und freudig auf dem Spielplatz mit anderen Kindern am Spielen ist. Erleichtert über die Meldung, eilt die Mutter ebenfalls zum Spielplatz, nimmt ihr Kind in den Arm und ist einfach nur überglücklich. Sie drückt uns ihre Dankbarkeit in Worten aus, die Tränen und das gleichzeitige Strahlen in ihren Augen wirken aber mehr als das Ausgesprochene. Solche Situationen, besonders, wenn sie glücklich ausgehen, sind auch für uns immer wieder eine Bereicherung. Freud und Leid liegen eben manchmal nahe beieinander.

Sind wir gefühlsarm?

Polizisten seien arrogant, emotionslos und kalt. Diese Empfindung bekomme ich ab und zu von Leuten, welche im Kontakt mit Polizisten standen, mitgeteilt. Woran das liegen mag, kann ich nicht sagen. Eine mögliche Erklärung sehe ich darin, dass wir immer wieder mit schweren Ereignissen zu tun haben – mit Krisensituationen, Verletzungen, Tod. Vielleicht fehlt uns in anderen Situationen teilweise das nötige Einfühlungsvermögen und Verständnis für Probleme, welche für den einzelnen Bürger zwar eine grosse Belastung darstellen, sich in unserer Betrachtung aber eher um „Kleinigkeiten“ handeln. Diese Relativierung mag für Aussenstehende dann vielleicht als kühl erscheinen, ist von uns aber bestimmt nicht so gemeint.

 

Quelle: blog.police.be.ch
Titelbild: Symbolbild / Kantonspolizei Bern

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