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Sommergewitter: Entstehung und Vorhersage am Beispiel von heute Abend

Nachdem der Mai gewittermässig kaum was gebracht hat, hat die Gewittersaison pünktlich mit dem meteorologischen Sommer dank höheren Temperaturen nun begonnen.

Welche Voraussetzungen braucht es aber für Gewitter und wie steht es mit der Vorhersage von Gewittern?

Wie MeteoNews in einer Mitteilung schreibt, hat die Gewitteraktivität pünktlich zum Beginn des meteorologischen Sommers mit höheren Temperaturen zugenommen, nachdem es im Mai noch kaum Gewitter gab. Nachfolgend soll erläutert werden, welche Bedingungen für die Entstehung von Gewittern nötig sind und wie zuverlässig Gewittervorhersagen sind.

Welche Voraussetzungen braucht es für Gewitter?

Für die Entstehung von Gewittern müssen drei Bedingungen erfüllt sein:

1. Labile Schichtung der Atmosphäre (ausreichende Temperaturabnahme mit der Höhe): Für Gewitterbildungen muss die Wetterschicht der Atmosphäre (sog. Troposphäre) hinreichend labil geschichtet sein, das heisst, die Temperaturunterschiede zwischen hohen und tiefen Schichten müssen genügend gross sein, dass vertikale Umlagerungen in Gang gesetzt werden. Zur Berechnung der Labilität und damit der Stabilität der Schichtung ziehen die Meteorologen in der Praxis den Temperaturunterschied zwischen der 500 Hektopascalhöhe (etwa 5500 Meter) und der 850 Hektopascalhöhe (etwa 1500 Meter) heran.

Im Beispiel (siehe Karte) beträgt die Temperatur heute um 20 Uhr auf der 500-Hektopascalhöhe etwa -13,5 Grad und auf der 850- Hektopascalhöhe etwa 13 Grad, dies ergibt eine Labilität von etwa 26,5 Grad. Die Faustregel besagt, dass Gewitter ab einer Labilität von etwa 26 möglich sind, ab 30 muss mit heftigen Gewittern mit Sturmböen und Hagel gerechnet werden. Rein von der Labilität wären also heute Abend Gewitter knapp möglich, allerdings kaum heftige Gewitter.

2. Hebung mit Kondensation der Luftfeuchte: Für die Hebung der bodennahen Luft sind im Sommer meist unterschiedlich erhitzte Luftmassen verantwortlich, die sich aufgrund variierender Wind- und Luftdruckverhältnisse sowie Luftschichtungen bilden. Hebung heisst, dass die bodennahe Luftschicht sich erwärmt und aufgrund der gegebenen Labilität der Luftschichtung aufsteigen kann, sodass der Wasserdampf auskondensiert und so den Aufstiegsprozess antreibt. Dabei spielt die sogenannte Thermik die Hauptrolle. So wird die Luft beispielsweise über einem Acker, über nacktem Fels oder über einer Stadt stärker erwärmt als über Gewässern und Wäldern.

Durch die Erwärmung des Erdbodens kann ein darüber liegendes Luftpaket Wärme aufnehmen. Dabei nimmt die Luftdichte des Luftpakets ab, es wird leichter als die Luft in der näheren Umgebung und beginnt aufzusteigen. Das Luftpaket wird sich nun auf dem Weg nach oben bis zur Sättigung abkühlen. Infolge der nun einsetzenden Kondensation entstehen Wolken (Cumulus- oder Gewitterwolken) und eventuell Niederschlag. Ein anderer, sehr wichtiger Thermikprozess ist der Aufwind an Berghängen. Südhänge werden von der Sonne in einem günstigeren Winkel  bestrahlt als Nordhänge, was dort zu stärkerer Erwärmung führt. Das führt dazu, dass sich Gewitter bevorzugt über Hügeln und Bergen bilden, bei uns in der Schweiz vor allem über dem Jura und den Alpen. Neben der Thermik gibt es noch weitere Arten, wie der Hebungsprozess in Gang gebracht werden kann, worauf aber in dieser Stelle nicht weiter eingetreten werden soll.

In den Wetterkarten stehen den Meteorologen verschiedene Hebungsparameter zur Verfügung, hier ein Beispiel einer Hebungskarte für heute Abend 20 Uhr.

Ohne auf Details einzugehen, kann man sagen, dass die Gewitterneigung umso grösser ist, je mehr orange bis rot die Karte ist. Gemäss obiger Karte müssten heute Abend vor allem im Osten Gewitter erwartet werden.

3. Feuchte: Damit Gewitter entstehen können, muss genügend Feuchtigkeit in der Luft vorhanden sein. Dabei stehen den Meteorologen Feuchtekarten von verschiedenen Höhen zur Verfügung. Eine zentrale Rolle stellt dabei die Feuchte auf 700 Hektopascal, d.h. auf rund 3000 Metern dar. Nachfolgend die berechnete Feuchtekarte auf 700 Hektopascal für heute Abend 20 Uhr.

Grundsätzlich muss die Feuchte mindestens etwa 70% betragen, damit genügend Feuchtigkeit für die Gewitterbildung vorhanden ist. In unserem Beispiel für heute Abend ist diese Bedingung weitgehend erfüllt (hellblaue bis weisse Farbe). FAZIT: Die Bedingungen für Gewitter wären heute Abend knapp erfüllt, bleibt die Frage, ob es tatsächlich Gewitter gibt, wie stark sie sind und wieviele es hat.

Damit wären wir beim Thema der Gewittervorhersage.

Wie genau können Gewitter vorhergesagt werden?

Wegen der vielen verschiedenen Bedingungen für eine Gewitterbildung und deren gegenseitiger Beeinflussung ist eine örtlich genaue Gewittervorhersage entsprechend schwierig. Gewitter sind denn auch teilweise kleinräumige Gebilde von wenigen Kilometern Ausdehnung, mit denen die klassischen Wettermodelle mit einer Auflösung von 10 bis 20 Kilometern Mühe haben, sodass die Gewitter durch die Maschen fallen können. Zudem kann die Gewitterbildung sehr rasch erfolgen,

sodass innerhalb einer Viertelstunde aus einer harmlosen Wolke eine ausgewachsene Gewitterwolke werden kann, aus der es unter Umständen hagelt.

Aufgrund dieser Kleinräumigkeit ist die Vorhersage auch so schwierig. Für das Auftreten eines Gewitters kann man üblicherweise weder den genauen Ort, noch die genaue Uhrzeit vorhersagen. Oft wird die Gewitterbildung mit einem Kochtopf auf einem Herd verglichen, man weiss nicht, wann und wo genau die Blasen im kochenden Wasser nach oben steigen werden. Jedoch kann man angeben, wie hoch die Neigung oder Wahrscheinlichkeit für Gewitterbildungen ist. Das ist denn auch der Grund, warum in den Wetterberichten oft allgemein von Gewitterneigung oder Gewitterwahrscheinlichkeit die Rede ist.

Letztere reicht von geringer Gewitterneigung, wo es nur eine geringe Anzahl von Gewittern gibt und es  vielerorts gewitterfrei bleibt, bis zu grosser Gewitterneigung, wo sich verbreitet Gewitter bilden, es aber dennoch nicht überall gewittern muss. Zudem lässt sich oft auch der Zeitrahmen oft nur grob eingrenzen, deshalb wird in den Wetterberichten vielfach von „im Laufe des Nachmittags oder Abends“ gesprochen.

Zurück zu heute Abend. In den Karten der Wettermodelle fliessen die Gewitterparameter in die Berechnung der Niederschlagskarten ein, sodass anhand dieser abgeschätzt werden kann, wo es wann und wieviele Gewitter in welcher Stärke gibt. Aufgrund der grossen Maschenweite der am häufigsten verwendeten Wettermodelle (Auflösung meist 10 bis 20 Kilometer) ist es nicht erstaunlich, dass verschiedene Modelle zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Als Beispiel seien die Niederschlagskarten des europäischen Wettermodells (ECMWF) mit einer Auflösung von 9 Kilometern sowie des Wettermodells des Deutschen Wetterdienstes ICON mit einer Auflösung von 13 Kilometer bis heute Abend 20 Uhr gegenübergestellt.

Bei beiden Karten liegt der Niederschlagsschwerpunkt und damit auch der Schwerpunkt allfälliger Gewitter in den nördlichen Voralpen, im westlichen Jura und in den Tessiner Alpen. Das deutsche Wettermodell zeigt auch im östlichen Mittelland mögliche Gewitter.

In den letzten Jahren wurden für gewisse Regionen immer besser aufgelöste Wettermodelle entwickelt, so gibt es  auch für die Schweiz Modelle mit 1 bis 2 Kilometern Auflösung. Sie vermögen so einzelne Gewitterzellen vorherzusagen. Allerdings stimmt die Modellierung mit der Realität oft nicht oder nur ansatzweise überein, und die Modelle gaukeln so eine Scheingenauigkeit vor. Das Problem neben einer benötigten enormen Rechenleistung besteht dabei darin, dass zu wenig genaue Ausgangsdaten vorhanden sind. Um Gewitter genau zu modellieren, müsste das Messnetz viel engmaschiger sein, damit die Ausgangslage richtig erfasst werden kann.

Trotzdem noch als Beispiel die Niederschlagskarte bis heute Abend des hochaufgelösten Modells unseres Wetterpartners UBIMET namens RACE, das sogar eine Auflösung von 100 Metern aufweist.

Dieses Modell zeigt, dass es entlang der Alpen, im Jura und im östlichen Mittelland isolierte und nicht sehr starke Gewitter geben sollte.

Die drei gezeigten Niederschlagskarten zeigen insgesamt ein ähnliches Muster, sind aber im Detail doch etwas verschieden. So ist beispielsweise nicht klar, ob es im östlichen Mittelland und in den Tessiner Alpen auch für Schauer oder Gewitter reicht. Schaut man noch weitere Karten verschiedener Wetterdienste an, so zeigt sich eine noch weit grössere Variabilität der Entwicklungsmöglichkeiten, sodass sich auch die bezüglich Gewittern meist nur sehr vage gefassten Wetterberichte erklären. Zudem könnten heute die vielen Wolken und Schauer am Vormittag für Gewitterbildungen am Nachmittag hinderlich sein. Gewitter sind und bleiben für die Meteorologen eine grosse Herausforderung, eine genaue Vorhersage ist auch in naher Zukunft kaum möglich!

 

Quelle: MeteoNews
Titelbild: S6Wigj – shutterstock.com

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