Nationaler Aktionsplan soll Menschenhandel bekämpfen
von Agentur belmedia
Menschenhandel gehört neben Drogen- und Waffenhandel weltweit zu den profitabelsten Geschäften überhaupt. Auch die Schweiz ist von diesem besonders perfiden Verbrechen betroffen. Zum „Europäischen Tag gegen Menschenhandel“ präsentiert die Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) heute einen Nationalen Aktionsplan, mit dem Menschenhandel in der Schweiz wirksam bekämpft werden soll.
Was sich mitten unter uns in einem zivilisierten Rechtsstaat abspielt, ist erschütternd. Da werden Frauen und Kinder aus ihrer Heimat in die Schweiz verschleppt und hierzulande zu Sex- oder Betteldiensten gezwungen. Ihrer Würde und sozialen Wurzeln beraubt, haben die Opfer kaum Chancen, ihren Peinigern zu entkommen.
Das Risiko, das die Menschenhändler eingehen, ist relativ gering. Denn die Verfolgung der Täter durch Polizei und Justiz ist häufig mangelhaft. Die wenigen Verurteilungen wegen Menschhandels sprechen für sich (2010 gab es schweizweit gerade mal vier Verurteilungen von Menschenhändlern). Zudem fehlt es an einem breiten öffentlichen Problembewusstsein, zumal die einheimische Bevölkerung – anders als etwa bei Einbruch oder Diebstahl – von diesem Verbrechen nicht direkt betroffen ist.
Sexsklavinnen in Zürich – bis zu 30 Freier in der Nacht
In welcher dramatischen Lage sich die ausländischen Sexarbeiterinnen befinden, zeigte erst jüngst eine Studie über den Zürcher Strassenstrich. Viele der Prostituierten dort sind Opfer von Menschenhandel. Sie kommen fast ausnahmslos aus armen Verhältnissen in Ostungarn. Bis zu 70 Stunden pro Woche stehen sie am Sihlquai und bedienen durchschnittlich sechs Freier pro Nacht, manche sogar bis zu 30. Gewalt und Pöbeleien sowie Zwang und Ausbeutung gehören zum Alltag der Frauen.
Die Missstände sind offenkundig. „Wir müssen endlich anerkennen, dass Menschenhandel auch in unserem Land verbreitet ist. Wir brauchen eine umfassende Strategie, um dagegen vorzugehen. Und wir müssen – auch angesichts beschränkter Mittel – der Bekämpfung des Menschenhandels eine hohe Priorität einräumen“, betont Bundesrätin Sommaruga.
Wirksamere Strafverfolgung von Menschenhändlern
Der Nationale Aktionsplan gegen Menschenhandel sieht vier Säulen vor. Zum einen will der Bund mehr Prävention als bisher leisten. So sollen Organisationen unterstützt werden, die darauf spezialisiert sind, die Opfer von Menschenhandel zu betreuen. Der Opferschutz soll gleichzeitig einen Beitrag zur Prävention leisten.
Zum Zweiten soll die Erfolgsquote von Strafverfahren gegen Menschenhändler deutlich erhöht werden. Künftig sollen in allen (statt wie bis heute nur in zwei) Kantonen Staatsanwälte permanent für Menschenhandelsfälle zuständig sein. Zudem wird angestrebt, dass sich künftig in allen Polizeikorps besondere Dienstgruppen ausschliesslich oder prioritär mit Fällen von Menschenhandel befassen. Da sich die kriminellen Netzwerke oft über mehrere Kantone erstrecken und auch international vernetzt sind, wird vorgeschlagen, in solchen Fällen die Kantone durch das Aktivwerden des Bundes zu entlasten.
Nationales Opferschutzprogramm geplant
Die dritte Säule gilt dem Opferschutz. Ein nationales Opferschutzprogramm soll die bisherigen kantonalen Praktiken der Hilfe für Betroffene – wie sie etwa das Fraueninformationszentrum FIZ in Zürich leistet – vereinheitlichen. Zentralen Wert legt der Aktionsplan auf die Zusammenarbeit zwischen der spezialisierten Opferhilfe und den Strafverfolgungsbehörden. Das Zeugenschutzgesetz, das am 1. Januar 2013 in Kraft treten wird, soll eine entscheidende Voraussetzung dafür schaffen, dass sich Opfer, die gegen Menschenhändler aussagen, nicht zusätzlich in Gefahr bringen
Die vierte Säule setzt schliesslich auf innerstaatliche und länderübergreifende Zusammenarbeit. Ein Vorbild ist hier die Kooperation mit Rumänien. So wurde zwischen Rumänien und der Schweiz eine Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Menschenhandel eingesetzt, in der staatliche wie nicht-staatliche Akteure an einem Tisch sitzen. Solche Formen der länderübergreifenden Zusammenarbeit sollen ausgebaut werden, um dem Verbrechen des Menschenhandels wirksam entgegenzutreten.
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