«Schick mer doch es Foti vo dr Süessi» - Polizei warnt vor Chat-Übergriffen auf Kinder
«Du bist zwölf? Wow! Ich wette, du bist sexy. Schickst du mir ein Foto?». Immer wieder kommt es vor, dass sich Erwachsene im Internet das Vertrauen von Kindern oder Jugendlichen erschleichen.
Diese Suche nach sexuellen Kontakten zu Minderjährigen im Netz nennt man «Grooming». Wie passiert das, wie können Sie Ihr Kind schützen und was tut die Polizei?
Als ein Arbeitskollege aus der Kriminalabteilung mir von Pädosexualität im Internet erzählt, wird es mir ganz unwohl. Besorgt denke ich an meine Tochter. «Die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt sind manchmal fliessend. Wenn man sein Kind im realen Leben schützen will, gehört ein sicherer Umgang mit dem Internet dazu», sagt der Ermittler.
Beim «Grooming» nehmen Erwachsene eine falsche Identität an und sprechen gezielt Minderjährige an. Ihr Ziel sind sexuelle Kontakte, die bis zum sexuellen Missbrauch führen können. Die Täterinnen und Täter sprechen Kinder und Jugendliche in den Sozialen Medien oder in Online-Games an und verlagern den Kontakt dann in einen privaten Chatraum oder eine Messenger-App.
Aufmerksamkeit und Schmeicheleien
Mein Kollege erzählt mir von einem 40-jährigen Mann. Sein Profil zeigt ihn als 19-Jährigen, als dieser schickt er auf einer populären Social-Media-Plattform eine persönliche Nachricht an ein zwölfjähriges Mädchen. Er schenkt ihr Aufmerksamkeit und macht ihr Komplimente, schickt ihr Fotos von sich – gefälscht, doch dies weiss sie nicht. Auf den Bildern sieht sie einen gut aussehenden Jungen.
Sein Interesse schmeichelt ihr, sie lässt sich auf das Gespräch ein. Trotz seines Alters verwendet der Täter glaubwürdig den gängigen Slang von Gleichaltrigen. Einzig das Telefonieren verweigert er; anhand der Stimme hätte das Mädchen sicher bemerkt, dass er viel älter ist.
Die Kinder werden erpresst
Eines Tages bittet der Mann sie um freizügigere Fotos. Sie ist verunsichert, fühlt sich unwohl, doch sie will den Verehrer nicht enttäuschen – und schickt ihm Bilder von sich. Zurück kommt ein Bild seines Intimbereichs. Als sie sagt, sie will damit aufhören, setzt er sie unter Druck: Er droht ihr, ihre Fotos zu veröffentlichen und Lügen über sie zu erzählen. Sie habe ja mitgemacht.
Das Mädchen ist mit der Situation absolut überfordert. Sie zieht sich zurück, wird ängstlich. Als ihre Eltern sie darauf ansprechen, bricht sie zusammen und erzählt ihnen alles. Die Eltern informieren die Polizei.
Das Digitale ist real
In diesem Fall haben die Ermittlungen ergeben, dass der Täter mehrere gefälschte Konten in den sozialen Medien hatte. Über eine Dauer von acht Jahren hatte er mit mehreren Mädchen und jungen Frauen Kontakt, rund die Hälfte davon unter 16 Jahren. Teilweise kam es zu realen Treffen, inklusive Sex.
«Eines muss man verstehen», so der Ermittler, «ob im Internet oder nicht, es handelt sich um einen sexuellen Missbrauch. Die Täterschaft nimmt das Kind virtuell in Besitz.» In Erinnerung rufen möchte er: «Selbst falls eine Partei unter 16 ist und der Geschlechtsverkehr von Beiden gewollt wäre, ist dies aufgrund der grossen Altersdifferenz (mehr als drei Jahre) dennoch eine Straftat.»
Der beste Schutz: Stärken und begleiten
Heranwachsende entwickeln eine natürliche Neugier für alles, was mit Sexualität zu tun hat. Kinder müssen wissen, dass sie auf ihre Eltern oder eine andere Vertrauensperson mit heiklen Fragen zukommen dürfen. Sprechen Sie ehrlich und unaufgeregt über Sexualität. Wenn Sie zudem die Medienkompetenz Ihres Kindes fördern, kann es eine kritische Meinung dazu entwickeln, wie Sexualität in den digitalen Medien dargestellt wird.
Werden bei einem Online-Gespräch sexuelle Inhalte ausgetauscht, sollen die Kinder und Jugendlichen das Gespräch abbrechen und eine erwachsene Vertrauensperson informieren. Ihr Kind soll wissen, dass es ok ist, Nein zu sagen. Machen Sie ihm keine Vorwürfe. Wenn etwas geschehen ist, muss das weder peinlich sein, noch sollten sich Kinder schämen. Nicht sie sind schuld, sondern die Täterin oder der Täter.
Vorsicht bei unbekannten Kontakten
Es ist nicht abwegig, Freundschaften im Internet zu schliessen. Man sollte Unbekannten im Internet jedoch immer kritisch gegenüberstehen. Der Kollege aus der Kriminalabteilung erklärt: «Mit der umgekehrten Bildersuche im Internet kann man versuchen, die wahre Identität der Onlinebekanntschaft herauszufinden; ob es sich zum Beispiel um ein gefälschtes Bild aus einem Modekatalog handelt.»
Will sich Ihr Kind mit der Freundin oder dem Freund aus dem Internet treffen, vereinbaren Sie mit ihm, dass es Sie oder eine andere erwachsene Vertrauensperson vorgängig informiert. Holen Sie sich hierbei Informationen zur neuen Bekanntschaft, z.B. Profilname, Natelnummer, Bilder und Chatabläufe. Ein Treffen soll unbedingt in der Öffentlichkeit stattfinden, zum Beispiel in einem Café und nur in Begleitung einer Freundin oder eines Freundes.»
Das unternimmt die Kantonspolizei Bern
Die Verhinderungen und Aufklärung von solchen Straftaten hat bei der Kantonspolizei ein grosses Gewicht. Unsere Spezialistinnen und Spezialisten führen unter anderem auch Schulungen mit Jugendlichen durch. Dort stärken sie die Teilnehmenden in ihrer Medienkompetenz und klären sie über Gefahren und rechtliche Grundlagen auf. Selbstverständlich ist die Kantonspolizei aber auch im Rahmen umfassender Ermittlungen aktiv. Sie sucht gezielt nach entsprechenden Tätern im Netz, leitet die folgerichtigen Ermittlungen gegen diese ein und überweist die Fälle an die Justiz. Dafür stehen speziell ausgebildete Ermittler im Einsatz.
Quelle: Kantonspolizei Bern
Titelbild: Symbolbild / snob / shutterstock